# taz.de -- „Marsch für das Leben“ in Berlin: Bunt ist lauter | |
> Rund 5.000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen Abtreibung und | |
> Sterbehilfe. Der Gegenprotest ist kreativ – und lauter. | |
Bild: Hexenprotest gegen Abtreibungsgegner: „Nehmt euer Kreuz aus unserem Ute… | |
BERLIN taz | Schweigend und in Stille durch Berlin zu ziehen hat nicht | |
geklappt: Der Marsch der sogenannten LebensschützerInnen am Samstag wurde | |
fast über die gesamte Strecke von kleineren und größeren Gegenprotesten | |
begleitet. Eine Sitzblockade führte kurzzeitig dazu, dass die | |
TeilnehmerInnen des „Marschs für das Leben“ nur an einer Straßenseite | |
langsam weiter gehen konnten. Immer wieder tauchten zudem flashmobartig | |
Grüppchen von zehn, zwanzig Menschen auf, die „My body, my choice“ | |
skandierten oder „Hätt Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben!�… | |
Rund 5.000 Menschen waren laut Polizeiangaben zur bundesweit größten | |
Kundgebung der Pro-Life-Szene vor dem Berliner Hauptbahnhof gekommen, die | |
der Bundesverband Lebensrecht veranstaltet. Dessen Ziele: Gegen Abtreibung | |
und Sterbehilfe mobil zu machen. Unionsfraktionschef [1][Volker Kauder | |
sendete wie schon in den vergangenen Jahren] ein Grußwort, ebenso | |
verschiedene evangelische Bischöfe und die Deutsche Bischofskonferenz. Auch | |
viele Mitglieder der AfD waren offenbar vor Ort, wie der Vorsitzende der | |
Christen in der AfD, Joachim Kuhs, der der taz sagte: „Wir stehen hinter | |
dieser Sache.“ Der Marsch gibt sich betont überparteilich, hat aber | |
[2][stabile Verbindungen unter anderem zur AfD]. | |
Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, dem unter anderem | |
Frauenorganisationen, Grüne, Linke und Gewerkschaften angehören, hatte zur | |
Gegendemonstration am Brandenburger Tor aufgerufen. Nach Angaben der | |
VeranstalterInnen kamen rund 1.500 Menschen. Das Motto: „Paragraf 219a ist | |
erst der Anfang! Frauen-Leben schützen, Abbrüche legalisieren.“ Paragraf | |
219a des Strafgesetzbuches stellt „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche | |
unter Strafe, worunter allerdings auch die einfache Information über | |
Abbrüche etwa auf Websiten von ÄrztInnen fällt. | |
Zu spüren bekommen hat das auch die Berliner Gynäkologin Bettina Gaber, die | |
[3][von AbtreibungsgegnerInnen angezeigt wurde]. Als Gaber am Samstag auf | |
dem LKW steht, der dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung als Bühne | |
dient, wird sie danach gefragt, ob sie deshalb die Information aus dem Netz | |
genommen habe. Ihre Antwort geht im Jubel fast unter: „Das habe ich ganz | |
bewusst nicht getan!“. Bis vors Verfassungsgericht wolle sie ziehen. | |
## „Hexen gegen religiöse Gewalt“ | |
„Der Paragraf 219a muss abgeschafft werden. Er verhindert | |
Informationsfreiheit und kriminalisiert ÄrztInnen. Dass hier so viele | |
Menschen sind, gibt dieser Forderung Rückenwind“, sagt Gesine Agena, | |
frauenpolitische Sprecherin der Grünen, der taz. | |
Unter den GegendemonstrantInnen ist auch eine Gruppe von Frauen mit | |
violetten Spitzhüten. Auf einem Banner steht „Hexen gegen religiöse | |
Gewalt“. Mit den Kostümen wollen sie daran erinnern, dass Frauen seit | |
Jahrhunderten diskriminiert würden, sagt eine. Lediglich die Form der | |
Unterdrückung wandle sich mit der Zeit. | |
Auf dem Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof, Luftlinie etwa eineinhalb | |
Kilometer vom Brandenburger Tor entfernt, sammeln sich währenddessen die | |
sogenannten LebensschützerInnen zu ihrer Auftaktkundgebung. Grüne | |
Luftballons wehen über ihren Köpfen, manche tragen Rosenkränze in der Hand. | |
„Wir trauern um die vielen tausend Kinder, die durch Abtreibung ums Leben | |
kamen“, steht auf Schildern. Die Pfeifkonzerte und Gesänge mehrerer hundert | |
GegenprotestantInnen, die sich vorm Hauptbahnhof versammelt haben und von | |
der Polizei von der Auftaktkundgebung fern gehalten werden, sind laut. | |
Gegen 13 Uhr setzt sich der „Marsch für das Leben“ in Bewegung, ein Mann | |
gibt aus einem Kleintransporter weiße Kreuze aus, die die TeilnehmerInnen | |
in die Höhe halten. Nach etwa einer halbe Stunde reißen plötzlich einzelne | |
Menschen aus dem Marsch aus und bilden eine Blockade quer über die Straße: | |
Offenbar hatten sich GegendemonstrantInnen unter den Zug gemischt. Von | |
scheinbar überall her strömen wie auf ein stilles Kommando weitere, bis | |
schließlich rund 200 Menschen auf dem Boden sitzen. Sie halten Schilder | |
hoch, auf denen „Gegen christlichen Fundamentalismus“ [4][oder „Nazis | |
abtreiben“ steht]. | |
Am Rand gibt es einzelne heftige Gerangel zwischen PolizistInnen und | |
TeilnehmerInnen, nach rund 20 Minuten löst sich die Blockade von selbst | |
wieder auf. Insgesamt habe es bei den Demonstrationen 18 Festnahmen | |
gegeben, sagte ein Sprecher der Polizei der taz. Strafermittlungsverfahren | |
wurden unter anderem wegen Körperverletzung und Störung der | |
Religionsausübung eingeleitet. Eine Person sei leicht verletzt worden. | |
22 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Fundi-Demo-Marsch-fuer-das-Leben/!5341936 | |
[2] /Marsch-fuer-das-Leben-in-Berlin/!5535227 | |
[3] /Weitere-Anklage-wegen-219a/!5521431 | |
[4] https://twitter.com/patrihecht/status/1043478937735778304 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
Frederik Eikmanns | |
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