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# taz.de -- Medizinische Versorgungszentren: Die Rückkehr der Poliklinik
> Es gibt immer mehr Medizinische Versorgungszentren. Für Ärzte sind sie
> attraktiv wegen geregelter Arbeitszeiten und niedriger Kosten. Kritiker
> fürchten, dass andernorts Unterversorgung droht.
Bild: Attraktiv für Ärzte: Das Medizinische Versorgungszentrum Lornsenstraße…
Nach der Wende hatten Bundesregierung und Kassenärztliche Vereinigung die
in der DDR etablierten Polikliniken gnadenlos eingestampft, um die Ärzte
auf den Kurs der Einzelpraxis zu bringen. Seit der Gesundheitsreform erlebt
das vergessen geglaubte Modell unter dem Namen Medizinisches
Versorgungszentrum (MVZ) bundesweit eine Renaissance.
Überraschenderweise steigt die Zahl der zugelassenen MVZ rasant an. Einst
als ideologisches Überbleibsel des Ostens verpönt, gibt es mittlerweile
weit über 1.000 Nachfolgeeinrichtungen der Poliklinik. Niedersachsen
rangiert mit 113 MVZ sogar auf Platz drei im bundesweiten Vergleich.
Kritiker fürchten sich vor einer übermäßigen Konzentration von Ärzten und
vor dadurch entstehenden längeren Wegen für die Patienten. Besonders in
Flächenländern sei dies eine beunruhigende Entwicklung. Das Gegenteil sei
der Fall, sagt Uwe Köster von der KV Niedersachsen. "Bei uns werden Ärzte
nicht von den Flächen weggezogen". Der Großteil der in MVZ arbeitenden
Ärzte seien schließlich angestellte Mediziner. Diese hätten sich ganz
bewusst für die neue Versorgungsform und gegen die teure Selbständigkeit
entschieden. Vor allem Frauen nutzen die Vorteile des
Angestelltenverhältnis, um sich die Möglichkeit einer Babypause offen zu
lassen, sagt Köster.
In Hamburg gibt es derzeit 33 MVZ, in denen meist Ärzte verschiedener
Fachrichtungen mit medizinischen Laboren zusammenarbeiten. Im "Atriomed" im
Stadtteil Winterhude etwa arbeiten unter anderem Gynäkologen, Orthopäden,
Neurologen und Kinderärzte unter einem Dach. Die KV Hamburg ist allerdings
skeptisch: "Das Atriomed vernichtet Versorgung", sagte der stellvertretende
Vorsitzende, Walter Plassmann, vor wenigen Tagen. Angeblich zögen die
Betreiber Arztsitze aus Stadtteilen ab, in denen es eine
unterdurchschnittliche Versorgung gebe, und verlegten diese in das besser
ausgebaute "Atriomed" in Winterhude.
"Wir haben anhand der Abrechnungen bemerkt, dass das Atriomed nur 40
Prozent der Patienten versorgt wie zuvor die Ärzte, deren Praxen das MVZ
übernommen hat", bestätigt eine KV-Sprecherin. Anstatt die weiter
entfernten MVZ aufzusuchen, gingen die zurückgebliebenen Patienten oft zu
Ärzten in ihrer Nähe. Das sei in schlecht versorgten Gebieten fatal, sagt
die Sprecherin. "Die sowieso vollen Praxen bersten dann auseinander".
Atriomed-Standortmanager Tillmann Halbuer versteht die Aufregung der
Kassenärztlichen Vereinigung nicht. Praxen aufzukaufen, um Zulassungen zu
erwerben, sei ein "übliches Geschehen", wolle man ein Versorgungszentrum
eröffnen. "Und das konnten wir natürlich nur an einen Standort stellen",
sagt Halbuer. Für die Unterversorgung in einigen Stadtteilen sei das MVZ
nicht verantwortlich. Obwohl die KV Hamburg die für manchen Patienten
weiten Wege kritisiert, weiß sie doch auch um die Vorteile des
Poliklinik-Revivals. Allein der finanzielle Anreiz lockt viele Ärzte in das
Angestelltenverhältnis. Anstatt in teure Instrumente zu investieren, teilen
sich die Mitarbeiter eines MVZ die Gerätschaften. Träger der Einrichtungen
sind entweder Ärzte, die sich als Inhaber zusammenschließen, oder andere so
genannte Leistungserbringer des Gesundheitswesens. In der Regel sind dies
Krankenhäuser.
Wegen der großen Dichte an Fachärzten spart sich der Patient viele Wege.
Bei einer Überweisung kann er noch im MVZ zu dem gewünschten Mediziner
gehen. Unnötige Doppeluntersuchungen werden dadurch vermieden. "In
Niedersachsen hat sich das Modell des Medizinischen Versorgungszentrums
bereits bewährt, die Zulassungen nehmen sogar überproportional zu", sagt
Uwe Köster. Das MVZ, so der Sprecher, habe Zukunft.
11 Mar 2009
## AUTOREN
Uta Gensichen
Uta Gensichen
## TAGS
Kassenärztliche Vereinigung
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gestalten zu können.
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