| # taz.de -- Krankenhauskonzerne kaufen Arztpraxen: Kaufrausch im Gesundheitswes… | |
| > Immer mehr profitorientierte Konzerne kaufen sich in die ambulante | |
| > Gesundheitsversorgung ein. Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg will | |
| > nun gegensteuern. | |
| Bild: Was wird aus Praxen, wenn der Arzt in Ruhestand geht? Vielleicht das Vers… | |
| Hamburg taz | Droht die ambulante medizinische Versorgung in Hamburg in die | |
| Hände von Großunternehmen und Klinikkonzernen zu fallen? Das befürchtet die | |
| Kassenärztliche Vereinigung und will deshalb künftig selbst Arztpraxen | |
| aufkaufen. | |
| Walter Plassmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung | |
| Hamburg, befürchtet, dass Finanzinvestoren und Krankenhauskonzerne nicht | |
| die ambulante Versorgung in den Vordergrund stellen. Es gehe ihnen um | |
| Rendite. „Krankenhäuser vertreten Krankenhaus-Interessen. Übernimmt ein | |
| solcher Konzern eine Praxis, ist diese nicht mehr auf die ambulante | |
| Versorgung ausgerichtet“, sagt Plassmann. Stattdessen werde sie zur „Vorhut | |
| für die Krankenhäuser“ und leite ihnen die passenden Patienten zu. | |
| Ein Beispiel für so einen Krankenhauskonzern sei Asklepios in Hamburg. Die | |
| Asklepios MVZ Nord GmbH hat aktuell zwölf Standorte in Hamburg, drei | |
| weitere in Elmshorn, Norderstedt und Uetersen. | |
| „Hinter jedem Medizinischen Versorgungszentrum, das Asklepios betreibt, | |
| steht eine früher durch einen niedergelassenen Arzt betriebene Praxis“, | |
| sagt Plassmann. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gibt es seit einer | |
| Gesetzesnovelle von 2004. Sie sollen eine interdisziplinäre ambulante | |
| Versorgung gewährleisten. | |
| ## Praxen als Patientenköder? | |
| Doch nicht nur Ärzte dürfen die MVZ betreiben, sondern auch Krankenhäuser | |
| und Dialysedienstleister. Damit erhalte eine Gruppe Zugang zum ambulanten | |
| Versorgungssystem, die im Zweifelsfall Profite in den Vordergrund stellt, | |
| so Plassmann. „Es besteht die Gefahr, dass die ambulante Versorgung nicht | |
| nur teurer, sondern auch schlechter wird, weil lukrative Behandlungen in | |
| den Fokus genommen werden und andere Leistungen nicht mehr angeboten | |
| werden.“ | |
| Asklepios kann diese Einschätzung nicht nachvollziehen, sagt ein Sprecher | |
| gegenüber der taz. „Es fehlen jegliche Hinweise, die diese Kritik | |
| untermauern.“ | |
| Welche Auswirkungen das Mitmischen der Konzerne im ambulanten | |
| Gesundheitssystem hat, ist tatsächlich nicht ganz klar. Ulrich Montgomery, | |
| Präsident der Bundesärztekammer, forderte auch deshalb im Deutschen | |
| Ärzteblatt „eine wissenschaftliche Beantwortung der Fragen, wer die | |
| eigentlichen Profiteure dieser Entwicklungen sind und wie sich | |
| Profitstreben, Kettenbildung und regionale Konzentration auf die | |
| Patientenversorgung auswirken“. Auch die Politik müsse handeln und sich die | |
| ändernden Verhältnisse in der ambulanten Versorgung genauer ansehen. | |
| ## Investoren im ambulanten Gesundheitswesen | |
| Die Kritik an den Investoren im ambulanten Gesundheitswesen ist nicht neu. | |
| 2012 hat der Gesetzgeber die Gruppe möglicher MVZ-Betreiber deshalb bereits | |
