Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Der Chor der Detektive
> Ein runder Geburtstag ist kein folgenloses Datum, erst recht nicht, wenn
> just an dem Tag das Mobiltelefon verloren geht.
Bild: Majestät, übernehmen Sie!?
Runde Geburtstage begehen. Das gehört zum Schwierigsten, ja nachgerade
Frivolsten, was das Leben in westlichen Kulturen zu bieten hat. In kleiner
oder großer Tafelrunde feiern, gar nicht feiern, nach Kalkutta oder
Pforzheim reisen oder einfach weitermalochen – der Optionen sind einige und
der Ausgang all dieser Unternehmungen ist klar: Der nächste runde
Geburtstag kommt bestimmt.
Gästebettwäsche besorgen – so profan begannen an jenem Vorabend die
Vorbereitungen für mein kreisrundes Jubiläum. Was kann es Schöneres geben,
als zu diesem Behufe das örtliche Berliner Warenhaus des Vertrauens
aufzusuchen, gelegen am Neuköllner Hermannplatz, und einzigartig in seiner
Mischung aus Kurzwaren, Ingwerstäbchen lose, Eidechsenfutter und
Rollkoffern für spanische Hipster auf Durchreise. Eine fast schon
untergegangene Analogwelt, jeder Besuch ein Genuss. Nicht so dieses Mal,
zumindest nicht im Nachgang, musste ich doch, zurück zu Hause und unter
einem Berg Gästebettwäsche fast begraben, feststellen, dass mein tragbares
Telefon fehlte. Wo bloß war ich seiner verlustig gegangen – bei Karstadt,
an der Currywurstbude oder schlicht auf dem Trottoir?
Fest stand: Die ganze mobile Geburtstagslogistik lag durch den Verlust in
Trümmern. Niemand würde mich morgen am in die Jahre gekommenen Wiegenfeste
persönlich erreichen, um mir was auch immer ins Ohr zu quaken. An der
Schwelle zur 50 sank ich in einen unruhigen Schlaf. Am folgenden späten
Vormittage dann blickt der Lebensgefährte auf sein Handy. Ein gutes Dutzend
Nachrichten tummeln sich dort, alle des ungefähr selben Inhalts. Ich solle
doch meine Schritte zur Sicherheitsmannschaft von Karstadt lenken, dort
warte das Ersehnte auf mich. Heißa! Dann noch eine Nachricht: „Hier spricht
die Security: Alles Gute zum Geburtstag!“ Nichts wie hin.
Im dortigen Kundencenter holt mich schließlich die Sicherheit in Gestalt
eines feschen und so gar nicht in die Jahre gekommenen Hünen ab. Der Hüne
geleitet mich durch die mit einigen zehntausend Büstenhaltern dekorierte
Dessous-Abteilung. Aus meiner Tasche kullert noch nicht bezahlte Ware, für
die ich mich auf dem Weg zum Kundencenter entschieden habe. „Wenn das der
Ladendetektiv wüsste!“, quiekse ich wechseljahreverdächtig. „Ich bin der
Ladendetektiv!“, pariert der Hüne mit sonorer Stimme. Es wird ja immer
besser.
Im letzten Winkel des Dessous-Reichs verschwinden wir hinter einer
gesicherten Tür. Dahinter liegt ein schmuckloser Bürotrakt, darin weitere
fesche junge Männer, die Ladendetektei. Der Hüne überreicht mir mein Handy,
dann fasst er die Nachrichtenlage des vergangenen Vormittages zusammen:
„Acht Gratulanten, davon zwei, die nicht sehr gut singen können. Ihre
Schwiegermutter schickt Ihnen heute noch eine aufblasbare Gummikrone zum
Fünfzigsten.“ Als ich dankend gehen will, stimmen die Detektive „Hoch soll
sie leben“ an. Im Chor. Für mich.
15 Feb 2018
## AUTOREN
Harriet Wolff
## TAGS
Handy
Flohmarkt
England
Grüne
Markus Söder
Christian Lindner
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Das Treppenhaus der Dinge
Da hilft keine Vermieterpost: Wer tauschen will, der tausche. Das sagen
sich auch viele Mieter, die das Glück einer passenden Fensterbank haben.
Die Wahrheit: High Tea mit Tiefgang
Der Wahrheit-Hausbesuch aus aktuellem Anlass: Was macht eigentlich die
Queen in der Brexit-Krise? Abwarten und Tee trinken? I wo!
Die Wahrheit: Im Stauraum der Weltgeschichte
Die Kulturstadt Kassel verdankt Jörg Mettmann viel. Er betreibt mit großer
Begeisterung historisch ins Gewicht fallende Räumlichkeiten.
Die Wahrheit: Habeckbaerbockst du schon?
Die ultimative Lobhudelei des neuen grünen Dream-Duos geht
granatenhammerhart weiter und immer weiter …
Die Wahrheit: Söders schäumende Säfte
Ein Enthüllungsbuch über den designierten fränkischen Ministerpräsidenten
lässt nicht nur München, sondern die ganze Republik kochen.
Die Wahrheit: Wuppertal mischt die Karten neu
Am Geburtsort von Christian Lindner findet sich ein ziviles Bündnis nicht
mit den desolaten politischen Zuständen im Bund ab. Ein Ortsbesuch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.