Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Das Treppenhaus der Dinge
> Da hilft keine Vermieterpost: Wer tauschen will, der tausche. Das sagen
> sich auch viele Mieter, die das Glück einer passenden Fensterbank haben.
Bild: Bürgermeisterin Anschela Horstowna Kasnerkin telefoniert mit ihrem groß…
Es will mir einfach nicht gelingen. Egal zu welcher Uhrzeit, ich komme
nicht an ihm vorbei. Sie möchten wissen, an was ich nicht vorbeikomme? An
was ich tagaus, tagein zum Stehen komme? Ich halte Sie noch ein paar Zeilen
hin. Stattdessen erzähle ich Ihnen, was sich auf ihm befindet. Das, was
sich auf ihm befindet, ändert sich täglich, manchmal sogar stündlich.
Gestern etwa ging es bescheiden zu, ja, es wirkte nachgerade recht
verwaist. Gerade einmal zwei Schokohasen standen auf ihm herum, der eine
von einer renommierten Schweizer Chocolatier-Firma, der andere vom
Discounter. Beide Hasen längst dem Haltbarkeitsdatum entglitten.
Ich griff darob nicht zu, räumte, Achtung, jetzt löst sich die Spannung …
räumte dieses Mal nicht das Fensterbrett im ersten Stock unserer
Mietsbehausung ab. Ein schlohweiß gestrichenes, hölzernes Brett, darauf ein
komplett unentgeltlicher, anonymer Hausbewohnerflohmarkt: So sieht es bei
uns aus, und ich griff dies eine Mal nicht zu.
An anderen Tagen verhält es sich nicht so. Ich gehöre nämlich zu den
Abräumern im Haus – und ich habe gar manche Nachbarn im Verdacht, ebenfalls
in die Kategorie Abräumer zu fallen. Wäre es nicht so, ich könnte mir nicht
erklären, wie in der kurzen Zeit, in der ich Pfandflaschen rausstelle, die
Katze im Hof füttere und Irrläufer aus dem Briefkasten fische, eine
komplette Sammlung Apotheken Umschau 1984-1989 den Besitzer wechselt; wie
giftgrünes, klumpiges und angebrochenes Badesalz ein neues Heim findet oder
ein stilistisch unterirdisches Kunstblumenbukett samt Preisschild innerhalb
des Gebäudes umzieht.
## Wollüstig eisern
Wir sind diskret, wir sprechen unter Nachbarn nie über unser Treppenhaus
der Dinge. Wir genießen die Mitnahme diverser, meist sinnloser Objekte oder
gehen leise kopfschüttelnd daran vorbei. Das Treppenhaus der Dinge: Auch
mehrmalige Brandbriefe des Hausbesitzers und der beauftragten
Hausverwaltung haben nichts an diesem famos niederschwelligen Angebot
ändern können. Die Briefe waren stets des gleichen Inhalts: Man möge doch
bitte davon absehen, „Gegenstände auf dem Fensterbrett abzustellen“, und
überhaupt, brandgefährlich das Ganze, Feuerschutz und so. Derartige Post
hing immer genau einen Tag neben dem temporär leeren Brett, dann lag sie
zerknüllt im Papierkorb. Mittlerweile bleiben die Mitteilungen aus. Ein
Freund hatte mal vorgeschlagen, nach dem Ableben des allseits geschätzten
und betagten Hausinhabers keine weiteren Dinge mehr dort unten abzustellen,
sondern nur ein Foto von ihm, mit Trauerflor. Es kam anders.
Das Treppenhaus der Dinge: Wir als Hausgemeinschaft halten wollüstig eisern
daran fest. Obwohl es doch ein bisschen peinlich wirkte, als wir jüngst den
Nachbarn zum Grillen just jenen Tankstellenrotwein überreichten, den diese
ein paar Wochen zuvor auf das Brett gehievt hatten. Das Fleisch war
übrigens nicht so gut.
11 Sep 2018
## AUTOREN
Harriet Wolff
## TAGS
Flohmarkt
AKK
Advent
Bayernwahl
Jieper-Preis
England
Handy
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: „Annegret hat den Dreh raus!“
Deutsche Spitzenpolitikerinnen sind spitze bei Anlauten. Das
Wahrheit-Interview mit Anschela Horstowna Kasnerkin, Bürgermeisterin im
russischen Apatity.
Die Wahrheit: Die Adventskalender des Grauens
Ein informativer Streifzug durch die völlig vermüllte Welt der 24 Türchen
unter besonderer Berücksichtigung von Oswalt Kolle selig.
Die Wahrheit: In Bayern gehn die Ampeln anders
Nach der bayerischen Landtagswahl tritt in dem eigensinnigen Freistaat eine
brandneue Verkehrsordnung in Kraft.
Die Wahrheit: Drachenschwanzwurf nach Tifliser Art
Der Massenjubel beim Wahrheitklubtreffen auf der Frankfurter Buchmesse zog
georgische Heilige und Paradiesvögel an.
Die Wahrheit: High Tea mit Tiefgang
Der Wahrheit-Hausbesuch aus aktuellem Anlass: Was macht eigentlich die
Queen in der Brexit-Krise? Abwarten und Tee trinken? I wo!
Die Wahrheit: Im Stauraum der Weltgeschichte
Die Kulturstadt Kassel verdankt Jörg Mettmann viel. Er betreibt mit großer
Begeisterung historisch ins Gewicht fallende Räumlichkeiten.
Die Wahrheit: Der Chor der Detektive
Ein runder Geburtstag ist kein folgenloses Datum, erst recht nicht, wenn
just an dem Tag das Mobiltelefon verloren geht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.