# taz.de -- Linker zu Tarifkonflikt in Berlin: „Kein Lohndumping an Hochschul… | |
> Ein Streit über studentische Beschäftigte ist in Berlin eskaliert. Der | |
> Wissenschaftspolitiker Tobias Schulze von der Linkspartei sieht keine | |
> schnelle Lösung. | |
Bild: Im Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität sind seit Semesterbeginn die �… | |
taz: An der Humboldt-Universität Berlin [1][schließen die Bibliotheken | |
früher, und in der studentischen Sozial- und Bafögberatung werden Stellen | |
nicht besetzt]. Kein idealer Semesterstart, oder? | |
Tobias Schulze: Nein, allerdings ist er auch nicht vollkommen | |
unvorhergesehen. Die Situation, dass sich gestritten wird darüber, unter | |
welchen Tarifbedingungen studentische Beschäftigte eingestellt werden, die | |
haben wir schon länger. Da muss man leider sagen, dass die Hochschulen | |
erstaunlich unvorbereitet in diese Situation reingerauscht sind. | |
Reingerauscht? | |
Es gibt ein [2][Urteil des Landesarbeitsgerichtes aus dem Sommer], das | |
nichtwissenschaftliche Stellen eindeutig dem Tarifvertrag der Länder | |
zuschreibt. Daran lässt sich nicht rütteln. Dass Stellen jetzt erst einmal | |
nicht besetzt werden, hat damit zu tun, dass die Humboldt-Universität die | |
Strategie fährt, auf eine Änderung des Berliner Hochschulgesetzes zu | |
warten. Damit wollen die Hochschulen Rechtssicherheit für die studentischen | |
Stellen erreichen, allerdings nach dem geringer entlohnten studentischen | |
Tarifvertrag (StudTV) und nicht nach dem der Länder (TV-L). | |
Die Hochschulen begründen das ja damit, dass sie nur so Studierenden | |
vergleichsweise gut bezahlte Stellen am Studienort anbieten können. | |
Das kann man sicher diskutieren, ich sehe das aber ein bisschen anders. | |
Allein das Wissenschaftszeitvertragsgesetz des Bundes und der Tarifvertrag | |
der Länder, worauf sich das Berliner Urteil bezieht, sehen da eine | |
eindeutige Zuschreibung vor. Wir kommen da also gar nicht so unkompliziert | |
dran. Das finde ich aber auch gar nicht sinnvoll, wir wollen schließlich | |
kein Lohndumping an den Hochschulen fördern. | |
Ist das ein spezifisch Berliner Problem, weil es diesen studentischen | |
Tarifvertrag gibt? Schließlich gibt es studentische Hilfskräfte ja im | |
ganzen Land. | |
Das ist in den verschiedenen Bundesländern natürlich sehr unterschiedlich | |
geregelt. Es gibt Hochschulen, die zahlen den TV-L für | |
nichtwissenschaftliche Tätigkeiten. Es gibt Bundesländer, die zahlen | |
einfach nur nach Verordnung. Da wird dann einfach nach gesetzten Lohnstufen | |
bezahlt. Möglicherweise hat dort noch niemand geklagt. Es wäre abzuwarten, | |
was rauskäme, wenn das doch mal jemand tut. Einen studentischen | |
Tarifvertrag und die daraus folgende Konkurrenz zwischen zwei | |
Tarifverträgen gibt es allerdings nur in Berlin. Das Landesarbeitsgericht | |
hat nun eindeutig entschieden, dass bei nichtwissenschaftlichen Tätigkeiten | |
der TV-L anzuwenden ist. Deshalb hat dieses Urteil durchaus Strahlkraft | |
auch in andere Bundesländer. | |
Generell ist also die Beschäftigungssituation an den Hochschulen rechtlich | |
zumindest zweifelhaft? | |
Das ist korrekt. Wir haben in vielen Ländern für studentische Beschäftigte | |
überhaupt keine tarifliche Absicherung. In der Regel liegen die Tarife dort | |
deutlich unter denen in Berlin. Man muss dabei aber auch im Blick behalten, | |
dass die Hochschulen in Berlin, was prekäre Beschäftigung angeht, einen | |
besonderen Status haben. Kein Land hat so viel an den Universitäten gespart | |
wie Berlin in den vergangenen Jahrzehnten. Durch diese lange Zeit des | |
Sparens ist die Personalstruktur hier besonders ausgefranst. Deswegen | |
arbeiten in Berlin auch so viele studentische Beschäftigte in den | |
Verwaltungen und Technikbereichen. | |
Reden wir denn bei den studentischen Beschäftigten denn über solche Summen, | |
die die Hochschulen gar nicht aufbringen könnten? | |
Die Humboldt-Universität, die auch das größte Haushaltsproblem hat, müsste | |
wahrscheinlich bis zu 2 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich aufbringen. Das | |
ist keine besonders kleine Summe, und der Haushalt der Universität ist da | |
aus historischen Gründen auch besonders eng. Deshalb wird die | |
Auseinandersetzung dort auch besonders hart geführt. Allerdings muss man | |
sagen, dass wir Hochschulverträge haben, die den Hochschulen jedes Jahr 3,5 | |
Prozent mehr Geld zusichern. Das summiert sich zum Schluss auf 220 | |
Millionen Euro Aufwuchs. Wenn wir dann sehen, dass es um ein paar | |
hunderrtausend Euro pro Hochschule für die studentischen Beschäftigten | |
geht, dann sollte es eigentlich nicht am Geld scheitern. | |
Gerade mit Blick auf den harten Konflikt an der Humboldt-Universität: | |
