| # taz.de -- Zoff zwischen Land Berlin und Holzmarkt: Man sieht sich vor Gericht | |
| > Einst galt sie als Darling aus der alternativen Bauszene. Jetzt verklagt | |
| > die Holzmarkt-Genossenschaft das Land auf 19 Millionen Euro | |
| > Schadenersatz. | |
| Bild: An der Spree sollte mal etwas anderes entstehen als leblose Bürohochhäu… | |
| BERLIN taz | An diesem Freitag startet er schon in der zweiten Auflage, der | |
| schöne Weihnachtsmarkt auf dem Holzmarkt an der Spree – mit „glitzerndem | |
| Schnick & funkelndem Schnack, Kino, Märchenhütte und Essen bis zum | |
| Platzen“, wie es fröhlich auf der Website tönt. Weniger gut gelaunt geht es | |
| dieser Tage hinter den Kulissen des alternativ-kreativen Projekts zu. | |
| Schon seit Anfang des Jahres steht fest, dass die Leute von der | |
| Holzmarkt-Genossenschaft das für den Nordteil ihres Grundstücks geplante | |
| „Eckwerk“ wohl nicht werden bauen können. Doch nun haben sie sich auch noch | |
| entschlossen, dass sie sich nicht länger mit der Berliner Politik an einen | |
| Tisch setzen wollen. | |
| Am Dienstag verkündeten ihre Anwälte, man verklage das Land Berlin auf mehr | |
| als 19 Millionen Euro Schadenersatz für die Planung des Eckwerks und den | |
| Bezirk auf Einhaltung seiner Verträge. „Wir werden mit unserem Anliegen nun | |
| auch an die Öffentlichkeit gehen“, sagt Genossenschafts-Vorstand Mario | |
| Husten zur taz. | |
| Vor allem für den grünen Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian | |
| Schmidt, könnte es in Sachen Holzmarkt künftig ungemütlicher werden. | |
| ## Komplizierte Vorgeschichte | |
| Die Vorgeschichte ist nicht unkompliziert: Im Jahr 2003 entsteht dort, wo | |
| heute der Holzmarkt ist, die legendäre „Bar 25“ – eine wilde, | |
| vertrauensvolle Zwischennutzungsidylle für Partygänger, die ihresgleichen | |
| sucht. 2010 kündigt die BSR der Bar, man zieht auf die andere Seite der | |
| Spree und nennt sich „KaterHolzig“. | |
| Dann, 2012, ist die Stadt kurz davor, ihre Liegenschaften nicht mehr nur an | |
| jene Bewerber zu verkloppen, die den dicksten Geldbeutel haben, sondern an | |
| die mit den besten Ideen. Davon betroffen ist auch das Ex-Bar-25-Areal. | |
| Die Holzmarkt-Leute gehen trotzdem auf Nummer sicher, gewinnen die Abendrot | |
| Stiftung in der Schweiz dafür, das höchste Angebot für das Grundstück | |
| abzugeben, und pachtet von ihr die 18.000 Quadratmeter zwischen dem | |
| Radialsystem und den Glastürmen der BVG. | |
| Endlich soll an der Spree mal wieder etwas anderes entstehen als leblose | |
| Bürohochhäuser, gegen die sich die Berliner lange, aber weitgehend | |
| erfolglos gestemmt haben. Das freut auch das Bezirksamt, es ändert prompt | |
| den Bebauungsplan. | |
| ## Eckwerk als Krönung | |
| Die Krönung der Holzmarkt-Pläne soll das Eckwerk werden, natürlich ganz aus | |
| Holz. Büros für neue Ideen sind vorgesehen, aber auch 115 Wohneinheiten, wo | |
| bis zu 900 Studierende für 250 bis 350 Euro im Monat selbst bestimmen | |
| dürfen, wie viel Privatsphäre sie brauchen und wie viel Raum zum Arbeiten. | |
| Damit wollen die Leute vom Holzmarkt zeigen, dass auch Hippies in der Lage | |
| sind, Immobilienprojekte zu stemmen. Es soll das erwachsene Gegenstück zu | |
| ihrem bunten Dörfchen werden, das im Mai 2017 eröffnet wird. Der Holzmarkt | |
| wird dafür von Stadt, Bezirk und Anwohnern hofiert. | |
| Fünf Jahre später sagt Mario Husten zur taz: „Wir stehen mit dem Rücken zur | |
| Spree.“ Seit 2013 gibt es einen städtebaulichen Vertrag über die Bebauung | |
| des Grundstücks. Und seit fünf Jahren wartet der Holzmarkt vergeblich auf | |
