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# taz.de -- Vollbeschäftigung in Deutschland: Im Wunderland
> Die Metzgerei schließt – Personalmangel. Die Baufirma sucht Leute im
> Ausland. Das Jobcenter: leer. In Nördlingen sind alle in Arbeit.
Bild: Findet keine Bauarbeiter: Werner Luther (l.) von Eigner Bau Nördlingen m…
Nördlingen taz | Die Metzgerei Pisko sendet den Alarmruf auf
DIN-A4-Plakaten in die Welt. „Fachkräftemangel in Deutschland – auch uns
hat es getroffen!“, verkünden Aushänge am Geschäft am Marktplatz 7 in
Nördlingen. Man erfährt, dass einige Fachverkäuferinnen der Metzgereikette
schwanger geworden sind, Vertretungen fanden sich nicht, also bleibt die
Filiale im Stadtzentrum von Nördlingen „bis auf Weiteres“ geschlossen.
Wegen Fachkräftemangel geschlossene Läden, das sieht traurig aus in der
Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen und historischen Spitzgiebelhäusern.
Doch Nördlingen liegt im Landkreis Donau-Ries, im Wunderland. Es herrscht
Vollbeschäftigung. Der Landkreis ist schuldenfrei. Nördlingen ist ein
Arbeitnehmermarkt: Um Personal ist ein unsichtbarer Konkurrenzkampf
entbrannt. Was im Wunderland los ist, zeigt sich auf Stadtspaziergängen.
In der Altstadt weist ein unauffälliges Schild zum Jobcenter, Herrengasse
39. Man überquert einen Bach, dann einen Hof und betritt einen schmucklosen
Altbau. Eine Treppe mit einem hölzernen Handlauf führt hinauf zum ersten
Stock. Das Wartezimmer dort ist leer. Der Raum wirkt wie das Wartezimmer
einer Gemeinschaftspraxis nach Feierabend. Nur dass eben nicht Feierabend
ist, sondern Sprechzeit. „Es ist hier nicht immer so leer“, sagt
Arbeitsvermitter Dirk Möller fast schon entschuldigend. Möller, 52,
Jeansträger, Dreitagebart, hat meist Terminkunden. 245 arbeitslose
Hartz-IV-Empfänger gibt es in Nördlingen. Das ist ausgesprochen
übersichtlich in einer 20.000-Einwohner-Stadt.
Auf Möllers Schreibtisch steht das Foto eines Oldtimermotorrades. An der
Wand hängt ein Plakat mit einem Faultier, das auf einer Pipeline vor sich
hin döst. „Ich bin nicht faul. Ich bin nur hochmotiviert, nichts zu tun“,
heißt es auf dem Plakat. Das ist lässig.
## Das Wartezimmer im Jobcenter: leer
Heimliche Schwarzarbeit im größeren Stil ist in der Stadt mit der
historischen Stadtmauer drum herum kaum möglich. „Man kennt sich hier“,
betont Möller. Neulich baute jemand in der Altstadt ein Extrafenster in
sein Dach, ohne Genehmigung – das wurde sofort zum Aufmacher in der
Lokalpresse.
„Wir haben hier einen Rest heiler Welt“, sagt Ingrid Eicher, „wer
einigermaßen gesund ist, den bringen wir unter auf dem Arbeitsmarkt.“ Die
60-jährige Beamtin leitet das Jobcenter im Agenturbezirk Donauwörth, wozu
auch Donau-Ries und Nördlingen gehören. Der Agenturbezirk hat die
niedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland.
Jahrzehntelang war Eicher im Sozialamt tätig, dann im Jobcenter. Von
Müdigkeit, gar Resignation keine Spur. Eicher und Möller klingen ein
bisschen wie Sozialarbeiter, wenn sie über ihre Klientel sprechen. Die
Langzeitarbeitslosen seien ja „keine faulen Leute“, sagt Eicher. Viele
litten unter persönlichen Hindernissen, gesundheitlichen Einschränkungen,
psychischen Problemen, familiären Aufgaben in der Kinderbetreuung oder in
der Altenpflege. Flüchtlinge sind in der Regel jünger und gesünder als die
deutschen Langzeitarbeitslosen, ihre Vermittlungsquoten im Bezirk sind
deshalb sogar höher. Auch Helferjobs gibt es in der Region, in der
Gastronomie, in der Logistik, im Versand, im Lager, vieles über Zeitarbeit.
