# taz.de -- Kita-Finanzierung in Bremen: Gutschein oder schlecht sein | |
> Freie Träger fordern, Bremens Kita-Finanzierung nach Hamburger Vorbild | |
> neu zu ordnen – mit Platzpauschalen und Träger-Autonomie anstelle | |
> zentralistischer Struktur. | |
Bild: Bei der Kita-Organisation fehlt Bremen der Durchblick | |
BREMEN taz | Bremens Kindergartensystem soll reformiert werden – diese | |
Forderung haben am Montag Arnold Knigge, der Vorstandssprecher der | |
Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG), und der Leiter | |
des Landesverbandes der evangelischen Kindertagesstätten Carsten Schlepper | |
erneuert. „Wir sind überzeugt, dass wir zügig in die Entwicklung eines | |
neuen Systems der Planung, Finanzierung und Steuerung kommen müssen und | |
können“, sagte der einstige Sozialstaatsrat Knigge. | |
Denn das Bremer System sei schwerfällig und ineffizient: Um eine | |
bedarfsgerechte und flexible Versorgung sicherzustellen, sei es sinnvoll, | |
auf „eine stärkere Autonomie der Träger“ zu setzen. „Die Forderung ist | |
nicht neu“, stellte Schlepper klar, „und es gibt in Hamburg, Berlin aber | |
auch Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, fast überall, gute Beispiele | |
dafür, dass es so besser funktioniert, als hier in Bremen.“ | |
Tatsächlich hält sich die Forderung nach einem anderen Verwaltungssystem | |
für die Kita-Versorgung schon seit Jahren in Bremen: Schlepper und Knigge | |
hatten sie schon vor vier Jahren erhoben, nachdem sich zeigte, dass infolge | |
eines Gutscheinsystems Hamburg den plötzlichen Anstieg der Bedarfe ab 2012 | |
locker in den Griff bekommen hatte, während Bremen exemplarisch im Chaos | |
versank. | |
Letztlich bedeutet das Hamburger Modell, den Durchschnittspreis für einen | |
Kita-Platz zu ermitteln und die individuelleren Bedürfnisse der Kinder, die | |
auf eine Versorgung ab dem ersten Geburtstag einen Rechtsanspruch haben, | |
auch in Pauschalen zu übersetzen. | |
Das Bedürfnis, die Sprachentwicklung zu fördern, aber auch zusätzliche | |
Leistungen, mit denen Härten auszugleichen sind, die beim Aufwachsen in | |
benachteiligten Stadtteilen entstehen können, lassen sich so besser | |
managen. „Dabei ist egal, ob das in einem Zuwendungssystem oder in einem | |
Entgeltsystem geschieht“, sagt Schlepper. Entscheidend ist die | |
Verschlankung des Verwaltungsaufwands. | |
Im Wahlkampf 2015 hatte die Forderung nach einer veränderten | |
Kita-Finanzierung einen Auftritt im CDU-Wahlprogramm. Im Sommer 2016 war es | |
dann Matthias Güldner (Grüne), der ein großes Hearing in der Kinder- und | |
Bildungsdeputation veranstaltete, bei dem Expert*innen aus Hamburg und | |
Berlin erläuterten, dass ein Creming-Effekt – also der Betrieb von | |
Absahner-Kitas in Stadtteilen mit höherem Durschnitts-Brutto – nicht | |
beobachtet wurde, dass die Qualität nicht leidet und auch Eltern-Ini-Kitas | |
im Gutschein-Modell überleben können. „Wir wollen uns auch nicht aus der | |
politischen Steuerung befreien“, versichert Knigge. „Wir wollen, dass die | |
Leitplanung politisch und von der Senatorin vorgegeben wird.“ | |
Trotzdem: Eine parlamentarische Mehrheit hat sich bislang nicht für den | |
Systemwechsel gefunden. Und auch der Senat fühlt sich sicherer mit dem | |
vertrauten zentralistischen Ansatz. Der sieht vor, dass die Einrichtungen | |
ihre Bedarfe in mindestens zwei Anträgen jeweils zum Anfang und Ende des | |
Kita-Jahres glaubhaft machen und für jedes weitere Leistungsmodul über | |
gesonderte Formulare separat vorstellig werden müssen. | |
## Kollabierende Verwaltung | |
„Da werden Kräfte gebunden, um dieses System zu fahren und zu führen, die | |
anderweitig besser eingesetzt wären“, findet Schlepper. „Und wenn wir | |
sagen, das bringt uns ans Limit“, ergänzt Knigge, „dann gilt das für unser | |
Gegenüber erst recht.“ | |
Wohl wahr: Denn nachdem 2016 im hohen, 2017 im niedrigen dreistelligen | |
Bereich Kita-Plätze gefehlt hatten, klaffte diesen Sommer zwar keine | |
Versorgungslücke, dafür aber kollabierte die Verwaltung: Mehr als 3.000 | |
Elternanträge fürs neue Kita-Jahr waren Mitte August noch unbearbeitet. Gut | |
2.000 Altfälle warteten auf Erledigung. Die Senatorin appellierte an ihre | |
Untergebenen, Verwandte zur Mitarbeit zu animieren. | |
Im Wahlkampf wird das Thema eine Rolle spielen: CDU und FDP hatten Anfang | |
des Jahres den Einstieg ins Gutschein-System gefordert, der Grünen | |
Wahlprogramm-Entwurf spricht sich sehr entschieden dafür aus, das | |
erfolgreiche Modell der anderen Stadtstaaten zu kopieren, während Die Linke | |
in ihrem Programm vor einer „Kommerzialisierung der Kita-Landschaft“ warnt. | |
Man wolle „in alle Parteien hineinwirken“, kündigte Knigge an, „und für | |
unser Anliegen werben.“ | |
23 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Kita-Gutschein | |
Kita | |
Bremen | |
Kinder | |
Kita-Gebühren | |
Kita-Gebühren | |
Demografie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kirchliches Arbeitsrecht: Von wegen interkulturell | |
Bremer Erzieher*innen sollen interkulturelle Kompetenzen vermitteln. Beim | |
größten freien Kita-Träger, der evangelischen Kirche, arbeiten nur | |
Christ*innen. | |
Bremer Kitas werden beitragsfrei: Jetzt fehlt nur noch das Personal | |
Der Bremer Senat hat ein Konzept beschlossen, wonach der Kitabesuch wie in | |
Niedersachsen für Drei- bis Sechsjährige künftig beitragsfrei werden soll. | |
Höhe von Kita-Beiträgen: Arme Eltern werden stärker belastet | |
Arme Familien müssen überdurchschnittlich viel an Kita-Gebühren zahlen, | |
zeigt eine Studie. Je nach Wohnort variieren Kita-Gebühren auch stark. | |
Demographin über Bremer Nachwuchs: „Das haben wir nicht kommen sehen“ | |
Die Demographin Eva Kibele vom Landesamt für Statistik erläutert, warum so | |
viele Kita-Plätze fehlen und wieso niemand mit einer steigenden | |
Geburtenrate rechnete. |