# taz.de -- Kommentar Grünen-Parteitag in Leipzig: Wunschdenken schadet nicht | |
> Ihr Programm könnte den Staatenbund tatsächlich nach vorne bringen. Die | |
> Grünen feiern auf ihrem Parteitag Europa – und sie tun gut daran. | |
Bild: Berauscht vom Europawahlkampf: Annalena Baerbock, Ska Keller, Sven Giegol… | |
Die Grünen sind ganz bei sich. Was auf dem Parteitag in Leipzig zu spüren | |
war, ist heitere Gelassenheit, viel Selbstbewusstsein und Lust aufs | |
Gestalten. [1][Sven Giegold, der Spitzenkandidat für die Europawahlen], | |
betont, dass man die Erfolge Europas wertschätzen und loben müsse, um es zu | |
verbessern. Das ist der richtige Akzent, um Menschen für die oft als | |
abstrakt empfundene EU zu interessieren. Gerade von links hört man oft die | |
These, die neoliberale EU müsse abgerissen werden, bevor sie | |
wiederaufgebaut werden könne. Die Grünen feiern Europa, und sie tun gut | |
daran. | |
Sie beweisen einmal mehr, dass sie sich nicht mehr wegen Kleinkram | |
ineinander verbeißen. Manchmal kippt der grüne Pragmatismus allerdings ins | |
Absurde. Beispiel Winfried Kretschmann: Der grüne Ministerpräsident aus | |
Baden-Württemberg provozierte in Abwesenheit mit harschen Interviewaussagen | |
zur Flüchtlingspolitik: [2][„Junge Männerhorden“ gehörten in die Pampa | |
geschickt]. Spitzengrüne deuteten Kretschmanns Verachtung fürs | |
Parteiprogrammatik kurzerhand zum Plädoyer für dezentrale Unterbringung um. | |
Nichts darf die schöne Geschlossenheit stören. | |
Dennoch: Das grüne Europaprogramm könnte den Staatenbund – würde es | |
Wirklichkeit – nach vorne bringen. So wirbt die Partei etwa für einen | |
Klimapass. Industriestaaten, die für den Klimawandel verantwortlich sind, | |
sollen Geflüchtete aus Staaten aufnehmen, die durch steigende Meeresspiegel | |
bedroht sind. Diese Logik ist einfach, aber richtig. Dass | |
Industriestaaten die Folgen ihres immensen Ressourcenverbrauchs bis heute | |
ignorieren, ist ein fortgesetzter Skandal. | |
Es reicht längst nicht mehr, Konzepte zu fordern, die die Erderwärmung | |
abbremsen. Politik muss die realen Folgen managen. Die Grünen sind die | |
einzige Partei in Deutschland, die sich dieser Aufgabe ernsthaft stellt. | |
Nun kann man immer zynisch sagen, dass solche Beschlüsse nicht umsetzbar | |
sind. Aber Resignation bedeutete das Ende fortschrittlicher Politik. Ein | |
bisschen Wunschdenken, das haben die Grünen verstanden, schadet nicht. | |
11 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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