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# taz.de -- SchülerInnen verlegen Stolperstein: Einfach mal wieder stehenbleib…
> SchülerInnen der Freien Waldorfschule Kreuzberg haben das Schicksal einer
> jüdischen Familie recherchiert. Ein kleiner Ortstermin.
Bild: Manchmal muss man sie auch putzen: Zwei von 7.500 Stolpersteinen in Berlin
Meistens stolpert man nur so über sie hinweg, weil man sich inzwischen an
sie gewöhnt hat: Diese kleinen, blankgeputzten Messingtäfelchen in
Pflastersteingröße auf den Gehwegen, ein Name darauf, ein Geburtsdatum, die
Todesdaten alle mehr oder weniger gleich. Ermordet 1943 in Buchenwald, 1945
in Auschwitz. Also: Einfach mal wieder stehenbleiben und sich von den
Stolperstein-Schicksalen, 7.500 erinnern inzwischen an die Deportationen
der Nazis, berühren lassen.
Zum Beispiel könnte man kurz vor dem Haus Ritterstraße 55 in Kreuzberg
stehen bleiben. Aus diesem Haus verschwand am 13. Januar 1942 das jüdische
Ehepaar Leo und Hedwig Cohn. In einem Zug wurden sie mit 1.034 anderen
Menschen nach Riga deportiert, in Lettland kamen sie drei Tage später an.
Vermutlich wurden sie dort bei einer der Massenerschießungen ermordet. Das
steht zwar alles nicht auf dem Messingtäfelchen, das ein Mitarbeiter der
Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin am Donnerstagmittag mit einem
Gummihammer vorsichtig im Straßenpflaster festklopft.
Aber das ist genau die Geschichte, die AchtklässlerInnen der benachbarten
Freien Waldorfschule Kreuzberg recherchiert haben. Dass das nicht so leicht
war, versteht sich von selbst: Man habe zunächst von der
Koordinierungsstelle eine lange Liste mit all den Namen der jüdischen
Familien bekommen, die aus der Ritterstraße deportiert wurden, erzählt die
Geschichtslehrerin Olivia Girard. Sie hatte das Projekt angestoßen –
zunächst machten vier SchülerInnen mit, am Ende wollte die ganze Klasse
wissen, was damals in der Straße, die heute ihr Schulweg ist, geschehen
ist.
„Dann hatten wir Glück“, sagt Girard. Man habe einfach mal bei den Cohns
weiter recherchiert – und wurde bei der Entschädigungsbehörde des Landes
fündig. Der Sohn Heinz Cohn hatte dort zehn Jahre nach Kriegsende einen
Antrag gestellt. Die SchülerInnen gruben sich weiter durch Unterlagen, am
Ende stöberten sie zwei Urenkel der Cohns auf, die heute in Israel und den
USA leben. Philipp, der Amerikaner, ist sogar extra zur
Stolpersteinverlegung gekommen: Er steht vor den Steinen, die in der
Mittagssonne funkeln, und spricht ein hebräisches Gebet.
Die Kinder hören ganz still zu und legen leise ihre weißen Rosen nieder.
18 May 2018
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Stolpersteine
Judenverfolgung
Nazis
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Holocaust
Antisemitismus
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