| # taz.de -- Ärztekammerchef über Kommerz: „Wir müssen lauter reden“ | |
| > Der neue Ärztekammer-Präsident Pedram Emami spricht über die | |
| > Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und das Aufbegehren von | |
| > Ärzt*innen. | |
| Bild: Findet, dass Geld über medizinischem Sachverstand steht: Pedram Emami | |
| taz: Herr Emami, Sie sind Neurochirurg und Vorsitzender des Marburger | |
| Bundes Hamburg. Jetzt sind sie auch noch Präsident der Hamburger | |
| Ärztekammer. Waren Sie bisher nicht ausgelastet? | |
| Pedram Emami: Eigentlich wollte ich ja nur Arzt sein. Ich fand aber | |
| schnell, dass innerhalb unseres ärztlichen Systems vieles nicht richtig | |
| funktioniert. Deshalb habe ich mich engagiert und bin so zur Berufspolitik | |
| gekommen. Und wenn einer zu laut „hier“ ruft, dann wird er auch öfter | |
| verpflichtet. Insofern war es nur die logische Konsequenz, dass ich das | |
| dann auch durchziehe. | |
| Ihr Vorgänger Frank Ulrich Montgomery war 20 Jahre im Amt. Wie groß sind | |
| die Fußstapfen, in die Sie treten? | |
| Ich versuche das auszublenden, weil es wirklich große Fußstapfen sind. Mit | |
| allem anderen würde ich mir einen emotionalen Klotz ans Bein binden, was | |
| für die Arbeit nicht nötig ist. Mit der Wahl zum Ärztekammerpräsidenten | |
| habe ich einen großen Kredit bekommen und sehe einfach zu, dass ich damit | |
| etwas anfange. | |
| Was werden denn Ihre ersten Aufgaben sein? | |
| Damit wir nach außen hin glaubwürdig funktionieren können, müssen wir | |
| innenpolitisch das eine oder andere bewegen. Für mich steht im kommenden | |
| Jahr die Frage an, wie wir mit der ärztlichen Weiterbildung umgehen und die | |
| neuen Regelungen in Hamburg etablieren. Die andere Frage ist, wie wir | |
| Ärztinnen und Ärzte der Zukunft im Angesicht neuer Möglichkeiten | |
| praktizieren. | |
| Und worum geht es in Sachen Außenpolitik? | |
| Das ist die Stelle, wo überall der Schuh drückt, über die alle reden: die | |
| Frage, in welche Richtung sich das Gesundheitswesen vor dem Hintergrund des | |
| Kostendrucks gerade entwickelt und wie viel Kommerz in die Medizin | |
| einziehen darf. | |
| In Hamburg gehört ein Großteil der Krankenhäuser Asklepios. Der Konzern | |
| kauft mittlerweile auch Arztpraxen auf. Wie viel Kommerz darf denn | |
| einziehen? | |
| Wir haben die besondere Situation, dass wir als Stadtstaat viele Dinge auf | |
| einem Fleck haben. In einem Flächenland ist das für die Menschen nicht so | |
| sichtbar, wie wenn ein Unternehmen in einer Stadt plötzlich mehrere | |
| Einrichtungen betreibt. Um so wichtiger ist es, dass wir in dieser | |
| Situation das Problem der Marktentwicklung im Medizinbetrieb auch | |
| beobachten. | |
| Wir müssen uns also mit der Kommerzialisierung abfinden? | |
| Wir können nicht die Zeit zurückdrehen und wieder alles so machen wie in | |
| den Achtzigern. Die Frage ist, wie wir mit dem Status quo umgehen und dabei | |
| garantieren, dass die Menschen bestmöglich versorgt sind. Das setzt aber | |
| voraus, dass wir geplante Entwicklungen ehrlich und öffentlich diskutieren. | |
| Und das ist in erster Linie eine Frage des politischen Willens. | |
| Wie meinen Sie das? | |
| Die Frage ist doch, ob der Politik überhaupt bewusst ist, dass sie in ein | |
| eigentlich planwirtschaftliches System plötzlich Konkurrenzelemente wie im | |
| freien Markt eingeführt hat, was die perverse Entwicklung ausgelöst hat, | |
| dass monetärer Druck über dem medizinischen Sachverstand steht. Wenn die | |
| Politik bereit ist zu erkennen, was das für eine Fehlentscheidung war, dann | |
| wird auch der Wille da sein, etwas zu ändern. | |
| Was ist Ihre Rolle dabei? | |
| Ich möchte mich und die Kammer als Initiatoren einer solchen Diskussion | |
| sehen. Und wenn die Menschen entschieden haben, wie es in Zukunft laufen | |
| soll, dann ist es wichtig, dass wir uns mit konkreten Vorschlägen bei der | |
