# taz.de -- Israelisches Filmfestival in Hamburg: „Nicht nur Nahostkonflikt“ | |
> Das israelische Festival „Seret“ hat am Wochenende erstmals einen Ableger | |
> in Hamburg. Was es zu sehen gibt erzählt Andreas Brämer vom Jüdischen | |
> Filmclub. | |
Bild: Ein Filmemacher leistet Sozialarbeit in einem Jugendclub in einem sozial … | |
taz: Herr Brämer, für Unbeleckte: Was ist „Seret“? | |
Andreas Brämer: Seret ist erst mal ein hebräisches Wort: „Film“. Und so | |
heißt ein Film- und TV-Film-Festival, das es seit einigen Jahren an | |
unterschiedlichen Standorten gibt; ursprünglich waren das London und | |
Amsterdam, das hängt auch mit den Organisatorinnen zusammen: Drei | |
israelische Frauen … | |
… Patty Hochmann, Anat Koren und Odelia Haroush … | |
.. die aber, glaube ich, zurzeit alle in europäischen Ländern ihren | |
Wohnsitz haben. Es gibt dann noch den Standort Santiago de Chile, seit | |
einigen Jahren gastiert das Festival auch [1][in Berlin], und seit 2017 | |
finden einzelne Veranstaltungen in München und Köln statt. | |
Und nun in Hamburg. | |
Ich hatte Kontakt mit der israelischen Botschaft, zum Kulturattaché, | |
eigentlich wegen des „Jüdischen Filmclubs“, den wir seit 2012 hier | |
veranstalten und der in diesem Jahr eine gewisse Förderung von der | |
Botschaft bekommt. Wir haben das 70-jährige Bestehen des Staates Israel zum | |
Anlass genommen, 2018 ausschließlich israelische Spielfilmproduktionen zu | |
zeigen. | |
Was in anderen Jahren anders war. | |
Wir zeigen Filme aus der ganzen Welt – aber immer schon mit einem Fokus auf | |
israelische Produktionen: Das ist ja ein kleines Land, in dem aber eine | |
beeindruckende Zahl von hervorragenden Filmen entsteht. In diesem Jahr | |
haben wir eben an vier Terminen vier im Programm. Aber wir haben im | |
Filmclub bisher kaum den naheliegenden, den „Nahost“-Konflikt gezeigt – um | |
darauf hinzuweisen, dass in Israel auch ganz andere Geschichten erzählt | |
werden und andere Konfliktlinien verlaufen. | |
Noch mal zu Seret … | |
Genau, aus der Botschaft kam der Hinweis auf Seret, und ob man nicht ins | |
Gespräch kommen könnte. Odelia Haroush und Patty Hochmann waren dann in | |
Hamburg, und wir sind überein gekommen: Das ist eine gute Idee. Nun müssen | |
wir mal sehen, wie gut es läuft. | |
Was läuft denn nun genau? | |
Wir haben zwei spannende Filme ausgewählt, „The Cousin“ und „Doubtful“. | |
Ursprünglich sollten es übrigens zwei andere sein – aber die haben | |
inzwischen einen regulären Verleih gefunden. Die kommen also demnächst ganz | |
normal in deutsche Kinos, und damit fallen sie aus dem Festival raus. Was | |
insofern schade ist, als einer davon sogar in Hamburg gedreht worden ist. | |
Aber was wir nun stattdessen zeigen, ist auch sehr schön. | |
Nämlich? | |
„[2][The Cousin“] hat etwas komödienhaftes, erzählt aber eine ernste | |
Geschichte: Ein arabischer Handwerker soll Ausbesserungsarbeiten machen bei | |
einem jüdischen linksliberalen Intellektuellen. Dann wird ein Mädchen | |
belästigt – und der Handwerker steht unter Verdacht. Er hat aber mit der | |
Sache nichts zu tun, ganz im Gegenteil. Eine interessante Art und Weise, | |
wie in dieser Geschichte der arabisch-jüdische, der | |
palästinensisch-israelische Konflikt verarbeitet wird. Der Film vermittelt | |
zugleich eine universelle Botschaft: Wir alle haben Vorurteile, aber es | |
geht darum, wie wir damit umgehen. | |
Und der zweite Film? | |
„[3][Doubtful“] ist eine wunderbare frühe Arbeit eines jungen Regisseurs, | |
Eliran Elya, der wohl auch etwas von seiner eigenen Biografie verarbeitet | |
hat: Ein Filmemacher soll, weil er einen Unfall verursacht hat, | |
Sozialstunden ableisten, in einem Brennpunkt, in einer Art Jugendclub: Den | |
Jugendlichen dort gibt er Kameras, mit denen sie ihren eigenen Alltag | |
festhalten sollen. Was er dadurch erreichen will, ist schwer zu sagen: Sie | |
sollen lernen, ihr Leben in den Griff zu kriegen und die eigene Kreativität | |
zu entdecken. Unsere Sehgewohnheiten verleiten uns zu der Hoffnung, dass | |
sich alles zum Guten wenden wird – es kommt aber anders. | |
Was mögen Sie daran? | |
Beide Filme sind auf ihre jeweils eigene Art höchst ungewöhnlich. Zudem | |
verhandeln sie Geschichten, die zwar in einen israelischen Kontext | |
eingebettet sind und uns also sehr viel über das Land und seine Menschen | |
mitteilen, zugleich aber zum Nachdenken auch über die eigene Lebenswelt | |
anregen. Bemerkenswert finde ich die Beobachtung, welche Filme in Israel | |
öffentliche Förderung bekommen, oder auch welche Filme ausgezeichnet | |
werden, mit dem „Ophir“ etwa, sozusagen dem israelischen Oscar: Da gibt es | |
eine immense Offenheit, die eigene Gesellschaft kritisch in den Blick zu | |
nehmen. Dass man sagt: Das halten wir aus. | |
Was etwa abweichende politische Positionen angeht. | |
Da beeindruckt mich dann auch so ein Kulturattaché: Die Botschaft weiß ja, | |
was wir zeigen werden, und selbst wenn das vielleicht Filme sind, die eine | |
unbequeme Botschaft transportieren, sagt man: Das fördern wir. | |
4 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.seret-international.org/category/berlin-2018 | |
[2] http://intl.filmfund.org.il/films/?id=&nom=003791&film=The%20Cousin | |
[3] https://go2films.com/films/doubtful/ | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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