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# taz.de -- Fusion von Karstadt und Kaufhof: Letzte Chance des Modells Warenhaus
> Gemeinsam wollen sie gegen die Online-Konkurrenz bestehen: Karstadt und
> Kaufhof fusionieren.
Bild: Der Geruch nach Zuviel: Filialen von Karstadt und Galeria Kaufhof in Düs…
MÜNSTER/ BERLIN taz | Je ähnlicher sich zwei Optionen sind, umso schwerer
fällt die Entscheidung: Auf der Stubengasse in der Münsteraner
Fußgängerzone haben Einkaufswillige dieses Problem: Karstadt oder Kaufhof?
Die Kaufhäuser stehen einander direkt gegenüber.
Beide sind rot verklinkert, beide betritt man durch gläserne Schwingtüren,
beide bieten auf drei Obergeschossen ihre S.Oliver-Shirts, WMF-Töpfe und
Braun-Bügeleisen an, beide teilen den Geruch nach Zuviel: zu viel
Bodenreiniger, zu viel Parfüm, zu viele heißlaufende Rolltreppen – das
Wesen des Kaufhauses ist der Überfluss.
Nun verbünden sich Kaufhof und Karstadt – und damit Deutschlands letzte
beiden großen Warenhausketten. Der Projektname: Deutsche Warenhaus Holding.
Es ist die wahrscheinlich letzte Rettungsaktion für das System Warenhaus in
Deutschland. Seit Jahren bereiten Billiganbieter wie Primark und
Onlinehändler wie Amazon oder Zalando den beiden Kaufhäusern Probleme, aber
auch die großen Einkaufszentren auf der grünen Wiese.
Zum Vergleich: Wenn Karstadt und Kaufhof fusionieren, haben sie gemeinsam
einen Umsatz von 5,4 Milliarden Euro jährlich. Der Onlinemarktführer in der
Bundesrepublik, Amazon.de, fuhr im vergangenen Jahr einen
Einzelhandelsumsatz von 8,8 Milliarden Euro ein. Besonders kritisch ist die
Situation zurzeit bei Kaufhof. Die Kölner kämpfen seit der Übernahme durch
den kanadischen Kaufhauskonzern HBC Ende 2015 mit Umsatzrückgängen und
roten Zahlen. Karstadt dagegen hat gerade erstmals seit 12 Jahren die
Rückkehr in die schwarzen Zahlen geschafft.
## 243 Standorte
Das ist ein Erfolg vom Österreicher René Benko, der Karstadt 2014 kaufte.
Der Immobilienhändler hatte mit seiner Signa-Holding schon seit Jahren auf
eine Fusion hingearbeitet. Nun erhält Signa 50,01 Prozent, HBC 49,99
Prozent am neuen Einzelhandelsriesen.
Europaweit geht es um 243 Standorte. Denn dazu gehören nicht allein die 175
deutschen Kaufhof- und Karstadt-Filialen plus die Karstadt-Sporthäuser,
sondern auch die europäischen Filialen der Outlet-Kette Saks Off 5th, die
Galerie-Inno-Kaufhäuser in Belgien und die erst vor Kurzem gegründeten
Hudson’s-Bay-Warenhäuser in den Niederlanden. Zudem sind Onlineplattformen
wie kaufhof.de und karstadt.de dabei.
Die insgesamt 32.000 Beschäftigten sollen alle einen Chef haben – Stephan
Fanderl, der zuletzt Karstadt geleitet und umgekrempelt hat. Er wird wieder
und weiter umbauen, bei der Logistik und beim Einkauf sparen, aus den
bislang zwei Hauptsitzen, Essen und Köln, wohl einen machen. Konkrete Pläne
wurden am Dienstag nicht bekannt. Die Fusion biete die Möglichkeit
„effizienterer Prozesse“, hieß es lediglich. Verdi-Bundesvorstandsmitglied
Stefanie Nutzenberger sagte hingegen: „Wer Geld für solch eine Transaktion
hat, muss auch Geld für die Beschäftigten haben.“
Die bleiben an diesem Tag lieber stumm: Bei Karstadt die Rolltreppen hoch,
durch die Abteilungen geschlendert – Küche, Elektro, Schreibwaren –
„Entschuldigung, darf ich Sie was fragen?“ Ein Lächeln. Doch sobald das
Wort „Fusion“ fällt, schaut man in Gesichter, angespannt wie beim
Tauziehen. Schweigen, Verweise an die Unternehmensführung, Verweise an die
Pressestelle. Bei Kaufhof: Das Gleiche. Man kann es sogar verstehen.
Angeblich sind 5.000 Jobs gefährdet.
## „Tragfähiges Zukunftskonzept“ gefordert
Verdi forderte, die beiden Marken dürften nicht einfach verschmolzen
werden. „Beide Warenhäuser haben ihren Platz in Deutschland“, sagte
Nutzenberger. „Wenn das Konzept stimmt, können Doppelstandorte sogar eine
Stärke sein.“ Sinn der Transaktion dürfe es auch nicht sein, „mit
Innenstadtimmobilien in bester Lage einmal mehr Kasse zu machen“, meinte
Nutzenberger. HBC und Signa müssten mit den Arbeitnehmern ein „tragfähiges
Zukunftskonzept“ entwickeln.
Das könnte in weniger Lohn bestehen – vor allem für die
Kaufhof-Angestellten. Bei Karstadt gilt bereits seit Dezember 2016 ein
„Zukunftstarifvertrag“. „Zukunft“, das heißt, dass die Beschäftigten …
Teile von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Tariferhöhungen verzichten.
Spätestens ab April 2021 soll Karstadt wieder unter den Flächentarifvertrag
fallen. Bei Galeria Kaufhof greift dieser besser dotierte
Flächentarifvertrag. Das Management der angeschlagenen Kette hatte bereits
im Sommer einen Sanierungstarifvertrag fast zu Ende verhandelt. Nun dürfte
er wieder aktuell werden.
David Klein brät Fettiges zwischen den Klinkerfronten. Mit seinem
Wurstwägelchen steht der Verkäufer auf der Stubengasse. Den Rücken zu
Karstadt, den Blick auf Kaufhof. Bei ihm essen auch Angestellte der beiden
Kaufhäuser. „Zu mir haben sie nichts gesagt. Aber wenn ich sie wäre: Klar
würde ich mir Sorgen machen.“
Seine eigene Laufkundschaft würde wohl nicht weniger werden, wenn ein Haus
schließe, sagt Klein und dreht die Würste mit der Holzzange, dass es
zischt. „Aber es wäre ein Einschnitt ins Stadtbild. Die sind seit
Jahrzehnten hier.“ Er selbst kaufe ungern im Internet. „Kaufhäuser sind
praktisch für Menschen wie mich. Da gibt es alles an einem Ort.“
11 Sep 2018
## AUTOREN
Anett Selle
Kai Schöneberg
Hanna Gersmann
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