# taz.de -- DJ-Boykott in Clubszene: Shit is fucked | |
> Durch die Kampagne #DJsForPalestine ist die fragwürdige Praxis des | |
> kulturellen Boykotts Israels auch in der deutschen Clubszene angekommen. | |
Bild: BersucherInnen eines Berliner Clubs | |
Am 12. September teilte der britische DJ Ben UFO einen unscheinbaren Post | |
auf Instagram. Damit machte er seine Beteiligung an der Kampagne | |
#DJsForPalestine öffentlich. Sie ruft zum Boykott Israels auf und begründet | |
das mit „Menschenrechtsverstößen gegen die palästinensische Bevölkerung�… | |
Weitere namhafte ElektronikproduzentInnen wie Four Tet, the Black Madonna | |
und Laurel Halo schlossen sich dem Briten an. Einige dieser Künstler leben | |
in Deutschland. Deshalb hat es nicht lange gedauert, bis sich die Berliner | |
Clubszene über diese Aktion empört hat. | |
Das Fass zum Überlaufen brachte die queer-feministische Gruppe „Room 4 | |
Resistance“, als sie den Boykott-Aufruf auf Facebook geteilt hatte. Sie | |
veranstalten ihre Parties im Berliner Club About Blank, der für seine | |
pro-israelische Haltung bekannt ist. Das führte zum Eklat. About Blank | |
sagte eine Veranstaltung der Gruppe ab und ließ wissen: „Boykottaufrufe | |
gegenüber Israel […] widersprechen zutiefst unserem politischen | |
Selbstverständnis.“ Den Club erinnern diese an den Boykott jüdischer | |
Geschäfte im „Dritten Reich“, mit dem ab 1933 die Drangsalierung der | |
jüdischen Deutschen begann. Nun werfen KritikerInnen wiederum den | |
Clubbetreibern vor, sich zu sehr mit der Schuldfrage zu identifizieren und | |
die Politik des Staates Israels deshalb nicht kritisch genug zu | |
hinterfragen. Die Debatte zeitigt teilweise groteske Unkenntnis von | |
Geschichte und Politik. | |
Die US-Künstlerin Laurel Halo, die seit 2013 in Berlin lebt, kann in dem | |
Claim #DJsForPalestine nichts Antisemitisches erkennen. „Als jemand mit | |
jüdischen Wurzeln unterstütze ich das Recht Israels, zu existieren. | |
Gleichzeitig kann ich die Handlungen der israelischen Regierung nicht | |
akzeptieren“, schreibt sie. Befremdlich wirkt allerdings, dass die Kampagne | |
als Aktion der BDS-Bewegung („Boycott, Divestment and Sanctions“) | |
koordiniert wird. Ihr Ziel ist der ökonomische und kulturelle Boykott | |
Israels. Zuletzt gab etwa US-Popstar Lana Del Rey dem Druck von BDS | |
unverständlicherweise nach und sagte einen Festival-Auftritt in Israel ab. | |
In Deutschland ist BDS spätestens seit [1][dem Berliner Pop-Kultur-Festival | |
2017 ein Thema.] Auf Betreiben der Israel-Boykotteure zogen KünstlerInnen | |
ihre Teilnahme am Festival zurück. Sie begründeten dies mit der | |
Bezuschussung von Reisekosten zweier Acts durch die israelische Botschaft. | |
Auch in diesem Jahr gingen die Anti-Israel-Aktivisten vor und während des | |
Festivals gegen dieses vor. | |
## Gräben in linker Szene | |
„Beide Lager, die gerade im Konflikt stehen, sind antirassistisch und | |
links“, sagt Andrea Goetzke, die seit zehn Jahren Clubveranstaltungen in | |
Berlin organisiert. Die unterschiedlichen Standpunkte im | |
Israel-Palästina-Konflikt sorgen für Spannungen innerhalb der linken Szene, | |
die sich momentan erneut verhärten. „Ich finde es schade, dass Gräben | |
zwischen Leuten entstehen, die viel gemeinsam haben.“ | |
Das About Blank antwortete am vergangenen Wochenende mit einer „Shit is | |
fucked!-Party“. Für die Absage der geplanten Veranstaltung ernteten sie | |
nicht nur Lob. Viele kommentierten mit Unverständnis und riefen zum Boykott | |
des Clubs auf. Daraufhin solidarisierten sich wiederum VeranstalterInnen | |
mit den Berlinern wie das Leipziger „Institut für Zukunft“ und „Ulysses�… | |
Frankfurt. Erstaunlicherweise äußerten sich „Room 4 Resistance“ und About | |
Blank nun doch in einem gemeinsamen Statement. Man wolle zusammen | |
Diskriminierung bekämpfen, auch wenn es bezüglich der Rolle Israels im | |
Nahostkonflikt unterschiedliche Ansichten gebe. „Beide Kollektive sind | |
gegen Antisemitismus, die Hamas sowie Islamophobie und Rassismus.“ | |
Was man nicht vergessen darf: „Ein Kulturboykott trifft nicht die | |
Regierung, sondern die israelische Bevölkerung“, äußern sich die | |
Veranstalter von „Ulysses“, einer Reihe im Frankfurter Club „Dora | |
Brilliant“ gegenüber der taz. In den sozialen Medien wird weiter | |
debattiert. Der Berliner DJ Finn Johannsen fragte seine Kollegen etwa: | |
„Spielt ihr denn in den palästinensischen Gebieten?“ | |
Der Amerikaner Nicolas Jaar hat es vorgemacht mit Auftritten in Ramallah | |
und Haifa; auch die britische Musikplattform „Boiler Room“ richtete Gigs in | |
Tel Aviv und in Ramallah aus. Kann also, statt weiter auszugrenzen, der | |
aktive Austausch mit Israel und Palästina die Lösung sein? Daran hat BDS | |
kein Interesse, aber das wäre trotzdem ein erster Schritt. | |
23 Sep 2018 | |
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[1] /BDS-Aktivisten-stoeren-Pop-Kultur-Festival/!5528677 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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