| den folgenden Schritt, das Planungsrecht. | |
| „Florian Schmidt wollte zu keinem Zeitpunkt mit uns ins Gespräch kommen“, | |
| sagt er. Stattdessen höre man, wie der Baustadtrat bei jeder Gelegenheit | |
| verkünde, auf dem Grundstück sozialverträglich bauen zu wollen. | |
| ## Veränderter Wohnungsmarkt | |
| Das Problem: Der Holzmarkt schlägt 2012 im lautstarken Gewerbegebiet | |
| zwischen dem S-Bahn-Viadukt und der viel befahrenen Holzmarktstraße eine | |
| Wohnfläche in einer Größenordnung vor, die die Stadt nicht genehmigen kann. | |
| Der damalige Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) empfiehlt, auf die genaue | |
| Festlegung der Wohnfläche zu verzichten. | |
| Doch dann, 2016, die Wahlen. Florian Schmidt übernimmt Panhoffs Posten. | |
| „Der Holzmarkt konnte bis zum Schluss nicht nachweisen, wo genau im Eckwerk | |
| gewohnt und wo gearbeitet werden soll“, sagt Schmidt zur taz. „Panhoffs | |
| Fahrplan ist unter politischem Druck entstanden. Er war rechtswidrig, ich | |
| konnte ihn nicht durchwinken.“ | |
| Berlin hat sich verändert in den letzten Jahren, die steigenden Mieten | |
| setzen die Politik unter Druck. Anfang 2017 beschließt der Senat, dass | |
| allein die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften 6.000 Wohnungen im Jahr | |
| bauen sollen. Eine davon sitzt seit 2014 im Boot vom Holzmarkt: Die Gewobag | |
| ist mit 10 Prozent in die Eckwerk Entwicklungs GmbH eingestiegen. | |
| Nun will sie plötzlich keine Mischung von Arbeiten und Wohnen mehr, sondern | |
| 650 reguläre Studentenwohnungen. Sie unterstellt dem Holzmarkt, er sei | |
| überschuldet. Der reagiert mit der Kündigung des Beteiligungsvertrags. Die | |
| Abendrot Stiftung nimmt dem Holzmarkt das Grundstück wieder weg, die Klagen | |
| dagegen werden im September 2018 vom Kammergericht letztinstanzlich | |
| abgewiesen. Der taz liegen die entsprechenden Urteile vor. | |
| ## Die Rolle der Gewobag | |
| Und Florian Schmidt? Florian Schmidt wird als politischer Shootingstar | |
| gefeiert, er geht als Robin Hood der Mieter durch die Presse. Sein Amt hat | |
| auch mithilfe der Gewobag inzwischen in 13 Fällen das Vorkaufsrecht | |
| wahrgenommen und in 16 weiteren erreicht, dass die Käufer | |
| sozialverträgliche Vorgaben akzeptierten. Aktuell sind 81 Wohnungen in der | |
| Karl-Marx-Allee in der Prüfung (s. Interview S. 22). | |
| „Florian Schmidt braucht die Gewobag“, sagt Mario Husten, und er habe | |
| deshalb in den letzten Monaten immer weniger Interesse daran gezeigt, mit | |
| dem Holzmarkt zu reden. „Das grenzt an Verleumdung“, sagt Florian Schmidt. | |
| In einem Punkt allerdings liegt Mario Husten ganz sicher richtig, und zwar, | |
| wie er die Haltung Florian Schmidts zum Holzmarkt einschätzt: „Unabhängig | |
| von der rechtlichen Situation halte ich das Konzept schon lange nicht mehr | |
| für gemeinnützig, sondern für kommerziell“, so Schmidt zur taz. Der | |
| Holzmarkt habe im Eckwerk „akademisches Wohnen“ anvisiert, das sei heute | |
| das lukrativste Business-Modell im Bereich Wohnen. Dass der Holzmarkt nicht | |
| nur eine Touristenattraktion ist, sondern dass dieser Ort nach wie vor den | |
| Aufbruchsgeist von vor 15 Jahren atmet, scheint ihm herzlich egal. | |
| Es ist ungewiss, welche Wellen die Klage des Holzmarkts nun schlagen wird. | |
| Klar ist eigentlich nur, dass sie wenig beitragen wird zum derzeit so | |
| glanzvollen Image des Florian Schmidt. | |
| 21 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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