Möller setzt im Umgang mit seinen Klienten auf individuelle Ansprache, auf
„Vorteilsübersetzung“, wie er es nennt. Das Jobcenter bezahlt
Hartz-IV-Empfängern, die neu eine Arbeit aufnehmen, sogar für sechs Monate
die Leasingraten für ein Auto, wenn sie anders nicht zu ihrem Job in der
Region gelangen können.
„Wer gar nicht arbeiten will, der kommt nicht hierher, denn wer zu uns ins
Jobcenter kommt, der weiß: Hier kriegt er ein Angebot, noch ein Angebot und
noch ein Angebot“, erzählt Eicher. Genau das ist aber auch das Problem:
viele freie Stellen. Und zu wenige Leute, um diese zu füllen. Man sieht es
nicht nur in der Altstadt, wo Läden und Lokale um Verkaufspersonal werben.
Im Internet-Jobportal für den Landkreis können Arbeitsuchende nach
„Benefits“ fragen: „Hunde erlaubt“, „Home Office“, surfen in „soz…
Netzwerken“– immer finden sich Firmen, die bereit sind, einzugehen auf
Arbeitnehmerwünsche, die Jobsuchende früher gar nicht zu äußern gewagt
hätten.
## Die Bewerberlage bei Eigner Bau: schwierig
„Man muss heute sehr nett sein zu seinen Mitarbeitern, sonst laufen sie
einem davon“, sagt Werner Luther, und ein Lächeln huscht über sein Gesicht.
Luther, 59, ist Geschäftsführer von Eigner Bau mit Sitz am Weinmarkt in der
Altstadt, man läuft ein paar Minuten vom Jobcenter hierher. Etwas versteckt
liegt der Eingang des Unternehmens. Man vermutet hier nicht den Sitz einer
der größten Baufirmen der Region mit 170 Mitarbeitern. In Luthers Büro
hängen Fotos und Ölporträts seiner Vorgänger im Betrieb, einer davon war
sein Vater.
Die Bewerberlage sei „schwieriger geworden“, sagt Luther. „Die Baufirmen
suchen händeringend Azubis, finden aber keine.“ Azubis für das Bauhandwerk
kommen überwiegend von den Hauptschulen, die hier Mittelschulen heißen, und
sie kommen meistens aus der Region. Die jungen Leute aus der Gegend, die
man als Fahrschüler am Bahnhof oder in der Altstadt sieht, mit ihren blau
gefärbten Haarsträhnen und modisch eingerissenen Jeans, Kopfhörer im Ohr,
sind gewissermaßen die heißeste Ware in der Region. Gold auf zwei Beinen.
„Wir haben für die Personalsuche extra eine Mitarbeiterin abgestellt“,
erzählt Luther. Die Dame zieht durch die Mittelschulen, mit einer
PowerPoint-Präsentation im Gepäck, und sie tritt auf Elternsprechtagen auf.
Wenn die jungen Leute und deren Eltern dann erfahren, dass man auf dem Bau
heute schon als Auszubildender relativ gut verdient, dass man Bagger mit
GPS-Steuerung fahren lernt und als gelernter Maurer oder Stahlbetonbauer
später zum Polier aufsteigen kann, zum Meister, dann hat die Firma eine
Chance.
Hilfreich für das Image beim Nachwuchs ist auch die Sache mit dem FC
Bayern: Eigner baute für den Fußballverein mehrere Bürogebäude, ein Foto
des Vereins hängt an der Wand im Firmensitz, ein neuer Auftrag für die
Münchner läuft. „Das kommt natürlich gut an“ sagt Luther.
Natürlich schaut Luther auch ins Ausland. EU. Osteuropa. Über ein Projekt
kamen 15 junge Ungarn ins Bauhandwerk in die Region. Nur zwei machten den
Abschluss, erzählt der Geschäftsführer. Denn erstens haben auch junge
Ungarn Heimweh. Und zweitens kann die deutsche Sprache sehr sperrig sein.
