| # taz.de -- Inschrift nach 76 Jahren: Ein Grab, das keines ist | |
| > BewohnerInnen der Bulthauptstraße gedenken auf dem Friedhof Hastedt des | |
| > 1942 in Theresienstadt gestorbenen Aron Aronsohn. Beerdigt wurde er dort | |
| > allerdings nicht. | |
| Bild: Erster Gedenkstein für Aron Aronsohn in der Bulthauptstraße | |
| Bremen taz | Am Sonntag gedenken Anwohner*innen der Bremer Bulthauptstraße | |
| in Schwachhausen auf dem Hastedter Friedhof des jüdischen Bremers Aron | |
| Aronsohn. Zuvor hatten sie seinen Namen in den Grabstein seiner 1931 | |
| verstorbenen Frau Selma gravieren lassen. | |
| Jahrzehntelang war die rechte, durch einen senkrechten Strich abgeteilte | |
| Hälfte des Steins leer geblieben – sie war vorgesehen für Selmas Mann. Aber | |
| Aron Aronsohn, dem bis 1935 das Haus in der Bulthauptstraße 36 gehört | |
| hatte, wurde von den Nazis 1942, im Alter von 83 Jahren, aus einem | |
| Altersheim in Gröpelingen in das Getto Theresienstadt deportiert. Dort | |
| starb er nur einen Monat später. Wo und ob er beerdigt wurde, ist ungewiss. | |
| Wolfgang Vorwerk, der heutige Besitzer von Aronsohns ehemaligem Haus, | |
| wollte die Leerstelle auf dem Grabstein schließen. Gemeinsam mit weiteren | |
| AnwohnerInnen der Bulthauptstraße sammelte er Geld und ließ Aronsohns Namen | |
| neben den seiner Frau gravieren. | |
| Doch statt „hier ruht“ heißt es auf „seiner“ Seite des Steins: „Hier… | |
| ruhen.“ Denn um seine letzte Ruhestätte handelt es sich für die Vorsitzende | |
| der jüdischen Gemeinde in Bremen Elvira Noa nicht. „Es ist ein | |
| Gedenkstein“, sagt sie. | |
| Durch ihn kehre der Verstorbene ins Gedächtnis der Lebenden zurück und | |
| finde sein Seelenheil: „Denn die Seele lebt in denen weiter, die der Toten | |
| gedenken.“ | |
| Dabei gibt es bereits einen Stolperstein zum Gedenken an Aron Aronsohn, | |
| verlegt vor seinem ehemaligen Haus an der Bulthauptstraße 36. Und der | |
| macht, anders als die Gravur auf dem Stein seiner Frau, deutlich, warum er | |
| eben nicht in Bremen begraben wurde: „Deportiert 1942 Theresienstadt. Tot | |
| 22.9.1942“ steht da, recht unmissverständlich. | |
| ## Schmerzhafte Leerstelle | |
| Unmissverständlich und schmerzhaft war auch die Leerstelle auf dem | |
| Grabstein – denn genau diese Leerstellen sind durch Vertreibung und | |
| Massenmord an den Juden ja geschaffen worden. | |
| Dass nichtjüdische Anwohner*innen das Gedenken an Aron Aronsohn durch das | |
| Auffüllen der Leerstelle initiierten, sei „fantastisch“, sagt indes Elvira | |
| Noa. Zwei Jahre begleitete sie den Initiator Vorwerk bei dem Entwurf der | |
| deutschen und hebräischen Grabschrift sowie der Planung der | |
| Wiedereinsetzung. | |
| Vorwerks Recherchen zufolge handelte der 1859 in Retowo, einem kleinen Dorf | |
| in der damaligen Provinz Pommern, geborene Aronsohn in Bremen erfolgreich | |
| mit Jutesäcken. Ab 1911 war er Mieter im Haus in der Bulthauptstraße, bis | |
| er es vierzehn Jahre später kaufte. Wenige Jahre nach der sogenannten | |
| Machtergreifung Hitlers verkaufte der jüdische Kaufmann es. Während der | |
| November-Pogrome 1938 kam er in „Schutzhaft“ ins Konzentrationslager | |
| Sachsenhausen. | |
| Nur knapp drei Jahre lebte er danach in einem jüdischen Altersheim in | |
| Gröpelingen, bis er 1942 in das Sammellager in Theresienstadt deportiert | |
| wurde. Dort starb er kurz darauf aufgrund der „Entbehrungen“ durch das | |
| Lager, so Vorwerk. Nachkommen hinterließ Aronsohn nicht: Seine Frau war | |
| bereits tot, ebenso seine einzige Tochter, die 1907 starb. | |
| ## Die Nachbarschaft hat zusammengelegt | |
| Auf einem Zettel im Hausflur bat Vorwerk seine Nachbar*innen um Spenden und | |
| gewann in kurzer Zeit ein gutes Dutzend Unterstützer*innen. Der Gedenkstein | |
| ist ihnen auch vor dem Hintergrund einer erstarkenden AfD ein Anliegen: „In | |
| dieser Zeit ist es besonders wichtig, ein Zeichen gegen Antisemitismus und | |
| Xenophobie zu setzen“, sagt Vorwerk. | |
| Nun wollen die Anwohner*innen der Bulthauptstraße am Sonntag um 10 Uhr 30 | |
| der traditionellen jüdischen Begräbniszeremonie beiwohnen, die Bremens | |
| Landesrabbiner Natanel Teitelbaum leiten wird. Für Vorwerk ein wichtiger | |
| Moment: Als Botschafter und Nahost-Beauftragter unter Außenminister Joschka | |
| Fischer hat er viele emotionale Zusammentreffen etwa mit | |
| Holocaust-Überlebenden in Boston/USA erlebt. | |
| Die Initiative für den Gedenkstein Aron Aronsohns jedoch ist rein privat – | |
| und ihm, der sich seit Jahrzehnten mit der Schoah beschäftigt, ein ganz | |
| besonderes Anliegen. | |
| 24 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva Przybyla | |
| Simone Schnase | |
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