# taz.de -- Ankunftszentrum Geflüchtete: Noch ein Jahr Hangar | |
> Der Senat möchte ein neues Ankunftszentrum bauen: Doch das kann dauern. | |
> Solange müssen Geflüchtete im menschenunwürdigem Hangar ankommen. | |
Bild: So sah es in den Hangars im Dezember 2015 aus | |
Eigentlich will den Ort niemand. Dennoch gibt es seit zwei Jahren das | |
„Ankunftszentrum“ in den ehemaligen Hangars im Flughafen Tempelhof. Und | |
dort wird die Anlaufstation für Geflüchtete nach taz-Informationen noch | |
mindestens ein Jahr bleiben: Denn das Landesamt für | |
Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und die ihm übergeordnete Sozialverwaltung | |
von Senatorin Elke Breitenbach (Linke) haben sich offenbar dafür | |
entschieden, ein neues Ankunftszentrum zu bauen, statt in ein bestehendes | |
Gebäude umzuziehen. Das erfuhr die taz aus gewöhnlich gut unterrichteten | |
Kreisen. | |
Seit August 2016 wird die ehemalige Flughafenhalle 2 als sogenanntes | |
Ankunftszentrum genutzt. Solche Zentren wurden in Folge des | |
„Flüchtlingssommers“ 2015 und des Umbau des Bundesamts für Migration und | |
Flüchtlinge (Bamf) in allen Bundesländern eingerichtet. | |
In den Hangars werden ankommende Flüchtlinge für die ersten 3 bis 14 Tage | |
untergebracht, bevor sie in reguläre Heime überwiesen werden. Nicht wenige | |
nennen die Unterbringung in „Wohnwaben“, die keinerlei Ruhe und | |
Privatsphäre bieten, menschenunwürdig. Hangar 2 bietet Platz für bis zu 550 | |
Menschen. In dieser Atmosphäre sei es nicht möglich, bemängeln Kritiker, | |
sich auf die alles entscheidende Anhörung beim Bamf vorzubereiten. Zumal | |
diese heutzutage oft schon nach wenigen Tagen stattfindet – und es vor Ort | |
nach wie vor keine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung gibt. Diese | |
aber bezeichnen Kenner des Asylsystems als unabdingbar für ein faires und | |
zügiges Verfahren . | |
Zwar gibt es inzwischen Geld für eine solche Beratung, doch eingerichtet | |
ist sie noch nicht. Auch will Sozialsenatorin Breitenbach den Hangar seit | |
ihrem Amtsantritt im Dezember 2016 schließen. Doch das LAF, so heißt es | |
seither, finde keinen geeigneten Ersatz. | |
## Der geplante Neubau | |
Nun will das Amt einen Neubau hochziehen. Offenbar gibt es schon einen | |
konkreten Ort sowie Voruntersuchungen, dass der Bau innerhalb eines Jahres | |
machbar ist. Geplant ist nach taz-Informationen ein Gebäude mit flexibler | |
Belegung für mehrere hundert Menschen – inklusive Büro- und Wartebereichen | |
für alle Bearbeitungsschritte der Registrierung und Leistungsgewährung. | |
Denn auch diese Aufgaben, die das LAF bisher im zweiten „Ankunftszentrum | |
Bundesallee“ erledigt hat, sollen dort Platz finden – ebenso die | |
Gesundheitsuntersuchung. Die zuständige Senatsverwaltung wollte sich auf | |
taz-Anfrage zu diesen Plänen nicht äußern, einen entsprechenden | |
Senatsbeschluss gibt es dazu noch nicht. | |
Grundsätzlich sei die Idee einer „One-Stop-Agency“ gar nicht schlecht, | |
findet die Grünen-Abgeordnete Bettina Jarasch. Eine Beschleunigung des | |
Asylverfahrens sei zum einen auch im Sinne der Geflüchteten. Zudem könnte | |
bei einem frühzeitigen Gesundheitscheck gegebenenfalls eine besondere | |
Schutzbedürftigkeit oder Traumatisierung festgestellt werden, die für das | |
Asylverfahren relevant sein könnten. „Man kann die Menschen an einem Ort | |
besser versorgen“, so Jarasch. | |
