# taz.de -- Galeria Kaufhof in der Krise: Der rasante Weg bergab | |
> In nur zwei Jahren wurde das Warenhaus zum Sanierungsfall. Verdi | |
> entscheidet nun über harte Einschnitte für 20.000 Mitarbeitende. | |
Bild: Warenhäuser in der Krise: Kann Galeria Kaufhof gegen die Konkurrenz noch… | |
BERLIN taz | Mit vor der Brust verschränkten Armen sitzt Susanne Hirsch in | |
einem Berliner Café, auf dem Tisch hat sie einen Terminkalender | |
ausgebreitet. Für Freitag, den 13. April 2018, steht dort nur ein großes | |
Ausrufezeichen, gemalt mit rotem Filzstift. „Ich bin abergläubisch“, | |
gesteht sie. „Und ausgerechnet am Unglückstag soll die Entscheidung | |
fallen.“ | |
Hirsch möchte in dieser Geschichte nicht mit ihrem richtigen Namen | |
auftauchen, und sie will auch nicht preisgeben, wo genau sich ihr | |
Arbeitsplatz befindet. Die 53-Jährige arbeitet bei Galeria Kaufhof, einem | |
Unternehmen, von dem sie nicht weiß, wie es damit weitergeht: Bekommt das | |
Traditionswarenhaus die Chance, sich zu sanieren? Oder droht die Insolvenz? | |
Die Frage, ob die Arbeitnehmervertreter*innen mit dem Unternehmen | |
Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag eingehen, beantwortet die | |
Tarifkommission von Verdi am Freitag in Frankfurt am Main. Seit Monaten | |
haben sich die Wirtschaftsprüfer der Gewerkschaft und Sachverständige die | |
Zahlen des Unternehmens angesehen. | |
Auch von der Kaufhof-Mutter, der kanadischen Hudson’s Bay Company (HBC), | |
wurden Dutzende Nachweise und die Offenlegung der Bücher verlangt. „Wir | |
sind zuversichtlich, dass sich die Tarifkommission für die Sanierung | |
entscheiden wird“, sagt Kaufhof-Sprecher Martin Neipp auf Anfrage der taz. | |
Mitarbeiterin Hirsch sagt: „Natürlich hoffe ich, dass es weitergeht. Aber | |
wir werden so oder so die Leidtragenden sein.“ | |
## Verzicht auf auf Weihnachts- und Urlaubsgeld | |
Seit der Übernahme durch die kanadische Firma HBC im Herbst 2015 ist | |
Galeria Kaufhof zum Sanierungsfall verkommen. Die Erträge gingen zwar schon | |
länger zurück, doch seitdem steigen gleichzeitig die Kosten. So ist der | |
Umsatz von 3,02 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 2,6 Milliarden im Jahr | |
2017 eingebrochen. | |
Bereits im Oktober hatte Kaufhof die Gewerkschaft Verdi deshalb gebeten, | |
aus der Flächenbindung aussteigen zu dürfen und stattdessen einen | |
Sanierungstarifvertrag abzuschließen. Die rund 20.000 Beschäftigten von | |
Kaufhof in Deutschland sollen in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach | |
auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten, ebenso auf Tariferhöhungen und | |
auf ihren Mitarbeitendenrabatt. | |
Kaufhof-Geschäftsführer Roland Neuwald hat außerdem angekündigt, in der | |
Kölner Zentrale 400 von 1.600 Arbeitsplätzen abbauen zu müssen. So will | |
Kaufhof zwischen 60 und 100 Millionen Euro Personalkosten sparen. Der | |
direkte Konkurrent Karstadt hat wegen einer Sondervereinbarung mit Verdi | |
derzeit einen Personalkostenvorteil von bis zu 15 Prozent, seit zwölf | |
Jahren verzichten die Mitarbeitenden zum Beispiel auf Lohnerhöhungen. | |
## Chancenlos gegen das Internet | |
Die Gründe für den Absturz von Kaufhof sind so vielschichtig wie zahlreich: | |
die offensichtlichen Personalkostennachteile gegenüber Karstadt, | |
Lieferanten, die direkt neben den Filialen eigene Stores eröffnen. Aber | |
auch die Nachfrage ändert sich: „Warenhäuser wie Kaufhof und Karstadt haben | |
längst ihren Reiz verloren“, sagt Peter Kenning, Handelsexperte von der Uni | |
Düsseldorf. „Das Versprechen, einfach alles im Angebot zu haben, zieht | |
niemanden mehr an.“ Im Internet gibt es immer noch mehr. Dort können Regale | |
nicht voll werden, das Web ist ein grenzenloses Warenhaus, Amazon und | |
Zalando sind die Kaufhofs und Karstadts der Gegenwart. | |
Einst galt Kaufhof als Musterbeispiel für ein funktionierendes Warenhaus, | |
insbesondere gegenüber dem Erzfeind Karstadt. Doch Karstadt, das vor etwa | |
drei Wochen ebenfalls seine Zahlen veröffentlichte, hat im abgelaufenen | |
Geschäftsjahr 2016/17 erstmals seit zwölf Jahren einen Überschuss erzielt | |
