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# taz.de -- Integration geflüchteter Frauen in Bremen: Besonders hohe Hürden
> Der Beirat geflüchteter Frauen in Bremen fordert bessere
> Arbeitsmarktintegration, Übersetzungsangebote im Bereich Gesundheit und
> Sprachkurse mit Kinderbetreuung.
Bild: Haben es oft noch schwerer als die Männer: geflüchtete Mädchen und Fra…
Bremen taz | Najah Tamo wünscht einen Ort, an dem sich geflüchtete und
deutsche Frauen austauschen können. „Was wir brauchen, ist ein Zugang zur
Gesellschaft.“ Die Syrerin kam im Sommer 2015 nach Deutschland und hatte
zuvor acht Jahre in ihrer Heimat als verbeamtete Lehrerin gearbeitet. Hier
gebe es viele Hürden auf dem Weg in den Arbeitsmarkt.
„Nach meiner Anerkennung erfuhr ich, dass ich hier nicht als Lehrerin
arbeiten darf“, sagt Tamo. Und das bei unserem Lehrermangel, ergänzt
Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) kopfschüttelnd.
Tamo ist neben neun weiteren Frauen aus sechs Nationen Mitglied im Beirat
geflüchteter Frauen bei der Zentralstelle für die Verwirklichung der
Gleichberechtigung der Frau (ZGF). Sie fordern einen besseren Zugang zum
Arbeitsmarkt und mehr Kinderbetreuung bei Bildungsangeboten.
Der Beirat gründete sich im Rahmen des Projektes „Frauen und Flucht“ von
Sozialressort und ZGF. Ein Fachtag beendete diese Woche das zweijährige
Projekt und stellte dessen Ergebnisse vor. 38 Prozent der Geflüchteten in
Bremen sind Frauen. Für ihre Integration brauche es besondere Angebote, so
Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm.
Zu lang spielten diese allerdings keine Rolle: Gerade Ende 2015 kamen sehr
viele Geflüchtete nach Bremen: „Wir haben oft improvisiert“, erinnert sich
Stahmann. Die besonderen Bedürfnisse der Frauen seien so vernachlässigt
worden. Ebenso wurden in diesem Zeitraum sexualisierte Übergriffe an
geflüchteten Frauen und Kindern in Nordrhein-Westfalen bekannt.
„Alleinreisende oder alleinerziehende Frauen sind auf besondere Weise
gefährdet“, sagt Stahmann.
Neben der Arbeitsmarktintegration, die Tamo zurzeit umtreibt, befasste sich
das Projekt daher mit Gewaltschutz, Recht und Gesundheit. Die ZGF besuchte
Unterkünfte, bot Rechtsberatung an und entwickelte ein Konzept zum Schutz
vor Übergriffen. Ein zusätzliches Problemfeld im Gesundheitsbereich seien
etwa Geburten, so Stahmann. Was für deutsche Frauen oft alltäglich ist,
werde für Geflüchtete zum Problem: „Wo kommen beispielsweise die
Kindersitze fürs Taxi her, wenn die Familie vom Krankenhaus wieder
zurückfahren möchte?“
Manchmal gehe es aber auch einfach nur darum, in Unterkünften einen
sicheren Weg zu einer separierten Frauentoilette zu ermöglichen, sagt
Wilhelm. Oder darum, geeignete Therapieformen für Traumatisierte zu finden
– mit professionellen Dolmetscher*innen natürlich. Ein weiterer zentraler
Wunsch des Beirates um Tamo.
## Zentrales Thema: Sprachvermittlung
Sprachvermittlung scheint – wie so oft – das zentrale Thema. „Ohne Sprache
kann keine Integration beginnen“, sagt Wilhelm. Wichtig sei daher eine
Kinderbetreuung während der Sprachkurse, da sonst einigen Frauen der
praktische Zugang verwehrt bliebe. In Bremen werde diese durch Landesmittel
gefördert, die Situation sei aber noch keineswegs befriedigend, findet
Wilhelm.
Und nicht jedes Angebot zur Sprachvermittlung funktioniert. Tamo erzählt
von ihren Erfahrungen in Sprach-Cafés: „Wir reden immer nur darüber, was
wir bisher auf der Flucht und in Deutschland erlebt haben.“ Reaktionen
seien meist Mitleid oder Lob. Dabei würde sie viel lieber nach vorn
schauen.
Für Nivedita Prasad, Berliner Professorin für Handlungsmethoden und
genderspezifische Soziale Arbeit, hat so ein Verhalten nichts mit
„Augenhöhe“ zu tun. „Es ist nicht Aufgabe der Geflüchteten, das
ethnologische Interesse der Deutschen zu befriedigen.“ Das Problem sei oft,
dass geflüchtete Frauen als „passive Opfer“ behandelt werden würden.
## Frauenrechtskunde für Männer
Zudem brauche es mehr Informationsarbeit mit männlichen Geflüchteten. Damit
diese auch etwas über Frauenrechte lernen, erklärt Tamo. „Völlig
folgerichtig“, findet die Professorin. Sensibilisierung von Männern gehe
immer einher mit Ermächtigung von Frauen. Auch sind die Beteiligten sich
darin einig, dass viele der diskutierten Probleme genauso auf geflüchtete
Männer zutreffen – etwa der schwierige Zugang zum Arbeitsmarkt.
Abgeordnete diskutierten die Forderungen beim Fachtag, die nun an den Senat
weitergegeben werden. Stahmann will sich dafür einsetzen, dass die Wünsche
im Integrationskonzept bedacht werden.
Die Berliner Professorin Prasad appelliert an alle Beteiligten, nicht nur
die Bedarfe zu sehen, sondern auch die Ressourcen, die viele Frauen
mitbringen. „Auch angesichts des Fachkräftemangels können wir alle von
denen profitieren.“ So wie von der ausgebildeten Lehrerin Najah Tamo.
14 Sep 2018
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
Integration
Geflüchtete Frauen
Bremen
Frauenrechte
Geflüchtete
Schwerpunkt Flucht
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Integration
Bürokratie
Schwerpunkt Flucht
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