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# taz.de -- Generaldebatte im Bundestag: Merkel gegen Hass und Gewalt
> Die Kanzlerin äußert sich gegen Nazi-Parolen. Martin Schulz kritisiert
> Gaulands „Vogelschiss“. Ein SPD-Kollege sorgt dafür, dass die AfD den
> Saal verlässt.
Bild: Die Kanzlerin warnt vor einer Bagatellisierung rechtsextremer Ausschreitu…
„Nein, ich möchte das geschlossen vortragen“, antwortet Angela Merkel auf
die Frage des Bundestagspräsidenten, ob sie eine Zwischenfrage der AfD
zulasse. „Das gilt generell“, schiebt sie nach. Und das macht Merkel dann
auch: Am Mittwochmorgen trägt die Kanzlerin in der Generaldebatte des
Bundestages dreißig Minuten lang vor. Ihre Rede unterteilt sie in je einen
reflektierenden und einen resümierenden Teil.
Angesichts der innenpolitischen Lage im Land stößt der reflektierende,
analytische Teil auf deutlich größeres Interesse ihrer Zuhörerschaft im
Plenum und auf den Zuschauerrängen. Und das, obwohl der Bundestag in dieser
Haushaltswoche für 2019 einen Etat von 356,8 Milliarden Euro debattiert, 13
Milliarden mehr als im laufenden Haushaltsjahr. Es sind die Steuern der
BürgerInnen, die hier verteilt werden; aber in Zeiten voller Kassen
scheinen wirklich interessant eher die gesellschaftlichen Fragen zu sein.
[1][Chemnitz und Köthen], Maaßen und Seehofer, Nazis und Demokraten – die
Stimmung ist gereizt.
Als Chef der führenden Oppositionsfraktion hat noch vor Merkel Alexander
Gauland das Wort. Mitunter schlecht zu verstehen, streichelt der 77-Jährige
die Seelen seiner ParteigängerInnen. Zu haushaltspolitischen Fragen
verliert Gauland kein einziges Wort.
Merkel und ihr Regierungssprecher Seibert, sagt er lieber, hätten die
„Fakenews“ verbreitet, in Chemnitz sei es zu Hetzjagden gekommen.
„Tatsächlich war die Polizeibilanz in Chemnitz nicht anders als bei einem
mittleren Bundesligaspiel.“ Unter den DemonstrantInnen habe es „ein paar
aggressive Hohlköpfe gegeben“, sagt Gauland. „Es handelte sich um eine
Minderheit.“ Die „Ausländer-Raus-Schreier“ und die „Hitler-Gruß-Zeige…
seien doch die größte Hoffnung für die Bundesregierung. „Wenn es diese
Idioten nicht gäbe, wäre das doch eine Katastrophe für Sie.“
Noch während seiner Rede geht Martin Schulz nach vorn zum Präsidium und
bittet um die Möglichkeit einer Intervention. Die hat er nach dessen Rede.
Der frühere SPD-Vorsitzende ist hörbar empört, als er sagt, die Reduzierung
komplexer politischer Sachverhalte auf ein einziges Thema, in der Regel
bezogen auf eine Minderheit im Land, sei ein „Mittel des Faschismus“. „Ei…
ähnliche Diktion hat es in diesem Hause schon einmal gegeben.“ Mit Blick
auf Gaulands frühere Äußerung, wonach Hitler und die Nazis „nur ein
Vogelschiss“ in tausend Jahren deutscher Geschichte gewesen sei, sagte
Schulz: „Die Menge von Vogelschiss ist ein Misthaufen und auf den gehören
Sie in der deutschen Geschichte.“ Die Mehrheit der Abgeordneten applaudiert
Schulz stehend.
## Konkret wird Merkel nicht
Als dann Merkel ans Pult tritt, wird es wieder sachlicher. Die
Regierungschefin fordert eine Absage an Hass und Gewalt und warnt vor einer
Bagatellisierung rechtsextremer Ausschreitungen. Straftaten von
AsylbewerberInnen müssten aufgeklärt und bestraft werden. Das sei aber
„keine Entschuldigung und Begründung für Hetze, zum Teil Anwendung von
Gewalt, Nazi-Parolen, Anfeindung von Menschen, die anders aussehen, [2][die
ein jüdisches Restaurant besitzen], Angriffe auf Polizisten“. Es dürfe bei
der Achtung der Menschenwürde keinen Rabatt geben, „für niemanden“, sagte
Merkel. „Deshalb führen Legitimierungen in die Irre.“
„Juden und Muslime gehören genauso wie Christen und Atheisten zu unserer
Gesellschaft, in unsere Schulen, in unsere Parteien, in unser
gesellschaftliches Leben.“ Der Konsens darüber entscheide über den
gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Es gelten bei uns Regeln, und diese
Regeln können nicht durch Emotionen ersetzt werden. Das ist das Wesen des
Rechtsstaats.“
Konkretion bleibt Merkel gleichwohl schuldig. Auf die Äußerungen von
[3][Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen], der die Echtheit eines
Videos über die Ereignisse in Chemnitz angezweifelt und den Vorwurf
„gezielter Falschinformation“ in den Raum gestellt hatte, geht sie nicht
ein. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, lässt ihr das
nicht durchgehen. Maaßen blase de facto zur Attacke auf die
Bundeskanzlerin. „Frau Merkel, das dürfen Sie sich nicht bieten lassen.“
Auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles übt heftige Kritik an dem
Behördenchef. Maaßen sei nach der Aufdeckung der Terrorgruppe NSU
eingesetzt worden, um den Verfassungsschutz besser gegen rechte
Verfassungsfeinde aufzustellen – „mit begrenztem Erfolg“, sagt sie. Die
Grüne Katrin Göring-Eckardt sagt mit Blick auf Berichte über Gespräche
zwischen Maaßen und führenden AfD-Politikern, man wisse nicht so genau, ob
der Verfassungsschutzchef „rechtsaußen beobachtet oder coacht“.
Zu einem Mini-Eklat kommt es gegen Mittag. Der SPD-Haushaltspolitiker
Johannes Kahrs nennt die AfD-Abgeordneten so ausdauernd „Rechtsextremisten“
und fordert sie auf, „mal in den Spiegel zu schauen“, weil Nazis hässlich
seien, bis Gauland und seine Leute geschlossen den Saal verlassen. Sie
kommen erst wieder zurück, als Kahrs fertig ist. Ob es das war, was die
Kanzlerin mit ihrer Warnung vor der Bagatellisierung der Rechten gemeint
hat, ist nicht überliefert.
12 Sep 2018
## LINKS
[1] /Nach-Chemnitz/!5534202
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[3] /Nach-Aeusserungen-zu-Chemnitz-Video/!5535363
## AUTOREN
Anja Maier
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