Auch polnische Subunternehmer berichten den Leuten von Eigner Bau, dass
viele Polen neuerdings lieber in der Heimat bleiben und dort arbeiten. Die
Familie. Weniger Wohn- und Reisekosten. Weniger Sprachstress. Und die
Wirtschaft in Polen läuft ja auch besser als früher.
Bleibt noch die Hoffnung auf andere Kontinente. Drei Flüchtlinge lernen bei
Eigner Bau. Einer, ein 20-jähriger Afghane, ist schon länger dabei, zuerst
besuchte er eine Flüchtlingsklasse an einer Berufsschule, dann kam die
Einstiegsqualifizierung, jetzt absolviert er eine richtige Ausbildung. „Der
macht sich ganz toll“, schwärmt der Firmenchef, und man hört väterlichen
Stolz in seiner Stimme. Der junge Mann aus Afghanistan hat aber nur eine
Duldung. „Leider“, sagt Luther, „wir wollen ihn ja behalten.“ Es wird k…
warum es sich ein Politiker leicht mit dem Handwerk in Bayern versauen
kann, wenn er junge Leute, die anpacken können und wollen, in einen
Abschiebeflieger setzt.
Eigner Bau hat seine Methoden, mit den begrenzten Personalkapazitäten
umzugehen. Stammkunden werden bevorzugt, wenn sie mit einem neuen Auftrag
kommen, sagt Luther. Neukunden, vielleicht auch etwas außerhalb der Region,
müssen sich hingegen gedulden.
Wie bei Eigner auch redet man in Nordschwaben nicht so gern von
„Fachkräftemangel“, sondern eher von „Fachkräftesicherung“. Das klingt
handlungsorientierter. Mit der Fachkräftesicherung ist auch die Industrie
in Nordschwaben beschäftigt. Zum Beispiel SPN Schwaben Präzision in
Nördlingen.
## Eine Stelle bei SPN besetzen: dauert ein Vierteljahr
Um den Industriebetrieb draußen vor dem Stadttor zu besuchen, muss man aus
der Altstadt in Richtung Nordosten hinausfahren. In das Gewerbegebiet, wo
Firmen auf ihrem Gelände große Schilder aufgestellt haben: „Maschinenführer
gesucht“ zum Beispiel.
SPN residiert in der Fritz-Hopf-Straße 1, das Bürogebäude wirkt hochmodern
mit seiner geschwungenen Glasfront. Dahinter liegen die Fertigungshallen.
Das Unternehmen produziert Spezialgetriebe, die unter anderem in
Fertigungsmaschinen eingebaut werden, die dann weltweit laufen.
Massenproduktion gibt es nicht, die Kunden wollen individuelle
Antriebslösungen.
Jörg N., 44, Industriemechaniker, überwacht in der Fertigungshalle eine
600.000 Euro teure Fräsmaschine. Er setzt Rohlinge ein, schwere
Metallreifen, die zu Zahnrädern zurechtgefräst werden. An der Anzeigentafel
blinken Lämpchen, die Fertigung läuft über Programme, die immer wieder
wechseln. Die Schichtarbeit fordert höchste Konzentration, Fehler können
teurer werden. “Das muss alles hochpräzise sein“, erklärt Georg Jaumann,
51, kaufmännischer Geschäftsführer des Unternehmens mit 300 Mitarbeitern.
„Es ist eine abwechslungsreiche Arbeit“, meint Jörg N. Der
Industriefacharbeiter kommt aus der Region und hat bei SPN gelernt. Die
Ausbildung ist hochspezialisiert. Die meisten Mitarbeiter bleiben bei der
Firma „von der Lehre bis zur Rente“, erzählt Jaumann. SPN hat sich in der
Region als „Arbeitgebermarke“ profiliert. Das Unternehmen wirbt auch
Beschäftigte von anderswo ab.
Doch auch bei SPN merke man, dass die Zahl der Schulabgänger sinke und dass
es „enger werde“ bei der Facharbeitersuche, so Jaumann. Früher habe man
eine Stelle innerhalb von vier Wochen besetzen können, jetzt dauere die
Nachbesetzung ein Quartal.
