# taz.de -- Galeria Kaufhof am Ostbahnhof schließt: Tristesse im Warenhaus | |
> Die Galeria Kaufhof am Ostbahnhof wird im Juni 2017 schließen. Einst war | |
> es das beliebteste Warenhaus der DDR. Ein Besuch. | |
Bild: Schnell noch Schuhe umtauschen, bevor es schließt! | |
Erster Stock, Damenabteilung: An der Gehhilfe schleicht eine Kundin zum | |
T-Shirt-Stand mit der Aufschrift „Sale“. Es gibt 30 Prozent Rabatt auf | |
Bekleidung. Langsam hebt sie ein T-Shirt hoch, wirft einen Blick darauf, | |
faltet es wieder zusammen und legt es an die gleiche Stelle zurück. Sie ist | |
eine der wenigen Kunden an diesem Mittwochmittag im Galeria Kaufhof am | |
Ostbahnhof. Aus den Lautsprechern dudelt leise „Maybe tomorrow“ von den | |
Stereophonics. 2003 war der Song in den Charts. | |
Es ist der letzte Sommer für Einkäufe am Ostbahnhof. Ende Juni 2017 läuft | |
der Mietvertrag für die Galeria-Kaufhof-Filiale aus. Das Unternehmen wird | |
ihn nicht verlängern. Zu wenig Kunden finden anscheinend noch den Weg in | |
das geschichtsträchtige Warenhaus. Ohnehin ist die neugebaute Filiale am | |
Alexanderplatz das Flaggschiff des Konzerns. „Ein Betrieb auf der | |
derzeitigen Verkaufsfläche lässt sich aufgrund der seit Jahren anhaltenden | |
Entwicklung im Umfeld wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll fortsetzen“, heißt | |
das dann im Unternehmenssprech. | |
Der Ausverkauf wird schleichend kommen. Für die 89 Beschäftigten soll es | |
keine betriebsbedingten Kündigungen geben, sondern Angebote für | |
gleichwertige Jobs in der Filiale am Alex. Was nach der Schließung mit dem | |
Gebäude passieren wird, ist unklar. | |
Von insgesamt sechs Etagen sind schon jetzt nur noch drei mit Waren | |
ausgestattet. Im Erdgeschoss befindet sich die „Schöne Welten“-Abteilung, | |
wie auf einer Anzeigetafel vor der Rolltreppe geschrieben steht. Links vom | |
Eingang sind Schultüten aufgestellt. Daneben Regale mit Schreibwaren, | |
Schreibheften, Füllern, Ordnern. Alles wirkt unberührt. Ein altes Ehepaar | |
schlendert durch die Gänge, abwechselnd zupfen sie an den Riemen von roten | |
Schulranzen herum. „Der hält doch die Last der Bücher nicht aus.“ – „… | |
guck mal, der ist doch schön.“ | |
## Bikinis und Gehstöcke | |
Hinter den Schreibwaren kommt die Bücherabteilung, eine Ecke nur. Ganz vorn | |
im Regal: „Die Oma in Roma“. Ein Paar Schritte weiter, in der | |
Parfümabteilung, rückt die Verkäuferin Kosmetikprodukte hin und her. Ein | |
paar Millimeter nach rechts, dann wieder nach links. | |
Auf der Rolltreppe nach oben: Im ersten Stock biegen ein Mann mit Gehstock | |
und seine Frau ab in die Damenabteilung. An der Kasse lächelt die | |
Verkäuferin, rosa Plastikblume im rotgefärbten Haar, der einzigen Käuferin | |
zu. Behutsam packt sie braune Moccasins in die Plastiktüte. | |
Eine Etage höher, in der Bademodenabteilung, reihen sich Bikinis mit dem | |
immer gleichem Karomuster in verschieden Farben aneinander. In der | |
Spielwarenabteilung, auf dem gleichen Stockwerk, betteln keine Kinder um | |
neue Spielzeuge. An der Decke baumelt einsam eine Pappfigur von einem | |
Männchen aus dem Monopolyspiel langsam hin und her. | |
Ab der dritten Etage geht es nicht mehr weiter. Vor der stillgelegten | |
Rolltreppe steht noch das grüne Schild mit der Aufschrift „Café und | |
Restaurant“. Doch wenn man nach oben schaut, brennt kein Licht in der | |
vierten Etage. | |
## Glorreiche Zeiten | |
Auch draußen, vor dem Gebäude mit der blau-roten Aluminiumfassade, herrscht | |
kaum Betrieb. Nur Petra Stangel steht vorm Eingang, die | |
Galeria-Kaufhof-Tüte in der rechten Hand. Heute hat sie Blusen gekauft. | |
„Ich habe es befürchtet“, sagt Stangel, als sie erfährt, dass dies ihr | |
letzter Sommer im Warenhaus sein wird. Sie ist um die 50 und war schon zu | |
DDR-Zeiten Kundin im „Centrum“, wie es damals hieß. „Da waren es natürl… | |
noch ganz andere Gegenstände, die verkauft wurden. Und es war immer | |
ziemlich voll“, so Stangel. | |
1979 wurde das Gebäude für das Warenhaus „Centrum“ erbaut und war damals | |
das modernste und größte der DDR. Umgeben vom ständigen Warenmangel, | |
pilgerten die Menschen aus der ganzen Republik zum „Centrum“. Dort wurde | |
man meistens fündig: auf der Suche nach einem japanischen Radio oder nach | |
dem Tonträger eines Westmusikers. Selbst aus Polen und der Tschechoslowakei | |
reiste Kundschaft nach Berlin, um am damaligen Hauptbahnhof der DDR | |
einzukaufen. | |
Zurück im Heute: Abends ist das Kaufhaus sogar noch leerer als um die | |
Mittagszeit. 20 Minuten lang bewegt sich die verglaste Eingangstür nicht. | |
Dann kommt eine Frau mit bunter Bluse heraus. Sie bleibt einen Moment | |
stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. „Ach, ist das traurig, dass | |
Galeria Kaufhof schließt“, sagt sie. Zieht an ihrer Zigarette und fügt noch | |
hinzu: „Weil es doch immer so schön leer ist.“ | |
29 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Daryna Sterina | |
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