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# taz.de -- Antworten auf die Erntebilanz: Geldsegen gegen mangelnden Regen
> Die Politik reagiert auf die Missernte: 340 Millionen Euro sollen Bund
> und Länder für die Bauern lockermachen. Aber langfristig helfen wird das
> nicht.
Bild: Höllensommer 2018: Ein Landwirt in Niedersachsen erntet Gerste
Stellen Sie sich bitte vor, 2019 regnet es unaufhörlich – retten Sie dann
die Biergartenbesitzer? Julia Klöckner,
CDU-Bundeslandwirtschaftsministerin, antwortet, die Landwirtschaft sei
keine Branche wie jede andere, sondern eine, die existenziell sei, denn
produziert würden die „Mittel zum Leben“.
Da hatte Klöckner gerade bekannt gegeben, dass Deutschlands dürregeplagte
Bauern Hilfen vom Bund bekommen – 150 bis 170 Millionen Euro. Das ist viel
Geld, wenn auch weit weniger als die Milliarde, die der Deutsche
Bauernverband gefordert hatte. Klöckner muss sich rechtfertigen, sie weiß
das. Schon seit Tagen versucht sie den Eindruck zu erwecken, nur den Fakten
verpflichtet zu sein, und der Gesellschaft, nicht dem deutschen
Bauernverband, der mächtigen Lobbyorganisation. Das wurde ihren Vorgängern
vorgehalten, etwa dem CSU-Mann Christian Schmidt.
Die Lage: Der Deutsche Bauernverband spart nicht mit Superlativen, sprach
schon Ende Juli von der „schlechtesten Ernte des Jahrhunderts“ – und fand
in der Union Gehör. Fraktionschef Volker Kauder zum Beispiel forderte
bereits Anfang August: „Wir sollten nicht kleinlich sein.“ Die Bauern
gelten nach wie vor als wichtige Wählerklientel für CDU und CSU. Doch die
Agrarministerin gab sich auch am Mittwoch betont sachlich: „Das kann man
nicht aus dem Bauch heraus, nicht nach subjektiven Prognosen, auch nicht
nach Emotionen entscheiden.“ Dafür müsse man harte Daten sehen – die
Erntebilanz.
Die liegt jetzt vor. Demnach holen die Bauern in diesem Jahr vor allem
weniger Getreide von ihren Feldern – deutschlandweit 16 Prozent minus. Das
ist so wenig wie seit 1994 nicht mehr. Am stärksten betroffen sind
Schleswig-Holstein (–31 Prozent), Brandenburg (–27 Prozent), Sachsen-Anhalt
(–26 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (–25 Prozent).
## „Höchste Temperaturanomalie seit Wetteraufzeichnung“
Zwar freuen sich Obstbauern ebenso wie Winzer über eine gute Ernte.
Insgesamt aber kämen rund 10.000 Betriebe und damit etwa jeder 25.
landwirtschaftliche Betrieb in Deutschland nicht mehr hin, rechnete
Klöckner vor. Das Problem liege in der laut Deutschem Wetterdienst „bisher
höchsten Temperaturanomalie seit Beginn der Wetteraufzeichnung“. Den Bauern
verdorrt nicht nur das Getreide, auf Wiesen und Weiden wirkt das Gras
bräunlich, der Mais auf den Äckern kümmerlich. Der Boden: ausgetrocknet.
Darum nun die Hilfen – 15 Jahre nach der letzten Dürrehilfe vom Staat.
Damals waren 4.400 Betriebe betroffen, hatten Bund und Länder 80 Millionen
Euro gezahlt. Man kann sich gut vorstellen, dass SPD-Finanzminister Olaf
Scholz, auch wenn derzeit die Kasse gefüllt ist, seiner CDU-Kollegin nicht
die größten Spielräume lässt. Am Dienstagabend hätten sie telefoniert,
sagte Klöckner, und sich auf den „Korridor von 150 bis 170 Millionen Euro“
geeignet.
Am Mittwoch rief sie dann einen Schaden „nationalen Ausmaßes“ aus. Wegen
des europäischen Wettbewerbsrechts kann der Bund nur so aktiv werden. Doch
sollen die Länder noch einmal dieselbe Summe drauflegen, damit insgesamt
340 Millionen Euro zusammenkommen. 14 Länder haben Schäden und damit
Interesse am Bund-Länder-Programm angemeldet, darunter selbst Berlin,
Hamburg und Bremen, nur Rheinland-Pfalz und das Saarland nicht.
Es gebe keine „Vollkasko-Entschädigung“, versicherte Klöckner. Die
Voraussetzungen, damit der Staat einspringt sei erstens: „Betroffenheit“ –
ein Betrieb müsse mehr als 30 Prozent Verluste haben. Zweitens:
„Bedürftigkeit“: Der Hof müsse in seiner Existenz bedroht sein.
## Die nächste Dürre kommt bestimmt
Nur: Wie werden die Verluste genau berechnet? Muss ein Bauer erst seine
Maschinen verkaufen, bevor er Hilfe bekommt? Es gebe immer eine
„betriebsindividuelle Prüfung“, meinte Klöckner. Betriebe, die Tiere
halten, solle besonders schnell geholfen werden.
Die akute Not kann das vielleicht lindern. Doch die nächste Dürre, das
nächste Wetterextrem kommt bestimmt. Davor warnen Klimawissenschaftler. Aus
eigener Kraft werden viele der Bauern das nicht stemmen können, die ohnehin
schon wegen der niedrigen Preise für Milch oder Fleisch leiden. Dabei kommt
schon heute ein Großteil ihres Einkommens aus Subventionen: Europaweit
fließen jedes Jahr rund 58 Milliarden Euro in die Landwirtschaft, die
deutschen Bauern bekommen 280 Euro pro Hektar – egal wofür sie es nutzen.
Derzeit würden verschiedene Ideen debattiert, sagte Klöckner. Darunter etwa
steuerfreie Klimarücklagen: Die Bauern sparen in guten Zeiten für
künftige Krisen Gewinne an, auf die sie keine Steuern zahlen müssen. Aber
müssen Bauern nicht selbst etwas tun gegen den Klimawandel – und
Subventionen künftig daran geknüpft werden? Das mahnte am Mittwoch der
grüne Fraktionschef Anton Hofreiter an, genauso Umweltverbände wie der
Bund, Nabu oder WWF. Klöckner meinte, „so hochdimmen“ dürfe man diesen
Sommer nun auch nicht.
23 Aug 2018
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Hitzewelle
Ernte
Landwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
Dürre
Julia Klöckner
Schwarz-rote Koalition
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
Landwirtschaft
PIK
Dürre
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