| Gestaltung einbringen. | |
| Sehen Sie auch die Ärzteschaft in der Verantwortung, sich mehr zu | |
| engagieren? | |
| Absolut. Wir müssen lauter reden und sagen, dass es so nicht geht. Gerade | |
| haben viele Ärzt*innen einen ersten wichtigen Schritt gemacht, indem sie an | |
| die Institution der Selbstverwaltung herangetreten sind und kommuniziert | |
| haben, was falsch läuft. | |
| Sie meinen den Brandbrief der Ärzt*innen der Asklepios-Klinik St. Georg, in | |
| dem sie die prekäre Personalsituation angeprangert haben. Haben Sie | |
| Hoffnung, dass sich die Situation der Ärzt*innen langfristig verbessert? | |
| Ich sage es mal vorsichtig: Zumindest sind die ersten Signale zur | |
| Gesprächsbereitschaft seitens Asklepios da. Das ist ja schon mal viel mehr, | |
| als in den letzten Jahren passiert ist. Jetzt müssen wir gucken, was wir | |
| daraus machen. Ich glaube, es muss in das Bewusstsein der Führungsetagen | |
| durchdringen, dass es am Ende auch für die Kliniken nicht gut ist, wenn sie | |
| drittklassige Leistungen erbringen. Am Ende geht das zu Lasten der | |
| Patientinnen und Patienten und wenn die das merken, dann werden sie dort | |
| nicht mehr hin wollen. | |
| Aber in Hamburg haben die Patient*innen kaum die Möglichkeit, auf | |
| Krankenhäuser auszuweichen, die nicht in Asklepios-Hand sind. | |
| Das ist richtig. Genau deswegen müssen wir an den Stellen, an denen es | |
| nicht richtig läuft, durch permanentes Nachbohren versuchen, etwas zu | |
| erreichen. | |
| Pflegekräfte machen ihren Protest durch Volksinitiativen oder | |
| Demonstrationen sichtbar. Tut sich die Ärzteschaft schwerer, auf Missstände | |
| aufmerksam zu machen? | |
| Ganz neu sind solche Proteste wie jetzt in St. Georg nicht. Als Mitte der | |
| 2000er die arztspezifischen Tarifverträge eingeführt wurden, haben wir | |
| recht laut demonstriert. Aber es stimmt: Seitdem ist es ruhig geworden. Ich | |
| glaube, das liegt auch ein bisschen am Selbstverständnis von uns Ärzten, | |
| das auch durch die Arbeit genährt wird. Viele denken, dass es einen | |
| Widerspruch gibt zwischen dem Vertreten der eigenen Interessen und dem Wohl | |
| der Patienten. Aber diese klare Trennlinie gibt es ja nicht. Wenn es mir | |
| nicht gut geht, dann kann ich den Patienten auch nicht richtig helfen. | |
| Pflegekräfte befinden sich doch in der gleichen Situation. | |
| Ich glaube, viele Ärztinnen und Ärzte haben auch Angst, sich zu Wort zu | |
| melden, wenn sie sich in einem Angestelltenverhältnis befinden. Da geht es | |
| um Vertragsverlängerungen und auch die Genehmigung von Weiterbildungen. | |
| Und die Angst vor Klagen? | |
| Auch das. Deshalb ist es wichtig, dass alle wissen, dass sie sich bei | |
| Problemen im Arbeitsverhältnis an die Ärztekammer wenden können und wir uns | |
| für sie stark machen beziehungsweise gern behilflich sind bei der Suche | |
| nach den richtigen Ansprechpartnern. | |
| Wie wollen Sie die verschiedenen Interessen innerhalb der Ärzteschaft und | |
| der Klinikbetreiber unter einen Hut kriegen? | |
| Das funktioniert ja nur zusammen. Politik, egal ob Standespolitik oder | |
| andere Politik, bringt es naturgemäß mit sich, dass debattiert und | |
| diskutiert wird. Als Kammerpräsident habe ich natürlich eine exponierte | |
| Position. Was ich als meine persönliche Meinung kundtue, kann als die | |
| Meinung der Delegierten missverstanden werden. Das werde ich versuchen zu | |
| vermeiden, es wird mich aber nicht daran hindern, meine Meinung zu sagen. | |
| Bei all dem Diskurs dürfen wir aber nicht vergessen, wo das Ganze hinführt: | |
| Egal was wir machen, am Ende spürt die Patientin oder der Patient die | |
| Auswirkungen. Wir hätten gar keine Daseinsberechtigung, wenn es keine | |
| Patienten gäbe. | |
| 1 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Marthe Ruddat | |
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