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# taz.de -- AfD-Parteitag in Magdeburg: Laute Worte und viel Schweigen
> Auf offener Bühne wird beim AfD-Parteitag in Magdeburg über vieles
> geredet. Nur über die Spendenaffäre um Alice Weidel nicht.
Bild: 16. November, Magdeburg: Zeigt Beatrix von Storch Alice Weidel den Ausgan…
Magdeburg taz | Überall wird darüber geredet: Auf den Gängen in der
Magdeburger Messehalle, am Kaffeestand und am Grill vor der Tür, beim Bier
in der Nebengebäude. Und hinter den verschlossenen Türen, dort wo der
AfD-Bundesvorstand am Freitag kurz vor dem Beginn des Parteitags vier
Stunden lang tagt. Doch auf offener Bühne spricht beim Bundesparteitag der
AfD tagelang niemand über die Spendenaffäre um Fraktionschefin Alice
Weidel.
Es ist ein Reflex, den man in der AfD immer wieder beobachten kann. Wenn
Angriffe von außen kommen, schließen sich die Reihen. Die
Wagenburgmentalität schlägt durch. Von diesem Parteitag soll schließlich
ein Aufbruchssignal ausgehen: Die AfD will, gemeinsam mit Rechtspopulisten
aus anderen Ländern, die EU aufmischen. Und sich dafür hier möglichst
erfolgreich aufstellen. Europa sei kein Versorgungsposten, warnt Parteichef
Alexander Gauland zu Beginn. Die Kandidaten bräuchten fachliche Expertise,
Sprachkenntnisse und kulturelle Kompetenz.
KandidatInnen und Delegierte aber nehmen es damit nicht so genau, das ist
schon am ersten Abend zu bemerken. Zunächst aber [1][tritt Parteichef Jörg
Meuthen an], der als einziger Abgeordneten für die AfD bereits im
Europaparlament sitzt. Meuthen lobt Hans-Christian Strache, den
österreichischen Vizekanzler von der FPÖ, den italienischen Lega-Chef
Matteo Salvini und Viktor Orban, den ungarischen Ministerpräsidenten und
bezeichnet sie als „natürliche Verbündete“ mit denen er ein [2][großes,
rechtes Bündnis] schmieden will.
Dafür bekommt er stehenden Applaus, 90 Prozent der Delegierten stimmen für
ihn als Spitzenkandidaten. 15 Prozent der Stimmen bundesweit will er bei
der Europawahl im November holen, sagt Meuthen später. „Mein Ehrgeiz geht
aber deutlich weiter.“ Ein „sehr gutes Ergebnis“ wären mehr als 20 Proze…
## Malocher für Brüssel
Dann tritt Guido Reil an das Redepult. Reil ist Bergmann und ehemaliger
Sozialdemokrat aus dem Ruhrgebiet, den Einzug in den
nordrhein-westfälischen Landtag hat er verpasst. Seitdem war er umtriebig
und viel für die Partei unterwegs. Mancher in der Partei aber bezweifelt,
ob er dem Job in Brüssel gewachsen ist. Doch Reil kehrt den gradlinigen
Malocher raus, sagt, dass ihn die „Dekadenz in Europa“ anwidere und ruft
den Abgeordneten zu: „Seit mutig, seid alternativ, wählt einen Arbeiter ins
europäische Parlament.“ Er gewinnt Listenplatz 2.
Schon während Reil und seine drei GegenkandidatInnen sich vorstellen, lässt
die Konzentration im Saal nach. Die Gespräche sind mitunter so zahlreich
und laut, dass die KandidatInnen schwer zu verstehen sind. In den nächsten
Tagen, wenn sich sogar sieben oder acht Menschen für einen Listenplatz
bewerben, von denen am Ende mancher keine einzige Stimme erhält, macht das
nicht besser. Inhaltlich konkret wird es selten, oft wird pauschal gegen
die EU Stimmung gemacht. Gerade das aber kommt bei den Delegierten gut an.
Auf Platz drei setzt sich Maximilian Krah durch, ein Anwalt aus Dresden.
Der Katholik, der früher die Piusbruderschaft verteidigt hat, war bis 2016
CDU-Mitglied. In der Magdeburger Messehalle wirbt Krah für eine
Zusammenarbeit mit den sogenannten Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Slowakei
und Tschechien. Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Lars Patrick
Berg, der auf Platz 4 landet, sagt, Europa müsse eine Festung der
Sicherheit bieten, „die uns beschützt vor menschen- und frauenverachtenden
Messerstechern und Vergewaltigern“.
## „Der Afrikaner schnackselt halt gerne“
Es folgt Bernhard Zimniok aus München, ein Oberleutnant a.D., der an der
deutschen Botschaft in Syrien und Pakistan gearbeitet und in West- und
Ostafrika Projekte zur Photovoltaik und zu Wasserkraftwerken durchgeführt
hat. Als er auf die Frage, wie das Bevölkerungswachstum in Afrika zu
stoppen sei, antwortet, „der Afrikaner schnackselt halt gerne“, da grölt
der Saal.
