# taz.de -- App für klimabewusstes Essen: Treibhausgase? Friss die Hälfte! | |
> Eine „KlimaTeller-App“ rechnet Gastronom*innen und Verbraucher*innen vor, | |
> wieviel Kohlendioxid bei der Herstellung ihres Essens entstanden ist. | |
Bild: Sollte man wissen: Die braunen Scheiben rechts versauen die Klimabilanz | |
Berlin taz | Was wir essen, ist mit Treibhausgasemissionen verbunden: | |
Tomaten aus Spanien werden in spritfressenden Kühl-LKWs nach Deutschland | |
geschickt, das argentinische Rind hat vor seiner Schlachtung eine Menge | |
Methan ausgerülpst. 1,75 Tonnen an [1][klimarelevanten Emissionen | |
produziert laut Bundesumweltministerium jede Person in Deutschland] nur | |
über das, was sie sich auf den Teller lädt. | |
Essen verursacht hierzulande rund ein Fünftel aller Emissionen. Bei der | |
Ernährung fängt Klimaschutz also an – und da will die | |
[2][„KlimaTeller“]-App helfen. Mit der Webanwendung für PC und Tablet | |
können Gastronomen und Privatpersonen die Klimabilanz ihrer Gerichte | |
einsehen: nur schnell die Zutaten und Mengen der benutzten Lebensmittel | |
eingeben. Die Rezepte sind ausschließlich auf dem eigenen Nutzerkonto | |
gespeichert. | |
Wer wissen will, was sich ändert, wenn der Reis aus Italien statt aus China | |
oder die Tomate aus Deutschland statt Spanien kommt, kann das einstellen. | |
Ein Durchschnittsgericht verursacht nach Daten des beteiligten | |
schweizerischen Unternehmens Eaternity rund 1,6 Kilogramm Gramm CO2. | |
Erst wenn eine Speise nur noch halb so viel Treibhausgas „vom Acker bis in | |
die Küche“ mit sich bringt, also höchstens 800 Gramm, dürfen Restaurants | |
ihr Angebot mit dem „KlimaTeller“-Label versehen. Gut für die Klimabilanz | |
ist: regional statt international, frisch statt tiefgekühlt, bio statt | |
konventionell und Freiland statt Treibhaus. Dabei sollten rotes Fleisch wie | |
von Schwein und Kalb und Milchprodukte mit hohem Fettgehalt nicht einmal | |
den Tellerrand berühren – zu klimaschädlich. Innerhalb eines Jahres sollen | |
über eine Million „Klimateller“ auf den Tischen landen und bis zu eine | |
Million Kilogramm CO2-Emissionen einsparen. | |
## Kleine Schritte, aber immerhin nach vorne | |
[3][Zum Vergleich: 2017 hat Deutschland nach Zahlen des Umweltbundesamts | |
rund 900 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen]. Bei einer Million Klimatellern | |
hätte man also etwas mehr als 0,0001 Prozent dieser Treibhausgase | |
vermieden. „Die App ermöglicht zum ersten Mal kleine Schritte“, erwidert | |
Manuel Klarmann von [4][Eaternity] darauf. „Vorher wussten wir vielleicht, | |
dass unser Essen viel Kohlendioxid verursacht, aber wenn nicht klar ist, wo | |
wir anpacken können, wird das Problem schnell zur Seite geschoben.“ Weil | |
jetzt für jeden transparent sei, mit wieviel CO2 welche Zutat zu Buche | |
schlägt, werde es leichter, Emissionen zu reduzieren. | |
Die Webapp ist ein Verbundprojekt von [5][„NAHhaft“], einer gemeinnützigen | |
Organisation, die sich mit zukunftsfähigen Ernährungsstrategien | |
auseinandersetzt, und des Vereins [6][Greentable], der sich für | |
nachhaltiges Essen im Außer-Haus-Markt engagiert. 160.000 Euro | |
Unterstützung bekommt das Projekt von der Bundesregierung und seiner | |
Nationalen Klimaschutzinitiative, die mit der Anwendung Gastronomie und | |
