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# taz.de -- Dämmung von Gebäuden: Bitte woanders nisten
> Die Zugvögel fliegen gen Süden. Kommen sie wieder, gibt es weniger
> Brutplätze. Weil beim Sanieren von Häusern Platz für Nester zerstört
> wird.
Bild: Tschüüüs, bis nächstes Jahr: Diese Kraniche nisten zum Glück nicht a…
Wer Glück hat, kann sie gerade beobachten: riesige Schwärme von Kranichen,
die auf ihrem Weg nach Südspanien in Deutschland rasten. Während die Tiere
bevorzugt in Sümpfen und Mooren leben, ziehen auch Vögel in ihre
Winterquartiere, die sich gern mit dem Menschen ein Haus teilen:
Mauersegler und Hausrotschwänze etwa, die oft an Gebäuden nisten, gehören
ebenfalls zu den Zugvögeln und verlassen ihre Brutplätze.
Erst dann dürfen Hausbesitzer, die ihre Gebäude sanieren wollen, mit den
Arbeiten beginnen. Denn viele Gebäudenister stehen unter Artenschutz,
weshalb Altbauten während der Brutzeit nicht gedämmt werden dürfen. Doch
selbst wenn das Haus danach saniert wird, gehen Nischen und Hohlräume und
damit Brutplätze für die Vögel verloren. Speziell, wenn
Wärmedämmverbundsysteme eingesetzt werden.
Ähnlich wie bei den Windenergieanlagen geht es auch hier um Artenschutz
versus Klimaschutz. Und eigentlich gibt es relativ einfache Lösungen.
„Inzwischen sind Bauelemente auf dem Markt, die in die Fassade integriert
werden können“, sagt Eric Neuling, Referent für Vogelschutz beim
Naturschutzbund Nabu. Nisthilfen etwa, die bündig in Dämmung oder Fassade
verbaut, und solche, die ohne Eingriff in die Dämmschicht vor die Außenwand
gehängt werden können. Bei der Integration in die Wand kann die Dämmwirkung
reduziert werden, bei unbeheizten Dachgiebeln beispielsweise wäre das aber
kein Problem.
## Software kann kein Vogelschutz
Trotz eines breiten Angebots tun sich die Planer aber oft noch schwer,
diese Bauelemente einzusetzen. Auch aus einem ganz banalen Grund: „Die
Produkte fehlen noch in den entsprechenden CAD-Programmen“, sagt Neuling,
also in digitaler Konstruktionssoftware. Deswegen würden viele Architekten
sie ungern verbauen. „Wir arbeiten darauf hin, dass die Software
entsprechend ergänzt wird.“
Das vielleicht noch größere Problem sei das fehlende Wissen bei allen
Beteiligten, sagt Magnus Wessel, Leiter Naturschutzpolitik beim Bund für
Umwelt und Naturschutz (BUND). Häufig würden die Brutstätten bei einer
Altbausanierung unwissentlich und unbemerkt zerstört. Der BUND schätzt,
dass bundesweit auf diese Weise jährlich Zehntausende von Brutmöglichkeiten
verloren gehen. Er hat deshalb ein Praxishandbuch für Planer, Handwerker
und Bauherren mit dem Titel „Artenschutz bei Gebäudesanierungen“
herausgebracht.
Denn die Rechtslage ist eindeutig: Durch das Bundesnaturschutzgesetz sind
Gebäudebrüter streng geschützt. Gibt es ein übergeordnetes Interesse, wie
etwa eine Sanierung zur Energieeinsparung, muss die Aktion außerhalb der
Brutzeit stattfinden, in unmittelbarer Nähe müssen zudem neue Lebensstätten
geschaffen werden. Zu beachten ist dabei, dass die Tiere in der Regel
Koloniebrüter sind, dass an einem Alternativstandort also stets mehrere
Brutstätten angelegt werden müssen.
## Geld nur gegen Artenschutz
In der Praxis kontrolliert niemand, ob bei einer Sanierung Habitate
zerstört werden. Wessel fordert daher, dass staatliche Fördergelder zur
Wohnraumsanierung nur noch ausgezahlt werden, wenn eine
artenschutzrechtliche Prüfung vorliegt. Diesen Vorstoß unterstützt auch das
Bundesamt für Naturschutz, denn nur so könne das in diesem Punkt
grundsätzlich ausreichende Naturschutzrecht endlich in der Praxis umgesetzt
werden.
Einer der wenigen Architekten, die sich um dieses Thema verdient gemacht
haben, ist der Münchener Balthasar Hechenbichler. Seit er einmal einen
Mauersegler in einem Haus entdeckte, das es zu sanieren galt, ist er dafür
sensibilisiert. Er schreibt Fachbeiträge und hält Vorträge. „Artenschutz
und Wärmedämmung sind kein Widerspruch“, sagt Hechenbichler. Auch Kosten
seien kein Argument: „Artenschutz kostet nicht viel, wenn er rechtzeitig
eingeplant wird.“ Versäume man das, könne es teuer werden, etwa wenn ein
Baustopp verhängt oder Bußgeld fällig wird. Was Hechenbichler immer wieder
auffällt, ist der alltägliche Widerspruch: „Die Menschen wundern sich, dass
Vögel seltener werden, doch selbst in der Ausbildung von Architekten ist
der Artenschutz bislang kein Thema.“
Wie wenig die Verantwortlichen sensibilisiert sind, wird auch deutlich,
wenn man die Architektenverbände – davon gibt es mehrere – direkt
anspricht. Die nämlich können zu der Frage, wie Gebäudebrüter besser
geschützt werden können, zumeist gar nichts sagen. „Nicht unser Thema“,
heißt es dann. Oder auch: „Wir können bei dieser sehr speziellen Frage
nicht wirklich weiterhelfen.“ Einer der Verbände empfiehlt sogar, man möge
sich für Informationen doch an den Nabu wenden. Als sei die Planung von
Gebäuden das Metier eines Umweltverbandes.
18 Oct 2018
## AUTOREN
Bernward Janzing
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Vogelschutz
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