Der ehemalige Vizechef der Bild am Sonntag Nicolaus Fest, der in der
Vergangenheit den Islam mit dem Nationalsozialismus verglich, hackt auf den
französischen Präsidenten ein und sagt: „Die Schmarotzer sollen endlich mal
lernen zu arbeiten.“ Er gewinnt die Abstimmung um den sechsten Listenplatz.
Dann setzt sich Markus Buchheit aus Bayern durch, der im europäischen
Parlament bereits als Berater der FPÖ arbeitet. Insgesamt will die AfD 40
KandidatInnen aufstellen, mindestens die ersten 15 Plätze werden intern als
sicher angesehen. Weil das bis Montag wohl nicht klappen wird, ist für
Januar bereits eine neue Versammlung im sächsischen Riesa anberaumt.
In seiner Eröffnungsrede hatte Parteichef Gauland am Freitag den Ton
vorgegeben. Der „undemokratisches Zentralismus“ habe der Europäischen Union
den Kosenamen EUdSSR eingebracht, sagte Gauland mit Verweis auf die
ehemalige Sowjetunion. Auch griff er Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf
an. Merkels Flüchtlingspolitik habe Europa gespalten und sei eine der
Ursachen für den Brexit. Die AfD, betonte Gauland, wolle die EU nicht
abschaffen, sondern „so reformieren, wie sie ursprünglich gedacht war: als
europäischer Markt“. Zu der Spendenaffäre um Fraktionschefin Weidel sagte
Gauland kein Wort.
## Viele offene Fragen
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Parteispitze bereits eine Erklärung
veröffentlicht, mit der sie sich hinter Weidel stellt. „Der Bundesvorstand
sieht keinerlei Verschulden bei Frau Dr. Alice Weidel“, heißt es darin.
Dabei sind noch viele Fragen offen. Hört man sich um, kann man den Eindruck
gewinnen, dass sich die Einschätzung des Gremiums auch noch ändern kann.
Viele sind verärgert, weil sie [3][aus der Presse] von den beiden
Großspenden aus der Schweiz und den Niederlanden erfuhren, die zumindest
dubios, in einem Fall wahrscheinlich auch illegal waren und viel zu spät
zurückgezahlt wurden. Als die zweite Großspende bekannt wurde, soll Gauland
richtig sauer gewesen sein und dies in einem Telefonat mit Weidel auch
deutlich gemacht haben. Von Gaulands Einschätzung hängt viel ab. Der
mächtige, alte Mann der AfD hat Weidel zur Frau an seiner Seite gemacht und
hatte seine Kandidatur erst als Spitzenkandidat, dann als Fraktionschef an
eine Doppelspitze mit Weidel geknüpft.
Sie war die perfekte Ergänzung zu ihm: eine junge Frau aus dem Westen,
promovierte Ökonomin, dazu eloquent und wirtschaftsliberal. Und weil es ihr
an einer Hausmacht innerhalb der Partei fehlt, kann sie ihm nicht
gefährlich werden. Im Bundestag hat Weidel mit extrem scharfen Attacken von
sich reden gemacht, für Aussprüche wie „Burkas, Kopftuchmädchen und
alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“ wird von ihren
Anhängern gefeiert.
Noch hält Gauland zu Weidel. Wohl auch, weil in der Fraktion weit und breit
niemand zu sehen ist, der sie in dieser Rolle ersetzen kann. Zudem ist
unter den AfD-Bundesangeordneten der Unmut über den gesamten
Fraktionsvorstand groß, weil vieles immer noch zu langsam und zu
unprofessionell läuft. Fällt eine, könnten andere folgen. Das Chaos wäre
perfekt.
## Weidels Kurzbesuch
Am Parteitag in Magdeburg hat Weidel selbst nur kurz teilgenommen, sie habe
Rückenprobleme, heißt es. Als Beatrix von Storch am Freitagabend ein Selfie
von sich und Weidel verschickt, sitzt die Fraktionschefin schon seit
Stunden nicht mehr auf dem Podium. Am Freitagmorgen hatte Weidel eine
Erklärung verschickt, in der sie die Schuld auf die Medien lenkt. Deren
Berichterstattung sei „in wesentlichen Punkten falsch, unvollständig und
tendenziös“. Was sie damit meint, führte Weidel allerdings nicht aus.
Am Montag wird sich Weidel in der Fraktion erklären müssen. Man habe viele
Fragen, sagen Abgeordnete. In der AfD hat Weidel mit ihrem Führungsstil
viele gegen sich aufgebracht, zuletzt die eigene Landesgruppe, als die
Fraktionsspitze einen leitenden Mitarbeiter aus Baden-Württemberg wegen
zweifelhafter Buchführung feuerte. Der Mann ist ehrenamtlich
Landesschatzmeister in dem Bundesland und damit selbst Teil der
Spendenaffäre.
Bei der kommenden Fraktionssitzung könnte es also hoch hergehen. Dass die
Fraktion gegen die Chefin den Aufstand probt, glaubt intern allerdings kaum
einer – auch weil Gauland seine Co-Vorsitzende stützt. Doch darauf, dass
Weidel langfristig im Amt bleibt, will auch niemand wetten.
18 Nov 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Sabine am Orde
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