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# taz.de -- Mutmaßliche Vergewaltigung in Freiburg: Demo gegen Instrumentalisi…
> Nach einer mutmaßlichen Vergewaltigung durch Geflüchtete wird Freiburgs
> OB Horn bedroht. Rechte und Gegner protestieren am Montag.
Bild: Nach Angaben der Polizei traf die rechte Kundgebung vor dem Rathaus auf r…
Freiburg taz | Eine Litfaßsäule, ein Hydrant, am Horizont die Fassade eines
Baumarkts: Hier soll am 14. Oktober eine Studentin vergewaltigt worden
sein. Das Gebüsch, in dem sich die Tat zugetragen haben soll, liegt nur
wenige Meter vom „Hans-Bunte-Areal“ entfernt, jener Disco in Freiburg, in
der die 18-Jährige ihren Abend verbracht hatte.
Mindestens acht Männer zwischen 19 und 29 Jahren sollen der Frau
sexualisierte Gewalt angetan haben, darunter sieben Syrer und ein
Deutscher. Die Polizei hatte aus ermittlungstaktischen Gründen erst mit
zweiwöchiger Verspätung über die Tat informiert. Inzwischen sitzen die acht
Tatverdächtigen in U-Haft.
Wie genau der Tathergang ablief und ob die Frau zuvor mit Drogen wehrlos
gemacht wurde, soll die 13-köpfige Sonderkommission „Club“ herausfinden.
Laut Auskunft der Polizei gibt es bislang keine neuen Erkenntnisse.
Während die Ermittlungen noch laufen, scheinen einige ihr Urteil schon
gefällt zu haben. „Wieder hat die Politik der offenen Grenzen das Leben
einer jungen Frau zerstört“, schimpft der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin
Hess auf Facebook. AfD-Parteichef Jörg Meuthen fordert gar eine
„Ausgangssperre für Asylbewerber“ – ganz so, als seien alle Asylsuchenden
automatisch Verbrecher. Es sind bekannte Reflexe, die einsetzen, sobald
Tatverdächtige aus dem Ausland stammen.
## Der nicht vollstreckte Haftbefehl
Politisch ist der Freiburger Fall aus einem anderen Grund brisant: Wie
bekannt wurde, lag gegen den mutmaßlichen Haupttäter bereits vor der
Tatnacht ein Haftbefehl vor. Warum ihn die Polizei nicht vollstreckte, will
sie gegenüber der Presse nicht erklären. Stattdessen verweist das
Polizeipräsidium ans Landesinnenministerium – welches „polizeitaktische
Gründe“ anführt.
„Die Polizei wollte noch mehr Beweise zu weiteren Straftaten sammeln, bevor
der Haftbefehl vollzogen wird“, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. Dies
sei durchaus üblich. Um welche Straftaten es sich handelt und wie oft
Haftbefehle nicht sofort vollstreckt werden, dazu will sich das
Innenministerium nicht äußern. Die Frage steht jedoch im Raum: Hätte die
Vergewaltigung verhindert werden können, wenn die Polizei zumindest einen
der Männer vorher verhaftet hätte?
Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) äußerte sich am
Wochenende auf Facebook. „Es gibt keinerlei Toleranz für solche
abscheulichen Verbrechen“, schrieb Horn. Zugleich warnte er vor
Pauschalisierungen gegen Geflüchtete. „Die meisten Menschen, die Schutz
suchend zu uns gekommen sind, wollen gut und in Sicherheit in unserer Stadt
leben, wie alle anderen auch.“
## Beleidigungen und Morddrohungen
Horn ahnte zu diesem Zeitpunkt wohl schon, welche Reaktion sein Statement
auslösen würde. „Wir werden gegen diskriminierende oder beleidigende
Kommentare vorgehen“, fügte er hinzu, bevor er die Nachricht abschickte.
Genützt hat es nichts: Kaum war der Text veröffentlicht, wurde Horn verbal
heftig attackiert. Im Minutentakt hagelte es Beleidigungen, rechtsradikale
Parolen und auch mehrere Morddrohungen gab es.