| nachträglich eingeschränkt und Heil- und Hilfsmittelerbringer, | |
| Rehaeinrichtungen und Apotheker ausgeschlossen. | |
| Laut Deutschem Ärzteblatt wurden 2017 trotzdem so viele | |
| Gesundheitseinrichtungen von Private-Equity-Gesellschaften übernommen wie | |
| noch nie zuvor. Private-Equity-Gesellschaften sammeln privates Kapital und | |
| investieren es. Ein Schwerpunkt der Investitionen liege bei den MVZ. | |
| „Ein verstärktes Interesse von Investoren beobachten wir insbesondere in | |
| technik- und kapitalintensiven Facharztdisziplinen wie zum Beispiel | |
| Labormedizin oder bei Dialyseeinrichtungen“, sagte Jessica Hanneken, | |
| Abteilungsdirektorin Gesundheitsmärkte und -politik der Deutschen | |
| Apotheker- und Ärztebank, zum Deutschen Ärzteblatt. Auch Radiologie, | |
| Augenheilkunde und zuletzt Dermatologie und der Pflegebereich seien bereits | |
| in den Blick der Investoren geraten. | |
| ## Preise im sieben- oder achtstelligen Bereich | |
| Der Ursprung des Problems liege darin, so Plassmann, dass es früher mehr | |
| Partnerschaften in den Arztpraxen gab. Sei ein Partner in den Ruhestand | |
| gegangen, so hätten die Partner deren Anteile übernommen. Heute seien immer | |
| mehr Ärzt*Innen bei niedergelassenen Ärzt*Innen angestellt. | |
| Tatsächlich steigt die Zahl der angestellten Ärzt*Innen laut Ärztestatistik | |
| der Bundesärztekammer kontinuierlich an. Das Angestelltenverhältnis ist | |
| unter anderem besonders attraktiv, weil es flexible Teilzeitarbeit | |
| ermöglicht. | |
| Die direkte Nachfolge für einen niedergelassenen Arzt oder Ärztin fehle | |
| jedoch, wenn er oder sie nur Angestellte hat, sagt Plassmann. Gehe der Chef | |
| oder die Chefin in Rente, würde er oder sie die Praxis natürlich gerne zu | |
| einem gewissen Preis abgeben wollen. „Der Preis für eine gut laufende | |
| Praxis kann schon mal im sieben- oder achtstelligen Bereich liegen“, sagt | |
| Plassmann. Ein Betrag, den niemand einfach so zahlen könne – außer eben | |
| finanzstarke Investoren oder Konzerne. | |
| ## Die KV will selbst Praxen kaufen | |
| Damit die Hamburger Kassenärztlichen Niederlassungen nicht diesen | |
| Investoren in die Hände fallen, will die Kassenärztliche Vereinigung selbst | |
| tätig werden. Die Idee sei, die Praxen zu kaufen und so zuzuschneiden, dass | |
| sie für interessierte Ärzt*Innen erschwinglich seien, sagt Plassmann. | |
| Finanzieren wolle die KV den Praxiskauf durch einen bestehenden Fonds, in | |
| den unter anderem Ärzt*Innen einzahlen. So könnten beispielsweise aus einer | |
| Praxis mit sechs angestellten Ärzt*Innen drei kleinere Praxen mit je zwei | |
| Ärzt*Innen werden. „Wir bereiten das intern gerade vor“, sagt Plassmann. | |
| „Die Spielregeln müssen genau festgelegt werden.“ | |
| Grundlage sei außerdem eine Gesetzesänderung. Bisher darf die | |
| Kassenärztliche Vereinigung nur dort Praxen kaufen, wo Unterversorgung | |
| herrscht. Das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) würde das | |
| laut Plassmann ändern. Ein entsprechender Entwurf hat bereits das | |
| Bundeskabinett passiert. | |
| 8 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Marthe Ruddat | |
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