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# taz.de -- Razzien in Berlin: Polizei stürmt Rigaer Straße
> Mit einem Großaufgebot hat die Polizei am Donnerstag mehrere Wohnungen
> durchsucht. Es geht um einen Fall von Körperverletzung – und um ein
> Signal.
Bild: SEK-Beamte am frühen Donnerstagmorgen in der Rigaer Straße in Berlin-Fr…
„Die Menschen hier in der Nachbarschaft haben jetzt viele Fragen“, sagt
Canan Bayram. Die grüne Bundestagsabgeordnete hat ihren Wahlkreis im Gebiet
rund um die Rigaer Straße. Wenn hier etwas los ist, ist sie meist vor Ort.
So auch an diesem Donnerstag: Mit einem Großaufgebot durchsuchte die
Polizei am frühen Morgen vier Wohnungen in Berlin. Neben Objekten in der
Grünberger Straße, am Maybachufer und in der Reichenberger Straße ist auch
eine Wohnung in der Rigaer94 betroffen, Berlins aktuell berühmtestem
Hausprojekt.
„Bei den Maßnahmen ging es darum, die Tatverdächtigen einer
gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung namhaft zu machen“, so eine
Polizeisprecherin. Von den insgesamt sieben Tatverdächtigen seien bei den
Durchsuchungen drei Männer und eine Frau angetroffen worden, deren
Personalien festgestellt wurden. Festnahmen gab es keine.
Bei den Vorwürfen geht es um einen Vorfall, der sich am 19. Mai 2018
ereignet hat und von dem Videosequenzen der Überwachungskamera [1][in
verschiedenen Medien] veröffentlicht wurden. Tatort ist ein Spätkauf in der
Reichenberger Straße. Auf den Bildern ist zunächst zu sehen, wie eine junge
Frau dort ein Paket abholen will. Weil der Verkäufer es ihr nicht
aushändigen will, da sie nur einen Führerschein, aber keinen Ausweis
dabeihat, kommt es zum Streit. Beim Gehen wirft die Frau eine Schachtel mit
Süßigkeiten um, woraufhin der Späti-Verkäufer ihr vor die Tür
hinterherläuft. Von dort sind Schreie der Frau zu hören, auf Geheiß eines
anderen Kunden lässt der Mann sie dann laufen.
Zwei Stunden später dann der eigentliche Vorfall: Eine Gruppe von sechs
vermummten Menschen betritt den Spätkauf, zwei von ihnen beginnen, Waren
aus den Regalen auf den Boden zu werfen. Der Verkäufer schlägt auf sie ein,
daraufhin greift die Gruppe den Mann an und bringt ihn gewaltsam zu Boden.
Mehrere Flaschen gehen dabei kaputt. Die Gruppe flüchtet, der Verkäufer
steht auf und läuft ihnen hinterher.
Ein unschöner Vorfall – aber normalerweise wohl keiner, der zu einem
Einsatz wie an diesem Donnerstagmorgen geführt hätte, bei dem die Polizei
mit insgesamt 560 Beamten, einem Hubschrauber und schwer bewaffneten
SEK-Beamten vor Ort war. Dafür gibt es offensichtlich einen anderen Grund:
„Bei allen Tatverdächtigen handelt es sich um Sympathisanten der linken
Szene, die auch schon mit politisch motivierten Straftaten auffällig
wurden“, so die Polizeisprecherin.
Die Vermutung liegt nahe, dass mit dem Einsatz mindestens ein Signal an
diese Szene gesendet werden sollte. Innensenator Andreas Geisel (SPD) weist
zwar den Verdacht zurück, der Einsatz sei politisch motiviert. Das
Großaufgebot in der Rigaer Straße begründet er allerdings damit, man müsse
dort „klarmachen, wer hier als Sieger vom Platz geht“.
Canan Bayram bezeichnet Geisels Aussagen gegenüber der taz als
„unglücklich“: In Kombination mit dem zeitlichen Zusammenhang zum
SPD-Parteitag am Wochenende sei im Kiez der Eindruck entstanden, Objekt
einer „Inszenierung von Härte und Durchgreifen“ geworden zu sein. Es gebe
außerdem die Vermutung, die Polizei habe mit den Durchsuchungen vor allem
eins gewollt: einen Vorwand, um sich insbesondere in der Rigaer94 einen
Überblick zu verschaffen. Versuche, das Haus zu räumen, sind [2][schon
mehrfach gescheitert]. Aktuell sind mehrere Berliner Projekte von Räumungen
bedroht, darunter [3][das queerfeministische Hausprojekt Liebig34], direkt
um die Ecke von der Rigaer94.
Das Vorgehen der Polizei erinnert außerdem an einen [4][Vorfall vom letzten
März], als ein 45-jähriger Bewohner der Rigaer Straße nach Auffassung der
Staatsanwaltschaft nach einem Streit einen Anwohner zu Boden gebracht und
gewürgt haben soll. Einige Anwohner riefen direkt danach die Polizei. Es
dauerte aber noch fast drei Wochen, bis die Polizei mit mehreren
Hundertschaften in der Rigaer94 anrückte, um den als „Isa“ bekannten Mann
festzunehmen.
Der Mann wurde im September unter anderem wegen des Bäckerei-Vorfalls zu 18
Monaten ohne Bewährung verurteilt. Während des Prozesses wurden Anwohner,
die gegen Isa als Zeugen ausgesagt hatten, in anonymen Flugblättern
bedroht. Anders als im Fall des Spätkaufs in Kreuzberg gibt es von den
Vorkommnissen vor der Bäckerei keine Filmaufnahmen. Martin Henselmann,
Anwalt von Isa, sagte zur taz, die Beweisaufnahme habe den Schuldspruch
nicht hergegeben. Sein Eindruck sei, dass an Isa ein Exempel statuiert
werden sollte. Innensenator Andreas Geisel (SPD) sprach im Zusammenhang mit
den Flugblättern von „Kriminellen mit Gangstermethoden“.
Ein zweiter, kleinerer Polizeieinsatz an der Rigaer94 wurde am
Donnerstagmittag schnell wieder beendet: Von rund 30 Beamten begleitet,
versuchte ein angeblicher Anwalt des Eigentümers, sich Zugang zum Haus zu
verschaffen. Laut Polizei soll es dabei um „bauliche Sicherheitsmaßnahmen“
gegangen sein. Der Anwalt der Hausbewohner konnte diese Maßnahme aber vor
Ort abwehren.
15 Nov 2018
## LINKS
[1] https://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/schickte-frau-schl…
[2] /Prozess-um-Rigaer-Strasse-94-in-Berlin/!5505671
[3] /Berliner-Hausprojekt-droht-die-Raeumung/!5536248
[4] /Linksradikale-Szene-Berlin/!5541639
## AUTOREN
Malene Gürgen
Plutonia Plarre
## TAGS
Polizei Berlin
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