# taz.de -- Fusion von Karstadt und Kaufhof: Champagner statt Schnitzel! | |
> Das Warenhaus ist nicht mehr zeitgemäß, seine Zukunft steht auf dem | |
> Spiel. Doch es gibt Strategien gegen das Sterben des Offlinehandels. | |
Bild: Gibts eine Zukunft für analoge Warenhäuser? | |
BERLIN taz | Wer sich mit der Rettung der Warenhäuser beschäftigt, fährt am | |
besten erst einmal mit der Rolltreppe hinauf ins Restaurant [1][von | |
Karstadt. Oder von Kaufhof]. Haben Sie lange nicht gemacht? Eben. Früher | |
ging, wer in die Stadt zum Einkaufen fuhr, wie selbstverständlich in eine | |
der oberen Etagen der Kaufhäuser, aß Schnitzel oder Scholle zu Mittag. | |
Heute sitzen dort vereinzelt ein paar Leute an den Tischen. Das Ambiente: | |
eher Wienerwald. Der Hippnessfaktor: ähnlich dem ZDF, beliebt allenfalls | |
beim Publikum jenseits der 60, keinesfalls bei Jüngeren. | |
Deutlich wird das entscheidende Problem: Das Warenhaus – einst Zeichen | |
glamourösen Aufschwungs – ist aus der Zeit gefallen. Ob es überhaupt | |
überlebt, hängt auch davon ab, wie das Einkaufen in Zukunft aussieht. | |
Hertie, Horten oder Neckermann – sie alle sind schon längst verschwunden. | |
Der Onlinehandel hat die Konsumgewohnheiten auf den Kopf gestellt. Einst | |
ging man einkaufen: Obst, Gemüse, Milch, das Alltägliche. Und shoppen: das | |
Kleid, den Rock, das Buch, um sich Gutes zu tun. Mittlerweile bestellt man | |
von der Couch im Internet, was im Kühlschrank fehlt und was den Frust | |
behebt. Öffnungszeiten? Muss man sich nicht merken. | |
„Eigentlich kaufen die Deutschen derzeit sehr viel, doch das kommt vor | |
allem dem Onlinehandel zugute“, sagt Joachim Stumpf, Geschäftsführer der | |
Münchner BBE Handelsberatung. Und er prognostiziert: „Von 2017 bis 2020 | |
wird der gesamte Einzelhandel um 5,1 Prozent wachsen, online um 28,8 | |
Prozent, offline aber nur um 2,6 Prozent.“ | |
## Digitale Spiegel | |
Zugleich [2][verschärfe sich aber der Wettbewerb] im stationären Handel. | |
Sein Beispiel: Sportartikel. Seit einiger Zeit eröffneten Unternehmen wie | |
Declathon, Ochsner Sport oder A3 Sport neue Läden – und setzten damit | |
bisherige Anbieter wie Sportcheck, Footlocker oder eben auch Karstadt Sport | |
zusätzlich unter Druck. Stumpf: „Da geht kein Mittelmaß mehr“, also nicht | |
das alte Konzept mit Schaufenster und ein wenig Musik, etwas Beleuchtung, | |
wenn sich die Türen wie von Geisterhand öffnen. Aber wie geht es dann? | |
Die Kaufhäuser müssten ihre Stärke ausspielen, die Möglichkeit zum | |
Schlendern, Anfassen. Vom „Einkaufserlebnis“ sprechen die Experten. Eine | |
von ihnen ist Theresa Schleicher vom Frankfurter Zukunftsinstitut. Sie | |
sagt: „Digitales Shopping wird mit dem analogen Laden verschmelzen.“ | |
Das begann einst mit den digitalen Spiegeln, die die Designerin Rebecca | |
Minkhoff in ihrer Modeboutique in Soho, dem Nobel-Shoppingviertel in New | |
York, aufhängen ließ. Kunden können die Teile, die sie in die Kabine | |
mitnehmen, einscannen. Sie erscheinen dann auf dem Spiegel, der mit | |
Touch-Screen-Technologie ausgestattet ist. Wer will, kann darüber | |
beispielsweise die Verkäufer bitten, eine andere Größe oder Farbe zu | |
bringen. Das ist ein Segen für alle, die es hassen, halbnackt durch den | |
Laden zu laufen – aber nur ein Teil ausgeklügelter neuer Verkaufsstrategie. | |
Dazu gibt es, erklärt Schleicher, im Laden der Zukunft auch diese Angebote: | |
Bei Onlinehändlern bestellte Kleider werden sich im Geschäft probieren und | |
zurückschicken lassen, wenn sie nicht passen. Statt selber Einkaufstüten zu | |
tragen, werden sie vom Kaufhaus geliefert. Influencer, denen Jugendliche | |
derzeit im Internet beim Werbungmachen zuschauen, werden live auftreten. | |
Für die Älteren wird es auf einer Etage eine Espressobar, auf einer anderen | |
die Tapasbar geben, auch eine Ecke für Kochkurse, Fitnessstunden oder | |
Stricken. | |
## Angst vor Leerstand | |
Die Sportartikelfirma Adidas hat das schon mal in Berlin vorgemacht und für | |
einige Tage einen sogenannten Pop-up Store eröffnet, Name: „Knit for You“. | |
Die Kunden konnten dort einen Pullover, wie sie ihn wollten, fertigen | |
lassen. Unternehmen mühen sich um Hippness und schickes Ambiente zugleich. | |
Diese Verführung zum Immer-mehr-Kaufen muss man nicht gut finden. „Sie ist | |
in der modernen Warenwelt noch stärker als in der alten“, sagt Armin Valet, | |
der den Handel für die Verbraucherzentrale Hamburg beobachtet. | |
Allerdings: In allen 175 deutschen Warenhäusern von Karstadt und Kaufhof | |
wird es die neue Warenwelt gar nicht geben. Schon weil an 25 Orten zwei | |
direkt nebeneinander liegen, mancher die beiden auch gar nicht | |
unterscheiden kann, werden einige schließen. Veröden dann doch die | |
Innenstädte? | |
Schließlich sorgt sich der Deutsche Städtetag schon länger, dass kaum einer | |
mehr durch Fußgängerzonen schlendert. Er hat zusammen mit dem | |
Handelsverband HDE bereits das Positionspapier „Eigentum verpflichtet“ | |
herausgegeben. Die beiden schlagen etwa vor, dass Eigentümer von Immobilien | |
Mieten von der „Besucherfrequenz“ abhängig machen. | |
## Vielleicht ist nur der Name überholt | |
Experte Stumpf aber meint: „Es wird keinen Leerstand geben.“ | |
Karstadt-Eigner Benko, ein österreichischer Immobilienunternehmer, sei | |
„sicher selbst an der Wertsteigerung der Häuser gelegen“. Das bedeute, dass | |
in den meisten Läden blieben, aber Büros, Gastronomie Freizeit- und | |
Fitnesssanbieter hinzukommen würden. | |
Handelsexperten wie Stumpf und Schleicher gucken zum Beispiel in die | |
Schweiz, auf die Welle 7, ein Einkaufszentrum nahe dem Bahnhof Bern. Das | |
zehnstöckige Gebäude gehört dem Migroskonzern, vereint 15 Shops, 14 | |
Gastrobetriebe, Sporträume und Co-Working-Spaces, also zu mietende | |
Arbeitsplätze. Soll heißen: Der Name Warenhaus mag überholt sein. Aber das | |
Kaufhaus und ein Restaurantbesuch müssen nicht aus der Mode kommen. | |
11 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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