Auch SPN Schwaben Präzision ist darauf angewiesen, Leute aus der Region zu
gewinnen. „Von ganz weit her kommt kaum einer allein wegen des Jobs her“,
sagt Jaumann. Und wer schon mal in einem Ballungszentrum studiert hat, will
oft nicht zurück ins Ländliche, wo es keine Universität oder Fachhochschule
gibt und man nicht mit dem Nachtleben und den Opernhäusern einer Metropole
mithalten kann. Zumal die Mieten auch in Nördlingen steigen.
## Bürgermeister begrüßt jeden Neubürger persönlich
Hermann Faul kennt die Vorurteile gegen die Provinz. Faul, 69, Mitglied in
der Parteifreien Wählergemeinschaft (PWG), ist Oberbürgermeister von
Nördlingen. Faul empfängt in der Altstadt im Rathaus, am Marktplatz 1, man
durchquert eine Eingangshalle mit viel dunklem Holz und Wappen an der Wand.
Faul ist ein Mann von stattlicher Physis und mit warmem Händedruck. Er muss
die Parkplatzsorgen der Bürger, den Tourismus, den Denkmalschutz auf dem
Schirm haben und die Wohnungsknappheit und den Fachkräftemangel.
Nördlingen habe Zuzug, erzählt Faul nicht ohne Stolz. Kürzlich hatten
Schlaumeier in irgendeiner Bertelsmann-Studie prophezeit, die Einwohnerzahl
von Nördlingen werde in Zukunft sinken, wie in anderen Kleinstädten auch.
Ist sie aber nicht, sondern sogar auf etwas über 20.000 gestiegen. Ab
20.000 Einwohnern ist man nicht mehr Kleinstadt, sondern Mittelstadt.
Neubürger werden von Faul persönlich begrüßt. Die Stadt sei sehr aktiv
darin, Auszubildende und Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, schildert
der OB. Besonders aufmerksam ist man bei AbiturientInnen aus der Stadt, die
zum Studium aus Nördlingen wegziehen. Für sie wird eine feierliche
Abschiedsfeier ausgerichtet. Die Stadt hält danach durch einen Newsletter
steten Kontakt. Die Heimat soll schließlich nicht vergessen werden, zumal
sich die StudentInnen in den Metropolen schnell an ein Nachtleben gewöhnen,
das nicht nur am Freitag- oder Samstagabend stattfindet wie in Nördlingen.
Im „persönlichen Gespräch“ werde versucht, die Liebe zur Heimat zu
erhalten, sagt Faul. Denn für die Wirtschaft in der Region, ist es
leichter, Akademiker zu gewinnen, die dort schon verwurzelt sind, als
völlig Fremde von anderswo.
## Restaurant muss Sonntags schließen – Personalmangel
„Der Hermann kennt hier jeden“, heißt es im Restaurant Wengers Brettl über
den OB. Das Restaurant in der Löpsinger Straße 27 im Nordosten der Altstadt
liegt im ersten Stock eines Altbaus. Im Holzofen am Eingang brennt ein
Feuer. Jeden Abend ist es hier prallvoll, man sollte reservieren. Voll
könnte das Brettl auch schon über die Mittagszeit sein und am Sonntag, die
Nachfrage ist groß in dem Lokal, das auf der zweisprachigen Speisekarte
unter anderem „Swabian Saure Nierle“ offeriert.
Es liege auch am Personalmangel, dass man erst um halb fünf Uhr am
Spätnachmittag öffne und seit einiger Zeit am Sonntag geschlossen habe,
erzählt Martina Wenger, Mitinhaberin des Lokals. „Wir haben noch Glück
gehabt, für die Küche haben wir einen Azubi gefunden“, meint Uli Wenger,
der Koch. Der Ton im Umgang mit den Mitarbeitern sei heute ganz anders,
erzählt er. Das Ehepaar, beide 53, hat ein Coaching besucht für den Umgang
mit dem Personal. „Heute kann man niemanden mehr anraunzen, wenn es
schwierig wird“, sagt Uli Wenger. Auch Azubis erwarten heute einen durchweg
freundlichen Ton. Schließlich hat man Seltenheitswert.
