# taz.de -- Rüstungskontrollvertrag INF: Die doppelte Nulllösung | |
> Im INF-Vertrag beschlossen Washington und Moskau die Verschrottung | |
> bestimmter Waffen. Er ist der wichtigste Rüstungskontrollvertrag des | |
> Kalten Krieges. | |
Bild: Tauwetter: Ronald Reagan (rechts) und Michail Gorbatschow unterschreiben … | |
Das am 7. Dezember 1987 in Washington von den Präsidenten der USA und der | |
damaligen Sowjetunion, Ronald Reagan und Michail Gorbatschow, | |
unterzeichnete INF-Abkommen ist der militärisch und politisch bedeutsamste | |
Rüstungskontrollvertrag aus der Phase des Kalten Krieges. | |
Denn erstmals vereinbarten Washington und Moskau nicht nur tiefere, | |
zahlenmäßige Obergrenzen für bestimmte Waffensysteme in ihren Arsenalen, | |
sondern die vollständige Verschrottung und das Verbot zweier | |
Waffenkategorien: landgestützte Raketen mit kürzerer (500–1.000 km) und | |
mittlerer (1000–5.500 km) Reichweite, die mit atomaren oder konventionellen | |
Sprengköpfen bestückt werden können. | |
Am 1. Juni 1988 trat der auch als „doppelte Nulllösung“ bezeichnete Vertrag | |
in Kraft, am 31. Mai 1991 war er von beiden Seiten fristgemäß umgesetzt. | |
Bis dahin hatten die USA 844 Raketen verschrottet, darunter die vor allem | |
im damaligen Westdeutschland stationierten Pershing 2 und Pershing 1-A | |
sowie auch in Italien, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien | |
stationierte Marschflugkörper. Die Sowjetunion vernichtete 1.846 Raketen, | |
darunter die 654 auf ihrem Territorium stationierten SS-20 sowie Raketen | |
der Typen SS-3, SS-4,SS-12 und SS-23, die teilweise auch in der DDR, der | |
Tschechoslowakei sowie Anfang der 60er Jahre auf Kuba stationiert waren. | |
Zur Überwachung des INF-Abkommens und seiner Umsetzung räumten sich | |
Washington und Moskau gegenseitig weitreichende Inspektions- und | |
Überprüfungssrechte ein. Das mit dem INF-Abkommen geschaffene Vertrauen | |
zwischen Washington und Moskau ermöglichte nach Ende des Kalten Kriegs auch | |
neue [1][Verträge zur Reduzierung der strategischen Atomwaffenarsenale] | |
(Start) sowie einseitige Abrüstungsmaßnahmen: beide Seiten zogen Tausende | |
atomarer Artilleriegranaten und Kurzstreckenraketen mit Reichweiten bis zu | |
500 Kilometern aus West- und Osteuropa ab. | |
## Russland soll Vertrag verletzt haben | |
Bereits seit 2007 wird in Moskau und Washington zumindest informell der | |
Verdacht geäußert, die andere Seite verletzte das Abkommen. 2014 warf die | |
US-Regierung Russland erstmals offiziell vor, mit der Entwicklung und | |
zwischenzeitlich bereits erfolgten Auslieferung des neuen Marschflugkörpers | |
9M729 mit einer Reichweite von über 500 Kilometern gegen den Vertrag zu | |
verstoßen. | |
Moskau weist diesen Vorwurf zurück mit der Erklärung, dieser | |
Marschflugkörper sei ausschließlich für die Stationierung auf See | |
vorgesehen und falle daher nicht unter das INF-Abkommen. Umgekehrt | |
behauptet Russland, die USA würden mit ihrem von der Nato unterstützen | |
Raketenabwehrsystem gegen das INF-Abkommen verstoßen – konkret mit der | |
bereits erfolgten Stationierung von Abwehrraketen im rumänischen Deveselu | |
und in Polen. | |
Washington versichert hingegen, die landstationierten Startgeräte seien | |
nicht zum Abschuss von Marschflugkörpern vorgesehen. Moskau hält dagegen, | |
