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# taz.de -- Kreuzberger Linie beim Vorkaufsrecht: Grüner zieht Obergrenze
> Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt schützt Mieter per Vorkaufsrecht vor
> Investoren – aber nur, wenn es nicht zu viele werden.
Bild: … und zwar für alle, die ihn brauchen! Das fordern MieterInnen aus Fri…
BERLIN taz | Als „Schreck der Investoren“, wie ihn das
Neoliberalen-Lieblingsblatt Welt erst letzte Woche betitelte, macht
Friedrichshain-Kreuzbergs grüner Baustadtrat Florian Schmidt bundesweit von
sich reden. Seit seinem Amtsantritt im Herbst 2016 setzt sich Schmidt für
mehr Mieterschutz im Bezirk ein, und das äußerst öffentlichkeitswirksam:
Schmidt diskutiert bei Maischberger mit Investoren oder lässt sich zu Hause
beim Gemüseschneiden ablichten. „Umstürzler oder Asterix?“, lautete die
Überschrift eines kürzlich in der BZ erschienenen Porträts des Politikers,
und man darf vermuten, dass ihm beide Varianten gefallen.
Das sorgt nicht nur für Entsetzen unter Welt-Redakteuren, sondern auch für
Erwartungen im eigenen Kiez. Zum Beispiel bei den Mietern des Eckhauses
Lausitzer Platz 6/Skalitzer Straße 96. Ihr Haus wurde im Sommer 2017 an
einen Investor verkauft. Die Mieter erfuhren erst acht Monate später davon,
als der neue Eigentümer sie über den Wechsel der Hausverwaltung
informierte.
„Wir haben uns sofort gefragt: Wir sind doch im Milieuschutzgebiet, warum
hat der Bezirk da denn nicht das Vorkaufsrecht angewandt?“, sagt Kristina
Fink, seit elf Jahren Mieterin in der Skalitzer Straße 96. Fink heißt
eigentlich anders, sie will aber nicht mit ihrem echten Namen in der
Zeitung stehen, weil sie befürchtet, dass das für sie als Mieterin
Nachteile mit sich bringen könnte.
Tatsächlich liegt das Haus in einem sogenannten sozialen Erhaltungs- oder
Milieuschutzgebiet. Mit Amtsantritt von Florian Schmidt hat das Bezirksamt
Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen, bei Hausverkäufen in diesen Gebieten
zu prüfen, ob das kommunale Vorkaufsrecht angewendet werden kann. Der
Bezirk war damit Vorreiter in Berlin.
Nicht immer ist das möglich, etwa weil die Kosten zu hoch wären. Im Fall
des Eckhauses aber fand die Prüfung im Sommer 2017 gar nicht erst statt.
Das empörte nicht nur die Mieter, sondern auch die Linkenfraktion in der
Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung, die den Baustadtrat deswegen
nach den Gründen fragte.
## „Maximal acht Fälle parallel“
Die überraschende Antwort: Zwischen Florian Schmidt und der in der
Verwaltung zuständigen Gruppe Erhaltungsgebiete gebe es eine Vereinbarung,
„dass maximal nur 8 Fälle parallel geprüft werden“, heißt es in der
schriftlichen Antwort des Baustadtrats. Für mehr reichten die personellen
Kapazitäten nicht aus. In diesem Fall sei diese Maximalzahl bereits
erreicht gewesen.
„Aus unserer Sicht ist diese Vereinbarung politisch falsch“, sagt René
Jokisch, Bezirksverordneter der Linken, der die Frage gestellt hatte. „Es
kann nicht sein, dass der neunte Fall einfach Pech gehabt hat.“ Die
Verwaltung müsse sich mit allen Fällen zumindest so viel beschäftigen, wie
für eine zeitliche Priorisierung notwendig sei.
Das findet auch Kristina Fink: „Es kann doch nicht sein, dass manche Mieter
gerettet werden und bei uns nicht mal geprüft wird.“ Zwar habe der neue
Eigentümer bisher noch nichts zu seinen genauen Plänen mit dem Haus
verkündet. Die Entlassung des Hausmeisterehepaars, dass diesen Job sei 30
Jahren gemacht habe, habe im Haus aber bereits für Unruhe gesorgt, genauso
wie die Ankündigung, dass ein Fahrstuhl ein- und das Dachgeschoss ausgebaut
werde. „Wir müssen uns doch nur in der Nachbarschaft umschauen, um uns
ausrechnen zu können, was uns droht“, sagt Fink.
„Diese Vereinbarung zwischen mir und der Verwaltung besteht auch heute
noch“, bestätigt Florian Schmidt gegenüber der taz. Gleichzeitig wiegelt er
ab: Es sei bisher nur dieses eine Mal vorgekommen, dass mehr als acht Fälle
gleichzeitig hätten geprüft werden müssen. Die Abläufe seien außerdem in
der fraglichen Zeit – Sommer 2017 – noch nicht so eingespielt gewesen, er
selbst war im Urlaub. „Andernfalls wäre das anders gelaufen“, sagt Schmidt,
und: „Ich setze alles daran, dass jeder Fall geprüft wird.“
## Es mangelt an Personal
Die personelle Ausstattung sei allerdings sehr wohl ein Problem, sagt
Schmidt. „Wir waren zwar seitdem nicht mehr am Limit, perspektivisch
brauchen wir aber auf jeden Fall Verstärkung, um die wachsenden Aufgaben
bewältigen zu können.“ Schließlich gehe es nicht nur um das Vorkaufsrecht,
sondern auch um andere Mittel zum Mieterschutz, etwa die Abwendung von
Modernisierungsmaßnahmen. Und auch den Mietern jenseits der
Milieuschutzgebiete wolle der Bezirk Hilfe anbieten – dafür brauche es
ebenfalls mehr Personal.
René Jokisch von der Linken wundert das. Gegenüber der
Bezirksverordnetenversammlung sei bislang weder transparent gemacht worden,
dass es gerade in der Gruppe Erhaltungsgebiete Personalmangel gebe, noch
dass deswegen diese Vereinbarung mit dem Stadtrat geschlossen wurde.
„Insgesamt macht der Baustadtrat in Sachen Mieterschutz eine sehr gute
Arbeit, das wollen wir gar nicht in Abrede stellen“, sagt Jokisch. Hier
aber fehle es mindestens an Transparenz.
Florian Schmidt glaubt trotz weiterhin bestehender Vereinbarung nicht, dass
erneut Fälle gar nicht erst geprüft würden. Denn eines habe sich gegenüber
dem Sommer 2017 verändert: „Ich bin jetzt auch im Urlaub erreichbar“, sagt
Schmidt.
26 Nov 2018
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Florian Schmidt
Grüne Berlin
Vorkaufsrecht
Mietenpolitik
Milieuschutz
Florian Schmidt
Karl-Marx-Allee
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