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# taz.de -- Brückeneinsturz in Genua: Ruf nach Verstaatlichung
> Nach dem Brückeneinsturz mit vielen Toten in Genua will die Regierung in
> Italien die Betreiber zur Rechenschaft ziehen. Auch französische Behörden
> ermitteln.
Bild: Vermisste gesucht: An der Morandi-Brücke sind weiterhin Hunderte Rettung…
Genua/Mailand/Paris/Bogotá dpa/rtr | Nach dem Brückeneinsturz in Genua mit
Dutzenden Toten geht die Diskussion über Konsequenzen für mutmaßliche
Verantwortliche der Katastrophe weiter. Der Staatssekretär im
Verkehrsministerium, Edoardo Rixi, und Regionalpräsident Giovanni Toti
kündigten am Donnerstag an, dass im kommenden Jahr ein neuer Viadukt
anstelle des zusammengebrochenen stehen solle. In der Nacht zu Freitag
wurden keine weiteren Opfer geborgen. Die Präfektur hat bislang 38 Tote
bestätigt. Elf Verletzte werden noch in Krankenhäusern behandelt.
An der Unglücksstelle waren auch in der Nacht noch Hunderte Rettungskräfte
im Einsatz, um nach Vermissten zu suchen. Die Chancen, Überlebende zu
finden, sind fast drei Tage nach der Tragödie aber schwindend gering. Am
Samstag um 11:30 Uhr soll ein Staatsbegräbnis für die Opfer stattfinden.
Das Verkehrsministerium richtete eine Kommission ein, die technische
Überprüfungen und Analysen an der am Dienstag eingestürzten Brücke
durchführen soll. Während eines Unwetters war ein etwa 180 Meter langer
Abschnitt des wichtige Polcevera-Viadukts in der italienischen Hafenstadt
in die Tiefe gestürzt und hatte zahlreiche Fahrzeuge mitgerissen.
Die Ergebnisse der Arbeit sollen einer Mitteilung des Ministeriums zufolge
schließlich dazu dienen, über eine mögliche Entziehung der Lizenz für den
privaten Autobahnbetreiber zu entscheiden. Italienische Medien werteten das
als Zurückrudern einiger Regierungsmitglieder, die die Verantwortung für
die Katastrophe bereits am Mittwoch dem Betreiber Autostrade per l'Italia
zugewiesen hatten. Auch Regierungschef Giuseppe Conte hatte erklärt, dass
bereits erste Schritte für den Entzug der Konzession eingeleitet worden
seien.
Der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung und Minister für Wirtschaftliche
Entwicklung, Luigi Di Maio, bekräftigte am Donnerstagabend im Sender La7,
man werde dem Unternehmen nicht nur die Lizenz für die Autobahn entziehen,
sondern auch eine Strafe von bis zu 150 Millionen Euro verhängen und dafür
– wenn nötig – auch vor Gericht ziehen.
## Überprüfung des Betreibers
Di Maio sagte im Rundfunk, wenn die Betreiber der Autobahnen nicht in der
Lage seien, ihre Aufgabe richtig zu erfüllen, dann müsse der Staat die
Autobahnen übernehmen. „Es kann nicht sein, dass man Maut bezahlt und dann
stirbt“, sagte er. Jene, die für die Wartung zuständig seien, hätten ihre
Arbeit nicht ordentlich gemacht. Die Brücke hätte geschlossen werden
müssen. Viele Menschen ärgerten sich darüber, dass die Autobahnbetreiber
als Monopolisten große Gewinne machten, erklärte der
Vize-Ministerpräsident. „Es hätte viel Geld in die Sicherheit investiert
werden müssen. Stattdessen floss es in die Dividenden.“
Der Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, sagte, er
wolle von dem Betreiber „alles, was möglich ist“ für die Angehörigen der
Opfer, die Verletzten und die nun Obdachlosen bekommen. „Über Konzessionen,
Strafen und Spitzfindigkeiten reden wir von kommende Woche an“, zitierte
ihn Ansa.
Die italienische Regierung hat eine Überprüfung des Autobahnbetreibers
Autostrade per l'Italia gestartet. Das Unternehmen habe 15 Tage Zeit, um
nachzuweisen, dass es alle vertraglichen Verpflichtungen bezüglich der
ordnungsgemäßen Funktion der Brücke und der Vermeidung von Unfällen erfüllt
habe, erklärte das Verkehrsministerium am Donnerstag. Sollten die Auskünfte
als unzureichend eingestuft werden, wäre dies ein Bruch der
Konzessionsbedingungen.
Die Muttergesellschaft Atlantia wurde aufgefordert, sofort den Wiederaufbau
der Brücke auf eigene Kosten anzugehen. Auch für den Wiederaufbau der unter
der Brücke zerstörten Gebäude müsse Atlantia aufkommen. Atlantia wird von
der Familie Benetton kontrolliert. Das Unternehmen besitzt 88 Prozent am
größten Betreiber mautpflichtiger Straßen in Italien.
## Frankreich leitet eine Untersuchung ein
Aus Sicherheitsgründen waren insgesamt 13 Wohnhäuser evakuiert worden. 558
Menschen verloren der Präfektur zufolge ihr Zuhause. 117 seien in Hotels
oder bei Privatleuten untergebracht.
Der mehr als 40 Meter hohe Polcevera-Viadukt, der auch Morandi-Brücke
genannt wird, spannt sich nicht nur über Wohnhäuser, sondern auch über
Gleisanlagen und Fabriken und ist seit langem umstritten. Die Brücke ist
Teil der Autobahn 10 und verbindet den Osten mit dem Westen der Stadt. Sie
ist als Urlaubsroute „Autostrada dei Fiori“ bekannt und eine wichtige
Fernstraße nach Südfrankreich, in den Piemont und die Lombardei.
Der Brückeneinsturz beschäftigt auch die französische Justiz. Die
Staatsanwaltschaft in Paris leitete eine Untersuchung wegen des Verdachts
auf fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung ein, wie die
Behörde am Donnerstag auf Anfrage bestätigte. Grund ist, dass auch
Franzosen unter den Opfern sind – in solchen Fällen im Ausland ist es
üblich, dass sich französische Ermittler einschalten. Nach Angaben des
Pariser Außenministeriums starben bei dem Unglück vier Franzosen.
Bei dem Unglück in Norditalien sei auch ein Kolumbianer zu Tode gekommen,
teilte das Außenministerium in Bogotá am Mittwoch mit. Medienberichten
zufolge handelt es sich bei dem Todesopfer um einen 30-Jährigen, der als
Vorstandsmitglied einer Jugendmannschaft von Inter Mailand tätig war.
17 Aug 2018
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