# taz.de -- Autokonzerne gegen höhere CO2-Grenzen: Industrie droht wieder mit … | |
> Die Autoindustrie behauptet, wegen der EU-Klimaziele seien Arbeitsplätze | |
> gefährdet. Tatsächlich droht VW, Daimler und BMW nur weniger Umsatz. | |
Bild: Im Umbruch: Autos in Deutschland | |
BERLIN taz | Deutschland droht, Hunderttausenden Arbeitsplätzen in der | |
Automobilindustrie zu verlieren. Das zumindest ist die Botschaft der | |
Fahrzeugbauer. So sagte VW-Chef Herbert Diess via Süddeutsche Zeitung: | |
Sollte der Transportsektor bis 2030 seine CO2-Emissionen um 40 Prozent | |
gegenüber 2021 senken müssen, würden bei VW rund 100.000 Stellen wegfallen. | |
Weil dann bis 2030 über die Hälfte der Neufahrzeuge elektrisch sein | |
müssten. Aber: Für die Produktion von Elektroautos benötigt man weniger | |
Jobs als für Verbrennungsmotoren. | |
[1][Geeinigt hatten sich die EU-Umweltminister am Dienstag zwar auf eine | |
CO2-Senkung von 35 Prozent], doch noch verhandeln darüber Parlament und | |
Kommission. Die Brüsseler Volksvertreter fordern ein Minus von 40 Prozent, | |
die Kommission von 30. Vielleicht geht also noch was nach unten: Deshalb | |
erzählt die deutsche Autoindustrie jetzt im Konzert mit der IG Metall | |
wieder die alte Geschichte vom Klimaschutz, der Jobs killt. | |
Was die Autoindustrie eigentlich umtreibt zeigt sich, wenn man eine zweite | |
Nachricht dieser Woche mit in die Gleichung aufnimmt: | |
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will eine Batteriezellfabrik | |
in der Lausitz mit 1 Milliarde Euro für fördern – wohl auch, um dort den | |
Ausstieg aus der Braunkohle zu erleichtern. Mit dabei sein sollen der | |
Zellenhersteller Varta Microbattery sowie die Kölner Ford-Werke. | |
Warum die Politik so erpicht auf Batteriefabriken ist, hat einen Grund: „In | |
der Zelle steckt extrem viel Know-how, das später die gesamte Batterie | |
ausmacht. Wenn wir die Zusammenhänge nicht beherrschen, dann bleibt der | |
deutschen Industrie bei der Elektromobilität etwas überspitzt gesagt noch | |
die Aufgabe, die Karosserie zu fertigen“, sagt Hans-Martin Henning, | |
Direktor am Fraunhofer ISE in Freiburg. Batterien würden auf absehbare Zeit | |
mindestens ein Drittel des Umsatzes eines Elektrofahrzeugs ausmachen. | |
## „Technologiesouveranität“ | |
Einige Zellfabriken würden bereits ohne deutsche Konzerne gebaut werden, | |
einfach um die Nachfrage in Europa zu decken. Aber das Wissen bleibe dann | |
in anderen Ländern, sagt Henning und verweist auf den chinesischen Konzern | |
CATL, der 2019 eine Batteriefabrik in Erfurt bauen will. Eine Fertigung | |
durch die Deutschen sei jedoch wichtig: „Das ist eine Frage der | |
Technologiesouveranität“, sagt Henning – und begrüßt Altmaiers Pläne | |
explizit. | |
Das Problem der Autoindustrie mit der E-Mobilität ist offensichtlich: Da | |
sie bei der Zellfertigung nicht mitmacht, geht ihr bei E-Autos ein Drittel | |
der Wertschöpfung auf jeden Fall flöten. Das erklärt auch den Widerstand | |
gegen jedes Prozent mehr an CO2-Senkung. Denn das bedeutet, dass bis 2030 | |
die Branche mehr reine Elektroautos oder Hybridfahrzeuge bauen muss – da | |
ist weniger Marge für BMW, Daimler und VW drin. | |
Das Argument der Arbeitsplätze ist vorgeschoben. Zwar kommt etwa das | |
Fraunhofer IEO in einer Studie zu dem Schluss, dass 75.000 Arbeitsplätze in | |
der Antriebstechnik wegfallen könnten, wenn die Europäische Union | |
beschließt, bis 2030 Klimagase im Verkehrssektor um 30 Prozent zu senken. | |
Allerdings ist der Jobeffekt auf die Gesamtwirtschaft nicht mit | |
eingerechnet – auch Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur schaffen | |
Arbeit. | |
Die Kommission hat in ihren Analysen diese Jobs mit einkalkuliert und kommt | |
zu dem Schluss, dass selbst 40 Prozent weniger CO2 netto keine Jobverluste | |
bringen. An der einen Stelle fallen Jobs weg, an anderer entstehen neue. | |
Keine Apokalypse also, nur Strukturwandel. | |
11 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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