Gleichzeitig brauche es aber auch Ruhe und genug Zeit für eine | |
professionelle, individuelle, frühzeitige und unabhängige Rechts- und | |
Verfahrensberatung, die alle Neuankommenden erreicht – die es bislang im | |
Hangar nicht gibt. Man könne damit aber auch nicht warten, bis ein neues | |
Ankunftszentrum fertig ist. „Wir brauchen bereits jetzt eine Verbesserung | |
der Beratung und die dafür nötigen ruhigen, abgegrenzten Räume“, fordert | |
die Grüne. Spätestens Anfang kommenden Jahres müsse dies im Hangar möglich | |
sein. | |
Auch Christian Lüder von der Organisation „Berlin hilft“ hat prinzipiell | |
nichts gegen ein Ankunftszentrum mit mehreren Funktionen an einem Ort – | |
wenn es nur nicht der Hangar ist. Dass der noch über ein Jahr als | |
Ankunftszentrum bestehen bleiben soll, „damit kann keiner zufrieden sein“, | |
so Lüder zur taz. Dann hätte man die Menschen auch schon vor einem Jahr in | |
das Containerdorf nebenan ziehen lassen können, findet er. Als | |
„Übergangslösung“ sei das allemal besser als die Hangars. | |
Sorgen bereitet Lüder zudem, dass auch am neuen Ort die Leute kaum zur Ruhe | |
kommen werden – selbst wenn es eine unabhängige Beratung geben wird. „Der | |
Asylprozess ist an sich zu schnell“, findet er. Nicht selten kämen Menschen | |
montags in Berlin an und hätten schon Mittwochs ihre Anhörung. | |
Nach Auskunft des Bamf sind inzwischen ein Drittel der Asylverfahren in | |
Berlin sogenannte Direktverfahren – das sind Schnellverfahren, die binnen | |
weniger Tage abgeschlossen sind. | |
## Flüchtlingsrat befürchtet Ankerzentren | |
Noch weiter geht der Flüchtlingsrat in seiner Kritik. Die offenbar geplante | |
Zusammenlegung Berliner Asylbehörden in einer Unterkunft für Asylsuchende | |
„ist ein Riesenschritt in Richtung Ankerzentrum“, findet | |
Flüchtlingsrechtsexperte Georg Classen. „Wir befürchten, dass hier schon | |
die Infrastruktur gelegt wird, falls es eine bundesgesetzliche Vorgabe zur | |
Einrichtung von Ankerzentren geben sollte.“ | |
Die sogenannten Ankerzentren sind eine Idee von Bundesinnenminister Horst | |
Seehofer (CSU). In ihnen sollen Asylbewerber kaserniert werden und alle | |
relevanten Behörden vor Ort sein, was den Prozess des Asylverfahrens | |
beschleunigen soll. Der Senat lehnt – wie die meisten Bundesländer – solche | |
Zentren bislang ab. | |
Gegen die neuen Pläne der Sozialsenatorin argumentiert der Flüchtlingsrat, | |
Polizei-, Asyl-, Ausländer- und Leistungsbehörden dürfen nicht in | |
Unterkünften stationiert werden – damit Geflüchtete wirklich zur Ruhe | |
kommen können. „Es ist zumutbar und funktioniert erfahrungsgemäß bestens, | |
dass die Asylsuchenden diese Behörden mit öffentlichen Verkehrsmitteln | |
aufsuchen“, so Classen. | |
Auch dass man überhaupt eine zentrale Unterkunft für alle Neuankommenden | |
braucht, leuchtet ihm nicht ein. Bis zur Eröffnung des Hangars 2016 seien | |
Neuankömmlinge ja auch in dezentralen Erstaufnahmeeinrichtungen | |
untergekommen. Diese wurden alle von der Arbeiterwohlfahrt betrieben und | |
„dort gab es auch immer eine Asylverfahrensberatung“, erinnert Classen. Auf | |
diesen Weg müsse Berlin zurückkehren. „Es gibt in Berlin keine | |
Unterbringungsnotlage mehr, die den Weiterbetrieb des Hangars auch nur für | |
einen einzigen Tag rechtfertigen könnte.“ | |
26 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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