Verbraucher*innen zu klimafreundlichen Speisen motivieren will. | |
Ihren Ursprung hatte die Idee an der Universität Hamburg, wo Studierende | |
die Initiative 2011 ins Leben, damals noch ohne App. Sechs Jahre übernahm | |
NAHhaft das Projekt, weil die Gründer*innen nach dem Abschluss andere Wege | |
gingen. | |
200 Interessenten gibt es schon, Zielmarke von Doreen Havenstein (NAHhaft), | |
Matthias Tritsch (Greentable) und Manuel Klarmann (Eaternity) für 2019 ist, | |
dass 580 Betriebe beim Projekt mitmachen. Vorteilhaft für die Lokale: Wer | |
auf seinen Speisekarten „KlimaTeller“ anbietet, darf mit dem Label werben | |
und bekommt Türsticker, Tischaufsteller und Infomaterial für die Gäste. | |
Für Privatleute kostet das Programm nichts, Gastronomiebetreiber*innen | |
dürfen es zunächst bis Ende des Jahres umsonst nutzen. Danach würde laut | |
Havenstein eine „niedrige dreistellige Summe“ für ein weiteres Jahr | |
anfallen, um die Kosten zu decken. | |
Was die Betreiber*innen bereit wären zu zahlen, soll sich in Gesprächen mit | |
den Projektleuten klären. „Wir möchten zeigen, dass jede und jeder zum | |
Beispiel beim Abendessen im Restaurant oder Zuhause etwas tun kann“, sagt | |
Havenstein, „ohne zusätzlichen Aufwand oder besondere Anstrengung“. | |
Klimaschutz sei nicht auf die Energienutzung oder die Mobilität begrenzt. | |
25 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmu.de/themen/wirtschaft-produkte-ressourcen-tourismus/produkte… | |
[2] https://www.klimateller.de/ | |
[3] https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deuts… | |
[4] https://eaternity.org/?ljs=de | |
[5] https://www.nahhaft.de/ | |
[6] https://www.greentable.de/ | |
## AUTOREN | |
Sinan Recber | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Ernährung | |
Bio-Lebensmittel | |
Peter Tschentscher | |
Ernährung | |
Landwirtschaft | |
Landwirtschaft | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar EU-Bericht zur Biokontrolle: Gut muss noch besser werden | |
Wir sollten Bio kaufen – auch wenn der EU-Rechnungshof Mängel im | |
Öko-Kontrollsystem festgestellt hat. Denn die meisten Produkte sind sauber. | |
Grüne machen Ernst mit Klimaschutz: Endlich Streit um heiße Luft | |
Hamburgs Grüner Umweltsenator Kerstan will schärfere CO2-Reduzierung und | |
ökologische Leitplanken für die Wirtschaft. Bürgermeister Tschentscher | |
(SPD) lehnt das ab. | |
Urteil zu rituellen Schlachtungen: Schmerzhaft sterben ist nicht bio | |
Wenn Tiere nach religiösen Riten ohne Betäubung geschlachtet werden, dann | |
ist das Fleisch nicht bio. Das urteilte jetzt der Europäische Gerichtshof. | |
Studie zur Biolandwirtschaft: Besser für Natur, Wasser und Böden | |
Laut einem Agrarforschungsinstitut hat Ökolandbau viele Vorteile für die | |
Umwelt. Unklar bleibt allerdings, ob die Klimabilanz von Biobetrieben | |
besser ist. | |
Julia Klöckners Klimaplan 2030: Rülpsen und furzen auf dem Index | |
Das Agrarministerium legt Klimaschutz-Vorschläge vor. Beim | |
Umweltministerium ist man nicht unzufrieden. Ein Hauptproblem aber bleibt. | |
Kosten für mangelnden Klimaschutz: Augen zu und Milliarden zahlen | |
Deutschland verfehlt seine Klimaziele, deshalb drohen hohe Ausgaben. Aber | |
weder Parlament noch Finanzministerium geht das Problem an. |