dies lasse sich von außen nicht unterscheiden. Weitere Nahrung für diesen | |
Streit dürfte die Entwicklung einer neuen landgestützten | |
Mittelstreckenrakete liefern, für die der US-Kongress in seinem | |
Haushaltsplan für 2018 erste Finanzmittel bewilligt hatte. Unter anderem | |
darauf dürfte sich Präsident Trump bezogen haben mit seiner Ankündigung vom | |
Samstag, die USA würden „diese Waffen entwickeln, bis Russland und China | |
zustimmen, diese Waffen nicht zu entwickeln“. | |
## Neuer Doppelbeschluss möglich | |
Die gegenseitigen Vorwürfe aus Washington und Moskau harren bislang einer | |
Überprüfung. Die Informationen, die die USA den Nato-Partnern bislang zu | |
den behaupteten russischen Vertragsverletzungen vorgelegt haben, sind dort | |
zum Teil auf Skepsis gestoßen. Gemeinsam hat die Nato bislang lediglich die | |
Regierung in Moskau aufgefordert, eine Reihe von Fragen zu dem verdächtigen | |
Marschflugkörpern zu beantworten. | |
[2][Für eine einseitige Aufkündigung des INF-Vertrags durch die USA] zum | |
jetzigen Zeitpunkt gibt es bislang in der Nato kaum Unterstützung. Auf noch | |
weniger Zustimmung dürfte die erneute Landstationierung US-amerikanischer | |
Atomraketen in Europa stoßen, sollte die USA derartige Waffen tatsächlich | |
wieder herstellen. Nicht völlig auszuschließen ist allerdings, dass die | |
Nato wie 1979 erneut einen „Doppelbeschluss“ fasst, indem sie Russland mit | |
der Aufstellung neuer Raketen droht, falls Moskau seine atomaren | |
Rüstungsanstrengungen nicht beendet. | |
22 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Unterzeichnung-des-Start-Vertrags/!5144691 | |
[2] /USA-wollen-Atomwaffenvertrag-kuendigen/!5541008 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
## TAGS | |
Donald Trump | |
USA | |
Russland | |
Atomwaffen | |
Nato | |
Nato | |
INF-Vertrag | |
INF-Vertrag | |
Russland | |
Russland | |
Aufrüstung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vizegeneralsekretärin Gottemoeller: „Die Nato ist nicht gespalten“ | |
Das Verteidigungsbündnis ist von internen Konflikten gebeutelt. Rose | |
Gottemoeller über den INF-Vertrag und die Rolle Trumps im Konflikt mit | |
Moskau. | |
Militärmanöver „Trident Juncture 2018“: Elchtest für die Nato | |
Krieg spielen, aber ökologisch: Beim größten Nato-Manöver seit 28 Jahren | |
soll Stärke demonstriert werden – und Umweltbewusstsein. | |
Kommentar Rüstungspolitik der USA: Trump weckt alte Atomkrieg-Ängste | |
Es droht ein neues Wettrüsten zwischen den USA und Russland. Deshalb | |
braucht Europa dringend eine eigenständige Außenpolitik. | |
Abrüstungsabkommen bedroht: Sorge vor einem neuen Wettrüsten | |
Nach der Ankündigung von Trump, aus dem INF-Abkommen auszusteigen, werden | |
die Hintergründe bekannt. Die EU warnt vor Eskalation. | |
USA wollen Atomwaffenvertrag kündigen: Rückschritt um 30 Jahre | |
Trump wirft Russland einen Verstoß gegen das INF-Abkommen vor. Der Streit | |
über die atomare Abrüstung brodelt seit Jahren. | |
Jahresrede des russischen Präsidenten: Putin rüstet auf | |
In seiner Jahresrede an die Nation stellt der Präsident neue Atomwaffen | |
vor. Der Werbeeffekt vor der Wahl am 18. März wird gerne mitgenommen. | |
30 Jahre „doppelte Nulllösung“: Wird jetzt wieder atomar aufgerüstet? | |
1987 einigten sich Russland und die USA, ihre Atomraketen zu vernichten. | |
Nun könnte US-Präsident Trump den Vertrag aufkündigen. |