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# taz.de -- Grünen-Parteitag in Leipzig: Zwei Linke für Europa
> 850 Delegierte legen sich fest: Ska Keller und Sven Giegold führen die
> Grünen in den Europawahlkampf. Wofür stehen sie?
Bild: Ska Keller und Sven Giegold freuen sich über ihre Wahl auf Listenplatz e…
Leipzig taz | Ska Keller ruft die letzten Sätze ihrer Rede in die weite
Leipziger Messehalle. „Mein Name ist Ska. Und gemeinsam mit euch möchte ich
Europas Versprechen erneuern!“ Die 850 Delegierten der Grünen stehen auf,
klatschen und jubeln. „Yeah!“, schreit einer. Wenig später wird das
Ergebnis bekannt gegeben – starke 87,6 Prozent.
Keller, 36, wird die deutschen Grünen also im Europawahlkampf anführen.
Zusammen mit ihrem Co-Spitzenkandidaten Sven Giegold soll sie das
ökologische, soziale und humane Europa verkörpern, dass sich die Grünen
wünschen. Und im November, das ist absehbar, wird sie zum [1][zweiten Mal
als Spitzenfrau der europäischen Grünen] gewählt. Die Frau mit kurzem Haar
und Drachen-Tattoo auf dem Oberarm könnte jederzeit in einem Werbefilm für
Europa auftreten.
Geboren in Guben, einer Kleinstadt an der polnischen Grenze, heute wohnhaft
in Brüssel und Berlin, verheiratet mit einem Finnen. Die studierte
Islamwissenschaftlerin und Turkologin spricht sechs Sprachen, neben Deutsch
noch Englisch, Französisch und Spanisch, Katalanisch und Türkisch. Seit
2009 sitzt sie im Europaparlament, seit Ende 2016 ist sie
Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion. Ihre Schwerpunkte im
Europaparlament sind Migrations- und Handelspolitik, außerdem sitzt sie im
Innenausschuss.
Ihre Leidenschaft für Europa begründet sie am Rednerpult auch mit ihrer
Herkunft. Es habe lange gedauert, bis es eine Busverbindung über die
deutsch-polnische Grenze gab – oder bis man für ein Telefongespräch nach
Polen nicht mehr den Auslandstarif zahlen musste. „Als Ossi weiß ich, dass
Demokratie erstritten werden muss. Und dass man sie immer wieder
verteidigen muss“, schreibt sie in ihrer Bewerbung.
Über reichlich Selbstbewusstsein verfügt sie sowieso. Hat sie Angst vor der
Konkurrenz durch Emmanuel Macron, der ja zusammen mit den Liberalen
antritt? Nö, eher nicht. „Was Macron in Frankreich macht, hat wenig mit
grüner Politik zu tun“, sagt sie. Da tue sich nichts in punkto
Umweltschutz.
## Etwas belehrend, aber immer präzise
Das Duo Keller und Giegold steht auch für das Ende grüner Flügelstreits.
Beide werden den linken Grünen zugerechnet. Die traditionelle Logik, wonach
die Realos und die Linken im Spitzenduo jeweils einen Kandidaten oder eine
Kandidatin stellen, wird also ignoriert. So, wie es die Grünen schon im
Januar dieses Jahres taten, als sie Annalena Baerbock und Robert Habeck in
den Parteivorsitz wählten.
Sven Giegolds kleiner Sohn hat Kreidezähnchen. Sobald sie aus dem Kiefer
wachsen, bröckeln sie weg. Führende Ärzte denken, dass die Belastung durch
Chemikalien schuld ist. Er wolle sich mit der Chemielobby anlegen, sagt
Giegold in seiner Bewerbungsrede. Die giftigen Chemikalien müssten aus dem
Alltag raus. „Ich persönlich bin es meinem kleinen Sohn schuldig.“
Eigentlich ist [2][Sven Giegold, 48], nicht der Typ für Emotionales. Der
Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament liebt trockene Fakten. Auf
lockere Sprüche antwortet er sachlich, im näselnden Tonfall eines
Schalterbeamten, etwas belehrend, aber immer präzise. Dass er die Krankheit
seines Kindes auf dem Grünen-Parteitag in Leipzig erwähnt, zeigt, wie
wichtig ihm die Sache ist.
## Traumergebnis von knapp 98 Prozent
Die Grünen-Delegierten wählten ihn mit dem sozialistisch anmutenden
Traumergebnis von knapp 98 Prozent. Giegold faltet auf der Bühne die Hände,
er sieht aus, als fasse er es nicht. Dann schwenkt er neben Keller linkisch
eine Europafahne, die ihm jemand nach oben reicht.
Giegold engagierte sich in den achtziger Jahren politisch in der
Umweltbewegung. Später gründete er den deutschen Ableger von Attac mit –
seit 2009 sitzt er für die Grünen im Europaparlament. Dort konzentriert der
gläubige Protestant sich auf Wirtschaftspolitik, er arbeitete zum Beispiel
maßgeblich am Green New Deal mit, der grünen Antwort auf die Finanzkrise.
Alle Parteien seien gegen die AfD und irgendwie für Europa, sagt Giegold.
Aber wenn es darum gehe, schmerzhafte Sachen in Deutschland zu vertreten,
duckten sich manche weg. „Ich möchte mich anlegen mit den
Sonntagseuropäern.“ Giegold lobt in seiner Rede strategisch, etwa die
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, die die Bechsteinfledermaus im Hambacher
Forst rettete, oder die sozialen Errungenschaften.
Sein Credo: Europa könne man nur verbessern, wenn man Erfolge betone.
10 Nov 2018
## LINKS
[1] /Ska-Keller/!t5018193
[2] /Sven-Giegold/!t5018194
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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