und ein Plus von 1,4 Millionen Euro verzeichnet. Unter dem jungen | |
österreichischen Immobilieninvestor René Benko hat es sich seit 2014 von | |
der Zeit unter Nicolas Berggruen erholt. Der hatte das Unternehmen im Jahr | |
2009 in die Pleite gewirtschaftet. | |
Benko versucht seitdem, auch an die Kaufhof-Häuser heranzukommen. Wie viele | |
vor ihm will er den ganz großen Coup landen: die Gründung einer Deutschen | |
Warenhaus AG. Am 1. November 2017 legte er der Kaufhof-Mutter HBC ein neues | |
Angebot vor: Knapp 3 Milliarden Euro wollte er für Kaufhof bezahlen, 200 | |
Millionen mehr, als HBC 2015 an die damalige Kaufhof-Eigentümern Metro | |
überwiesen hatte. | |
## Den deutschen Markt falsch eingeschätzt | |
Aus dem Antrag, den die Geschäftsführung von Kaufhof an die Tarifkommission | |
gerichtet hat, um für den Sanierungstarifvertrag zu werben, zitiert der | |
Spiegel: „Galeria Kaufhof befindet sich in einer ausgeprägten Ertragskrise“ | |
und dass es ohne Sanierungsmaßnahmen „kurz- bis mittelfristig in einer | |
substanziellen wirtschaftlichen Notlage verbleiben“ werde. Ohne | |
Gegenmaßnahmen drohe die Zahlungsunfähigkeit. | |
Denn Kaufhof leidet auch unter der teurer gewordenen Gebäudenutzung. Der | |
selbst hoch verschuldete Mutterkonzern HBC hat 41 Kaufhof-Immobilien in ein | |
Joint Venture mit einer amerikanischen Immobiliengesellschaft ausgelagert. | |
Für diese Immobilien verlangt HBC von der Tochter deutlich höhere Mieten. | |
Seit 2015 muss Kaufhof jährlich 50 Millionen Euro mehr für seine Gebäude | |
bezahlen. Angeblich fließt dieses Geld in Form von Investitionen wieder in | |
das Warenhaus zurück. | |
Denkbar ist allerdings auch, dass vieles von dem Geld, das auf dem | |
europäischen Markt erwirtschaftet wird, direkt an die notorisch | |
finanzschwache Mutter in Kanada durchgereicht wird. Dass also Chairman | |
Richard Baker die deutsche Tochter als Selbstbedienungsladen nutzt, um HBC | |
über Wasser zu halten. „Seit der Kaufhof-Übernahme hat sich der HBC-Kurs | |
halbiert, die Kanadier haben den deutschen Markt falsch eingeschätzt, wie | |
auch schon die Wal-Mart-Bosse einst nicht erkannt, dass vieles jenseits des | |
Atlantiks anders läuft“, sagt Peter Kenning. | |
## Beschäftigte tappen im Dunkeln | |
Dafür sollen nun die Beschäftigten von Kaufhof bezahlen und Verdi die | |
tarifliche Grundlage liefern. „Das passiert nur, wenn für die | |
Mitarbeitenden eine Zukunft bei Galeria Kaufhof realistisch ist“, | |
versichert Günter Isemeyer, Pressesprecher vom Bundesfachbereich Handel. | |
Investitionen in die Zukunft gehörten auch zum Sanierungsprogramm, heißt es | |
vonseiten des Warenhauses. | |
„Wir sind nicht bereit, die Beschäftigten für Managementfehler und dubiose | |
Finanzierungsmethoden zur Kasse zu bitten“, sagte der Vorsitzende des | |
Gesamtbetriebsrats, Uwe Hoepfel, der der Übernahme durch HBC zwar | |
zustimmte, sich nun aber deutlich von der Mutter distanziert. | |
Vanessa Kowalsky ist Auszubildende bei Galeria Kaufhof, auch sie will | |
unerkannt bleiben. „In den Pausen wird über nichts anderes gesprochen“, | |
berichtet sie. „Wir wissen nicht, was abgeht, niemand spricht mit uns. Wir | |
erfahren selbst alles aus den Medien.“ | |
Kowalsky erzählt von einem Video, auf dem sie gesehen habe, wie | |
Mitarbeitende HBC-Tassen zertrümmerten. „Wir sind einfach alle sauer, dass | |
so viel Geld unnötig verschleudert wird.“ Überflüssiges Material für die | |
Filialen werde angeschafft, Puppen und Möbel zum Dekorieren, dafür habe man | |
im Weihnachtsgeschäft auf zusätzliche Aushilfen verzichtet. Mittlerweile | |
würden Mitarbeitende sogar verstärkt kontrolliert, etwa, ob sie auch stets | |
den für sie vorgesehenen Eingang benutzen. „Es wird wohl nach Wegen | |
gesucht, Mitarbeiter zu entlassen“, sagt Kowalsky. Das bestätigt auch | |
Susanne Hirsch, das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück. | |
Das Angebot von René Benko hat HBC unterdessen abgelehnt. Die Hoffnung der | |
Beschäftigten, dass es mit Kaufhof weitergeht, bleibt verknüpft mit | |
Freitag, dem 13. April. | |
12 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Hanna Voß | |
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