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# taz.de -- Gentrifizierung in Berlin: Pop-up-Erotik statt Bioladen
> Verdränger werden inzwischen selbst verdrängt. Das ist aktuell in der
> Nähe des Rosenthaler Platzes in Berlin zu beobachten.
Bild: Ein Kussmund klebt nun an der Scheibe des früheren Bioladens im Weinberg…
Berlin taz | Sind wir jetzt in eine Phase der Gentrifizierung eingetreten,
die wir nicht mehr verstehen? Zumindest nicht die Älteren, die das
aufgeschnappt haben, was die US-Forschung zuerst in New York beobachtete,
bevor es dann nach Europa schwappte? Zuerst kommen die Pioniere, dann die
Gentrifizierer. Oder anders gesagt: Erst kommt der Bioladen, der den
Kinderladen verdrängt, bevor dann der Bioladen vom Architekturbüro
verdrängt wird?
Das mag im Prenzlauer Berg noch gelten, aber in Mitte gibt es schon länger
andere Regeln. Da werden Restaurants zu Flagshipstores, und in der
Rosenthaler Straße wurde ein Seniorenwohnheim abgerissen, um einem Neubau
mit schicken Wohnungen Platz zu machen. Das Allerneueste aber entsteht im
Weinbergsweg unweit des Rosenthaler Platzes.
Ein Kussmund klebt an der Scheibe, die vor Kurzem noch Einblick gab ins
Innenleben des Bioladens im Weinbergsweg 24. Nun ist der Bioladen weg, an
seiner Stelle gibt es den Kussmund. Rot ist er, der Innenraum dahinter
kobaltblau. Was gibt es in einem Laden mit Kussmund zu kaufen? Oder gibt es
da gar nichts zu kaufen? Warum aber dann ein Laden und keine Facebookseite?
Der Hashtag #heuteliebenwirunsanders klärt dann auf. Ein kleiner Trailer
zeigt, dass Sex heute modern sein kann, und weil das eine Botschaft ist,
die bestimmt auch zum Geschäftsmodell taugt, gibt es dazu den
entsprechenden Kalender. Vertrieben wird er von der Firma Amorelie, einem
Berliner Erotik-Shop. Wo einst Beate Uhse das Geschäft mit Sex noch etwas
schmuddelig so neunzigermäßig verkörperte, vereint der Kussmund dasselbe
Geschäft mit Lifestyle.
Natürlich ist der Kalender nicht das Einzige, das der Erotik-Shop verkauft:
„Die kostenlose Amorelie App ist die perfekte Ergänzung zu deinem
erotischen Adventskalender“, heißt es auf der Website. „Hinter jedem
Türchen findest du liebevoll aufbereitete Anwendungs- und Expertentipps zu
deinen Toys.“
Und dann erscheint da eine Nachricht, die sagt, dass der Kussmund nur ein
Pop-up-Store ist, geöffnet vom 24. bis 30. Oktober. Was für eine schöne
Nachricht. Die neue Phase der Gentrifizierung ist so virtuell wie temporär.
Aber davon kommt der Bioladen auch nicht mehr zurück. Die Gentrifizierung
frisst ihre Kinder.
Oder ist es doch die Gentrifizierung, die die Kinder betreiben?
26 Oct 2018
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Gentrifizierung
Verdrängung
Bio-Supermarkt
Ernährung
Gentrifizierung
Berlin-Kreuzberg
Kolumne Wirtschaftsweisen
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