| # taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Die unpopulistischste Partei | |
| > Woran liegt der Aufschwung der Grünen? Gängige Erklärungen verweisen auf | |
| > den Hitzesommer, Dirndl oder Anstand. Drei alternative Gründe. | |
| Bild: Die Grünen können vor Kraft kaum laufen: Bayerns Spitzenkandidatin Kath… | |
| Ist es der Hitzesommer, ist es das Dirndl der bayerischen Spitzenkandidatin | |
| Katharina Schulze, ist es der „Anstand“ (Göring-Eckardt) von bisherigen | |
| CSU-Wählern, liegt es daran, dass die Grünen so „konservativ“ geworden si… | |
| – oder warum nähert sich die Partei zumindest in Umfragen wieder Bereichen, | |
| in denen sie schon einmal war, bevor der damalige Fraktionsvorsitzende | |
| Trittin die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2013 vorbereitete, | |
| übernahm und nach einer Niederlage zum „Lindner der Linken“ wurde, der | |
| seine Partei zwang, sich einer Gegenwartsverantwortung zu verweigern? | |
| Zunächst muss man sehen, dass die alten Volksparteien over sind. Einen | |
| Macron haben wir nicht. Lindner hat die Chance verpasst, die FDP in dieser | |
| Lücke zu vergrößern. Die Grünen dagegen scheinen eine klare Strategie zu | |
| haben, sich als Partei der liberalen Gesellschaft zu inszenieren. Ohne | |
| deshalb zu verkennen, dass Umfragen und Wahlen extrem von Stimmungen | |
| geprägt sind, will ich drei Aspekte in die Debatte einbringen, die über | |
| Hitze, Anstand und Dirndl hinausgehen. | |
| 1 Populismusresistenz. Populistische Einstellungen in Deutschland nehmen | |
| laut einer aktuellen [1][Studie der Bertelsmann Stiftung] zu. Wer darauf | |
| steht, wählt AfD. Aber wer als Nicht-Protest-Partei versucht, diese Wähler | |
| abzugreifen (CSU, FDP, Teile der SPD), der verliert auch Leute. Die Grünen | |
| sind die unpopulistischste Partei im Land, und das ist jetzt ihr großes | |
| Plus. | |
| „Die unpopulistische Mitte wird zum neuen Markenkern der Grünen“, heißt es | |
| in der Studie. Damit ist auch klar, wie abwegig die Vorstellung ist, die | |
| Grünen könnten Teil einer populistischen „linken“ Bewegung sein. Für das | |
| brave „Volk“, gegen eine miese „Elite“, „germanosozial“ (Ulf Poscha… | |
| von einer bürgerlichen Moralelite patriarchal angeführt? Das ist kein | |
| Modell für Vertreter einer pluralistischen und liberalen Gesellschaft. | |
| 2 Andere Sprache. Der auffällige Unterschied zwischen der zweiten | |
| Generation und der dritten, aktuellen ist das andere Sprechen. Die | |
| Bundesvorsitzenden Baerbock und Habeck, der grüne Ministerpräsident | |
| Kretschmann, der ohne Amt außergewöhnlich populäre Cem Özdemir, Hessens | |
| beliebtester Politiker Tarek Al-Wazir, die beiden bayerischen | |
| Spitzenkandidaten Schulze und Ludwig Hartmann: Sie alle eint die | |
| Überwindung des spaltenden Sprechens, des Schneidenden, des Krakeelens und | |
| des Kanzelpredigens, letztlich Moralpopulismus, den die zweite Generation | |
| und ihre Epigonen als Tugend und Haltung verstanden wissen wollte. | |
| Das reparative Sprechen markiert einen anderen Blick auf die Welt. Bei | |
| manchen Grünen bekommen auch kulturell weit entfernte Leute am Fernseher | |
| mittlerweile das Gefühl: Der nimmt mich nicht nur ernst, der nimmt mich, | |
| wie ich bin, und versucht, was damit anzufangen. | |
| 3 Vertrauen. Jetzt gibt es klassische Grüne Restmilieus, die reparatives | |
| Sprechen als Verrat empfinden oder ein Verlustgefühl spüren, wenn eine | |
| Mehrheit nicht mehr beim Gedanken erschrickt, dass Al-Wazir oder Hartmann | |
| Ministerpräsident sein könnte. (Dass Schulze das in Bayern mit gestandenen | |
| 33 nicht darf, ist eine skandalöse Diskriminierung mittelalter | |
| Erwachsener.) | |
| Die Frage ist, ob die Partei die Kraft und vor allem die Klasse hat, sich | |
| selbst zu vertrauen. Denn das Vertrauen, das in den letzten Jahren | |
| aufgebaut wurde, basiert auf einem Vertrauen in sich selbst. Dass man es | |
| hinkriegt, sich in der bösen Welt auf andere Kulturen und Positionen | |
| wirklich einzulassen, sich dadurch selbst zu verändern und genau dadurch | |
| etwas hinzukriegen. Durch eigene Veränderung, nicht durch Starre. | |
| 13 Oct 2018 | |
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| [1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2018/oktob… | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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