Welche Möglichkeiten hat denn das Land, da einzugreifen? Die Situation, wie | |
sie ist, kann doch jetzt nicht ewig so bleiben. | |
Wir hatten ja ein Gespräch sowohl mit den studentischen Personalräten als | |
auch den Universitätspräsidien. Da haben wir deutlich gemacht, dass eine | |
schnelle Änderung des Hochschulgesetzes weder möglich ist noch das Problem | |
lösen würde, also für uns auch nicht wünschenswert ist. In unserem „Forum | |
Gute Arbeit“ sitzen die Gewerkschaften, die Personalräte und die Hochschule | |
an einem Tisch und sollen praktikable Lösungen finden. Die Hochschulen | |
haben auch noch eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, um einen Vorschlag | |
auszuarbeiten. Ganz sicher wird aber sein, dass die ganzen | |
nichtwissenschaftlichen Tätigkeiten nach TV-L bezahlt werden müssen. Es | |
liegt nicht in der Macht des Landes oder der Hochschulen, daran etwas zu | |
ändern. | |
Das heißt, die Hochschulen könnten das Problem nur zügig lösen, indem sie | |
die entsprechenden Stellen in den Tarifvertrag der Länder überführen? | |
Genau, das machen die auch schon. Selbst an der Humboldt-Universität gibt | |
es inzwischen entsprechende Ausschreibungen nach TV-L. Das sind dann | |
Viertelstellen mit hoher zeitlicher Flexibilität, die für Studierende | |
geeignet sein können. Das zeigt uns, dass das möglich ist. Wir hoffen, dass | |
die Unis diesen Weg auch weitergehen, um die problematische Situation in | |
diesem Semester zu lösen. | |
Diese Viertelstellen, die sind doch dann auch befristet. Was wäre denn da | |
der Sachgrund? | |
Sollen diese Stellen für Studierende adäquat sein, dann gehen wir auf | |
dieses niedrige Volumen und auf die Befristung. So entstehen Stellen, die | |
auf einem eigentlich zu niedrigen Niveau ausgeschrieben sind und dazu | |
sachgrundlos befristet sind. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, und | |
das ist der Konflikt, mit dem auch der studentische Personalrat an der | |
Humboldt-Universität schon die ganze Zeit umgehen muss. Wenn er sagt, dass | |
diese Stellen eigentlich nach TV-L eingruppiert werden müssten, dann | |
dürften das keine exklusiven kleinen und befristeten Stellen für | |
Studierende mehr sein. | |
Wäre das so schlimm, diese Tätigkeiten nicht exklusiv Studierenden | |
vorzuhalten? | |
Nicht unbedingt, aus meiner Sicht wäre das sogar der richtige Weg. Denn | |
Studierende sollen aus Stellen an der Hochschule ja einen Mehrwert für ihre | |
wissenschaftliche Ausbildung ziehen. | |
Das klingt fast ein wenig verträumt, arbeiten doch die meisten Studierenden | |
weniger aus Begeisterung für die wissenschaftliche Tätigkeit als deshalb, | |
um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, oder? | |
Das ist vollkommen klar, trotzdem können wir nicht den Trend gutheißen, | |
dass reguläre, unbefristete und qualifizierte Tätigkeiten durch prekäre | |
studentische Beschäftigung ersetzt werden. Aber genau das ist die | |
Situation. Wir haben Sekretariate, Rechenzentren und Bibliotheken mit | |
studentischen Beschäftigten untertariflich besetzt. | |
Wie sehen Sie denn die erklärte Absicht der Humboldt-Universität, über | |
Outsourcing und Leiharbeitsfirmen mit dem Problem umzugehen? | |
Es gibt einen klaren Beschluss der Koalition, alle Outsourcingmaßnahmen zum | |
Zwecke des Lohndumpings zu beenden. Wenn es keine funktionale Begründung | |
für ein Outsourcing gibt, sondern lediglich eine, die mit den | |
Tarifverträgen zu tun hat, dann wird das Land dort ein klares Stoppschild | |
setzen. | |
Der Senat hat dort die Möglichkeit und aus Ihrer Sicht auch die Pflicht, | |
einzugreifen und solche Versuche zu unterbinden? | |
Es ist bei Hochschulen nicht ganz so einfach wie in der Verwaltung. Die | |
Hochschulen haben schließlich eine eigene Arbeitgebereigenschaft. Aber wir | |
haben ja auch an anderen Stellen die Möglichkeit, sanften politischen Druck | |
zu entfalten. | |
Ist sanfter politischer Druck wirklich hinreichend in der Situation mit den | |
sehr verhärtet Fronten, oder anders gefragt: sollte das Land nicht per | |
Rechtsaufsicht eingreifen? | |
Das Problem ist, dass die Hochschule zunächst ja nichts Illegales macht, | |
wenn sie Stellen outsourct. Insofern ist da die Rechtsaufsicht das falsche | |
Instrument. Es geht hier vornehmlich um den politischen Willen des | |
Hochschulträgers. Und der sagt eindeutig, dass wir sowohl sachgrundlose | |
Befristungen als auch das Outsourcing zum Lohndumpings verhindern und | |
vermeiden wollen. | |
14 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Konflikt-an-Berliner-Humboldt-Universitaet/!5536325 | |
[2] /Tarifkonflikt-an-Berliner-Hochschulen/!5510950 | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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