Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Diskussion zu Polizeiwillkür: Wer kontrolliert die Polizei?
> Racial Profiling, eingestellte Ermittlungen: Die Kampagne für Opfer
> rassistischer Gewalt diskutiert am Samstag über eine Kontrollinstanz für
> die Berliner Polizei.
Bild: Demonstrant bei einer Kundgebung gegen Racial Profiling im Görlitzer Par…
„Wir sind vor dem Tod geflohen und fanden nichts als den Tod“. So beschrieb
die Irakerin Zaman Gate im Mai ihre Situation in Berlin. Der Tod kam am 27.
September 2016, als Polizisten ihren Mann Hussam Fadl erschossen. Die
Beamten waren in eine Flüchtlingsunterkunft gerufen worden, weil ein
Bewohner Fadls sechsjährige Tochter sexuell belästigt hatte.
Als der Verdächtige schon verhaftet war, tauchte der aufgebrachte Vater
auf. Einige der Beamten wollen bei ihm ein Messer gesehen haben. Sie
schossen Fadl in den Rücken; er starb am Folgetag im Krankenhaus. Die
Polizisten beriefen sich auf Notwehr, die Staatsanwaltschaft glaubte ihnen,
ein Jahr später wurden die Ermittlungen gegen die Beamten eingestellt.
Kein Einzelfall: Seit 2013 starben in Berlin 5 Menschen durch
Polizeischüsse. Anschließende Ermittlungen wurden fast immer eingestellt.
Hinzu kommen als diskriminierend empfundene Polizeipraktiken wie Racial
Profiling, willkürliche Festnahmen, Beleidigungen und voreingenommene
Ermittlungen.
Diese betreffen besonders häufig marginalisierte Gruppen: MigrantInnen und
Menschen, die als solche wahrgenommen werden, Sinti und Roma, Obdachlose
oder psychisch auffällige Personen.
## Opfer kriminalisiert
Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP Berlin) hat seit
dem Jahr 2000 allein in Berlin über 200 Berichte zu mutmaßlichem
polizeilichen Fehlverhalten dokumentiert. Wer meint, von der Polizei zu
Unrecht verletzt, verhaftet oder beleidigt worden zu sein, kann nur bei der
Polizei selbst Anzeige erstatten. Häufig reagiert diese mit einer
Gegenanzeige. Während die Ermittlungen gegen PolizistInnen dann oft ins
Leere laufen, werden Opfer und UnterstützerInnen kriminalisiert. Der Bedarf
an einer effektiven Kontrollinstanz ist also groß.
Der Berliner Senat plant, einen unabhängigen Bürger- und
Polizeibeauftragten „zur Stärkung der Bürgerrechte und der Akzeptanz
polizeilichen Handelns“ einzurichten. Vorbild ist das Land Rheinland-Pfalz,
wo es bereits einen Bürgerbeauftragten gibt. Allerdings ist das bisher eine
Absichtserklärung geblieben, einen Gesetzentwurf gibt es noch nicht. Die
Frage ist zudem, ob das reicht.
Biplab Basu von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt begrüßt
die geplante Stelle, befürchtet aber, dass sie „keinen Plan“ haben wird. Er
verweist ebenfalls auf Rheinland-Pfalz, wo der Bürgerbeauftragte eher von
Polizist*innen in Anspruch genommen werde. Basu wünscht, dass die geplante
Stelle eher mit Gruppen der Zivilgesellschaft zusammenarbeite. Die
Beschwerdestelle solle Akteneinsicht bekommen, Berichte für die
Staatsanwaltschaft vorlegen können und auch unabhängig die Polizeiarbeit
untersuchen können.
## Todesfälle vor Gericht
Vor allem von der Polizei verursachte Todesfälle sollten automatisch vor
Gericht landen, findet Basu. Zaman Gate und ihre UnterstützerInnen mussten
sich selbst auf Spurensuche begeben. Und fanden heraus, dass ZeugInnen und
einige der beteiligten Beamten kein Messer gesehen hatten. Zwar war eines
sichergestellt worden, aber es trug keine Fingerabdrücke Fadls. Gate konnte
schließlich erreichen, dass die Staatsanwaltschaft erneut Ermittlungen
aufnehmen muss.
Am Samstag will KOP in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis kritischer
JuristInnen an der Humboldt-Universität die Möglichkeiten einer
unabhängigen Polizei-Beschwerdestelle in Berlin erörtern. ReferentInnen
sind Eric Töpfer und Susan Hutson. Töpfer ist Redakteur der Zeitschrift
Bürgerrechte und Polizei des Cilip-Instituts. Er soll einen Überblick über
bereits existierende unabhängige Beschwerdestellen in Deutschland geben und
darlegen, warum Betroffene rassistischer Polizeigewalt sich bislang nicht
an diese wenden.
Die Juristin Susan Hutson aus den USA arbeitet in einer unabhängigen
Polizeibeschwerdestelle in New Orleans. An der anschließenden Debatte
werden auch VertreterInnen der Roma-Organisation Amaro Foro, der Oury
Jalloh Initiative und der Berliner Obdachlosenhilfe teilnehmen.
Die Veranstaltung findet am 17. November um 15 Uhr im Senatssaal der HU
Berlin auf Deutsch und Englisch statt.
16 Nov 2018
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Racial Profiling
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Todesschuss
Grüne Berlin
Polizei Berlin
Polizei Berlin
Racial Profiling
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Maßnahmen gegen Racial Profiling: Herantasten an den Rassismus
In Berlin setzt der Senat Maßnahmen gegen rassistische Kontrollen nicht um.
Die Grünen wollen nun eine Studie zu Racial Profiling, die SPD nicht.
Aufruf bei Instagram: Polizeilich gesucht: junge, schöne Frau
Die Berliner Polizei fahndet nach einer jungen Frau. Ein Beamter hat sich
in sie verguckt. Was im Film romantisch wirkt, ist im Alltag nur ekelhaft.
Vorwürfe wegen Polizeigewalt: Polizei weiß mal wieder (fast) nichts
Die Polizei weist Vorwürfe wegen des eskalierten Einsatzes am Kottbusser
Tor zurück. Grünen-Abgeordnete June Tomiak kritisiert mangelhaften
Aufklärungswillen.
Initiative gegen Racial Profiling in Berlin: Polizei unter Rassismusverdacht
Ein Gutachten der Initiative „Ban Racial Profiling“ zweifelt die
Rechtmäßigkeit verdachtsunabhängiger Polizeikontrollen an.
Tod durch Polizeischüsse: Bündnis kritisiert Staatsanwaltschaft
Mehrere Organisationen bezweifeln, dass Polizisten im September einen
Flüchtling aus Notwehr erschossen haben. Die Einstellung des Verfahrens sei
ein „Skandal“.
Diskriminierung durch die Polizei: Vordruck für den Beschwerdebrief
Nicht nur in den USA, auch in Deutschland gibt es Polizei-Kontrollen nach
Hautfarbe. Eine Kampagne fordert jetzt zum organisierten Protest auf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.