Am Montagvormittag ist Horn noch immer von den Ereignissen gezeichnet. Das
Telefon steht kaum still, auch Facebook und das kommunale E-Mail-Postfach
quellen über. Ständig will jemand einen Kommentar hören, Frust ablassen
oder einfach nur schimpfen. „Das ist ein unfassbares Verbrechen“, sagt
Horn. „In Freiburg gibt es keinen Raum für Straftäter, aber auch nicht für
diejenigen, die dieses Verbrechen instrumentalisieren.“
Für den 33-jährigen Horn, der erst im Mai zum Oberbürgermeister gewählt
wurde, ist der Vorfall die erste große Herausforderung in seinem Amt. „Es
ist traurig, dass wir nun über mich sprechen und nicht über diese
abscheuliche Tat“, sagt Horn. Aber er will auch nicht verschweigen, dass
auf seiner Facebook-Seite Fotos mit Hitlergruß gepostet wurden. In einigen
Fällen ermittle bereits die Kripo.
Es ist nicht das erste Mal, dass Freiburg in diesem Zusammenhang in die
Schlagzeilen gerät. Erst im März wurde der Geflüchtete Hussein K. wegen
Vergewaltigung und Mordes der Studentin Maria L. [1][zu lebenslanger Haft
verurteilt]. Der „Dreisam-Mord“ – [2][verübt im Oktober 2016 am Fluss
Dreisam] – hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Kurze Zeit später war die
Joggerin Carolin G. im nahe gelegenen Endingen ermordet worden, ebenfalls
ein Sexualdelikt.
Laut Statistik ist Freiburg die kriminellste Großstadt in
Baden-Württemberg. 2017 geschahen dort 11.712 Straftaten pro 100.000
Einwohner, mehr als in Mannheim, Karlsruhe oder Stuttgart. Den unrühmlichen
Titel trägt die 240.000-Einwohner-Stadt bereits seit dem Jahr 2001.
Doch die beiden Morde hatten das Sicherheitsgefühl vieler Menschen
empfindlich getroffen. Nach dem Dreisam-Mord stiegen beispielsweise die
Pfefferspraykäufe in der Stadt deutlich an. Doch seitdem hat sich viel
getan. Das Land verteilte mehr Polizisten auf Freiburg. Die Stadt wiederum
ließ Hecken zurückschneiden, dunkle Ecken besser ausleuchten und gründete
einen kommunalen Vollzugsdienst, der die Polizei entlasten soll. Ein neues
„Frauen-Nachttaxi“ wurde in der Stadt eingeführt, was bisher jedoch kaum
genutzt wird. In Zukunft sollen Kriminalitätsschwerpunkte per Video
überwacht werden – eine durchaus umstrittene Maßnahme [3][im liberalen
Freiburg].
Die rechte Demo am Montag
Zwar kam es in der Stadt nie zu rechten Zusammenrottungen wie in Chemnitz.
Doch auch in Freiburg war zeitweise die Gründung einer Bürgerwehr im
Gespräch, die letztlich aber nie über den Status einer Online-Gruppe
hinauskam.
Die AfD fordert bei einer Kundgebung am Montagabend, die Asylpolitik
grundsätzlich zu ändern. „Merkel muss weg“, skandieren etwa 300
AfD-Anhänger, während sie durch die Altstadt ziehen. Ihnen gegenüber stehen
rund 1500 Gegendemonstranten. Auf ihren Plakaten fordern sie, das
Verbrechen nicht zu instrumentalisieren.
Sie singen, klatschen, hüpfen und stellen sich dem AfD-Zug immer wieder in
den Weg. Die Lage ist unübersichtlich; mehrfach liegen zwischen den beiden
Demonstrationen nur wenige Meter Abstand. Trillerpfeifen übertönen „Haut
ab“-Rufe, die von beiden Seiten kommen – und den prasselnden Regen.
30 Oct 2018
## LINKS
[1] /Prozess-um-Mord-an-Freiburger-Studentin/!5493379
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[3] /Linksliberales-Freiburg/!5361487
## AUTOREN
Steve Przybilla
## TAGS
Freiburg
Demos
Flüchtlinge
Verbrechen
Vergewaltigung
Lesestück Recherche und Reportage
Kriminalstatistik
Schwerpunkt Rassismus
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