# taz.de -- Kosten für mangelnden Klimaschutz: Augen zu und Milliarden zahlen | |
> Deutschland verfehlt seine Klimaziele, deshalb drohen hohe Ausgaben. Aber | |
> weder Parlament noch Finanzministerium geht das Problem an. | |
Bild: Der Klimawandel als Zeitbombe – Protest vor dem Kanzleramt | |
Berlin taz | Bundesregierung und Parlament reagieren bisher nicht darauf, | |
dass mangelnder Klimaschutz bald sehr teuer werden kann. Weder im | |
Finanzministerium noch im Haushaltsausschuss des Bundestages werden derzeit | |
Vorkehrungen getroffen, dem Milliardenrisiko zu begegnen, das die | |
Verfehlung der deutschen Klimaziele für den Steuerzahler darstellt, wie | |
Antworten auf taz-Anfragen zeigen. Die Kosten ließen sich „noch nicht | |
verlässlich abschätzen“, heißt es aus dem Finanzministerium. Die | |
Parlamentarier wiederum hätten das Thema „bisher nicht auf dem Schirm“, | |
teilte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses Peter Boehringer (AfD) der | |
taz mit. | |
Der Hintergrund: Weil Deutschland seine EU-Ziele jenseits des | |
Emissionshandels, also bei Verkehr, Landwirtschaft und Gewerbe für 2018, | |
2019 und 2020 verfehlen wird, muss die Bundesrepublik von anderen Staaten | |
Berechtigungen zum Ausstoß von Treibhausgasen zukaufen. Das kann nach | |
Berechnungen des Thinktanks „Agora Energiewende“ schon 2021 zwischen 600 | |
Millionen und 1,2 Milliarden kosten. Das Umweltministerium rechnet mit | |
einem „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“, heißt es. Der Betrag muss | |
aus dem Umwelt-Etat gedeckt werden und spätestens im Haushalt 2020 | |
eingeplant werden. Derzeit wird über den Haushalt 2019 verhandelt und von | |
zusätzlichen Mitteln für die Klimaschulden ist nicht die Rede. | |
Richtig teuer kann es aber ab 2021 werden: Wenn Deutschland nicht deutlich | |
weniger CO2 ausstößt als bislang geplant, drohen jährliche Zahlungen an | |
andere EU-Staaten, die sich bis 2030 auf „30 bis 60 Milliarden Euro“ | |
summieren könnten, warnen die Experten. Auf das Thema machen zwei Gutachten | |
von Agora und dem Öko-Institut aus den vergangenen Monaten aufmerksam. Das | |
Öko-Institut ist optimistischer bei der Wirkung von Maßnahmen des | |
Klimaschutzes, kommt aber trotzdem bis 2030 noch auf ein Haushaltsrisiko | |
von fünf bis 30 Milliarden. | |
Das Finanzministerium gibt sich entspannt: „Würde dieser Fall tatsächlich | |
eintreten“ [dass Deutschland sein 2020er-Ziel verfehlt, woran nicht einmal | |
der Koalitionsvertrag zweifelt, d. Red.], müsste Deutschland | |
CO2-Berechtigungen kaufen, heißt es in der Antwort der parlamentarischen | |
Finanz-Staatssekretärin, Bettina Hagedorn, auf eine Anfrage des grünen | |
Finanzpolitikers Sven-Christian Kindler, die der taz vorliegt. Die Kosten | |
ließen sich allerdings „nicht verlässlich abschätzen“. | |
## „Dickes Minus in der Klimabilanz“ | |
Um die Milliardenzahlungen zu verhindern, die ab 2021 drohen, verweist | |
Hagedorn auf das geplante „Maßnahmenprogramm 2030“, mit dem das Klimaziel | |
von minus 55 Prozent erreicht werden soll und die „entsprechenden | |
europäischen Verpflichtungen eingehalten werden sollen“. Ob das reicht, | |
bezweifeln allerdings viele Experten. Für den Grünen Kindler ist „diese | |
ignorante Haltung der Bundesregierung eine Gefahr für den Bundeshaushalt. | |
Der Haushalt von CDU, CSU und SPD hat ein dickes Minus in der Klimabilanz.“ | |
Kindler fordert, dass die „50 Milliarden umwelt- und klimaschädliche | |
Subventionen etwa für Flugindustrie, Diesel, Plastiktüten und | |
Agrarindustrie konsequent gestrichen werden, um damit ein Sofortprogramm | |
Klimaschutz zu finanzieren.“ | |
Die Abgeordneten, die über den Bundeshaushalt entscheiden, haben sich mit | |
diesen drohenden Ausgaben offenbar auch in der „mittelfristigen | |
Finanzplanung“ für die nächsten Jahre bisher kaum beschäftigt. Das Thema | |
sei im Haushaltsausschuss vereinzelt angesprochen worden, sagte der | |
Vorsitzende Boehringer, „aber es hat dazu keine größere Debatte gegeben.“ | |
Vielleicht werde er sich mit dieser Frage näher befassen, erklärte der | |
AfD-Abgeordnete auf Anfrage. | |
Damit holt den Politiker ein Thema ein, das Boehringers Fraktion und Partei | |
für kompletten Unsinn halten. Denn dass der Mensch den Klimawandel | |
beschleunige, dessen Bekämpfung nun die deutschen Steuerzahler bedroht, | |
hält die AfD im Parlament für eine „Irrlehre“ und eine „Fantasie grüner | |
Ideologen“, die nur der „Enteignung von Millionen von Autofahrern“ diene. | |
29 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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