## Pflegezentrum setzt auf ausländische Bewerber
Doch Neukunden zu vertrösten wie bei Eigner Bau, Öffnungszeiten zu
reduzieren wie im Brettl, das kann sich nicht jeder leisten. Schon gar
nicht das Pflegezentrum Bürgerheim, ein moderner Bau im Nordwesten der
Altstadt, der auf dem Areal eines mittelalterlichen Hospizes am
Eugene-Shoemaker-Platz 2 errichtet wurde.
Die alten Herrschaften sitzen zum Teil in Rollstühlen in der freundlichen
Lobby, die auf den ersten Blick so aussieht, als handele es sich um ein
Hotel. 81 Plätze hat das Bürgerheim. Insgesamt vier Heime gehören zum
Verbund der „Donau-Ries Kliniken und Seniorenheime“. Eigentlich könnte man
zwölf Auszubildende zur Altenpflegefachkraft haben, doch im gesamten
Verbund habe nur eine einzige Auszubildende neu angefangen, erzählt
Elisabeth Oestringer, 59, Leiterin im Bürgerheim.
„Die jungen Leute können heute eben bei der Ausbildungssuche unter vielen
Alternativen wählen“, sagt Oestringer. Da lernen sie lieber Bürokaufmann
oder machen erst mal das Abitur.
Wer mit Elisabeth Oestringer und den anderen Firmenchefs in Nördlingen
spricht, spürt, dass es eine unausgesprochene Hierarchie gibt im Wettbewerb
um Fachkräfte und SchulabgängerInnen, deren Zahl ohnehin demografisch
bedingt sinkt: Größere Unternehmen haben es leichter als kleine, Nachwuchs
zu gewinnen. Schwerer haben es Betriebe in der Provinz, obwohl Unternehmen
oft gerade dort residieren. Schwerer als die Industrie hat es das Handwerk,
und richtig schwer haben es Berufe, die als anstrengende und schlecht
bezahlte Frauenjobs gelten. So wie die in der Altenpflege.
Dabei kann man in diesem Job wirklich Positives bewirken für die Klientel.
„Wenn man Kontakt bekommt zu den Bewohnerinnen, wenn die plötzlich was
verstehen, das ist schön“, sagt Dzejlana H. 35, die im Bürgerheim als
Pflegefachkraft arbeitet. Geduldig begleitet sie eine Rollstuhlfahrerin zur
Tür. Die Dame hat sich verirrt. Im Bürgerheim hat inzwischen mehr als die
Hälfte der Bewohner demenzielle Einschränkungen. Der Personalschlüssel
wurde trotzdem über die Jahre hinweg nicht angepasst. Was dazu führte, dass
die Arbeitsbedingungen härter wurden. „Der Druck ist schon sehr stark“,
sagt Pflegerin H.
Eine Reduzierung der Plätze kommt aber nicht infrage. Das Bürgerheim in
kommunaler Trägerschaft hat einen Versorgungsauftrag. Es gebe Wartelisten
für die Seniorenheime, erzählt Jürgen Busse, Vorstandsvorsitzender der
Donau-Ries Kliniken. Viele Familien können eine Vollzeitpflege zu Hause
einfach nicht mehr stemmen.
Auch in der Altenpflege hofft man auf das Ausland. Dzejlana H. zum Beispiel
hat in ihrer Heimat Bosnien-Herzegowina eigentlich Betriebswirtschaft
studiert und ist dann über eine Städtepartnerschaft in die Ausbildung zur
Altenpflegerin ins Bürgerheim gekommen. „In Bosnien-Herzegowina lernen
viele Krankenschwestern Deutsch und wollen dann nach Deutschland kommen“,
erzählt sie.
Das neue Zuwanderungsgesetz, wenn es denn kommt, erlaubt Jobsuchenden aus
Nicht-EU-Ländern mit gefragten Qualifikationen, für ein halbes Jahr nach
Deutschland zu gehen und sich hier eine Arbeit zu suchen.
Das Zeitarbeitsunternehmen Humanus in Nördlingen arbeitet international,
Slogan: „Es gibt keinen Fachkräftemangel, wenn man europäisch denkt.“ Kann
man so sehen. Es gibt aber auch einen europäischen Verteilungskampf um
Fachkräfte und Auszubildende, in dem bestimmte Regionen und Berufe das
Nachsehen haben. Und das gilt auch für ein Wunderland.
29 Oct 2018
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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