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# taz.de -- Seehofer jammert im Sommerinterview: Maximal unsouverän
> Der Innenminister probt die Opferrolle als seinen neuen Habitus. Dabei
> sollte ihm klar sein, dass ihm diese Masche niemand abkaufen wird.
Bild: „Seehofer der Beleidigte“ ist eine alte Rolle. Die neue heißt: „Se…
Für Horst Seehofer ist Horst Seehofer ein ganz schönes Opfer. Alle haben
sich von ihm abgewandt, keiner versteht ihn und jetzt haben sich auch noch
die Medien gegen ihn verschworen. Der Diffamierte, der Betrogene, der
Gemobbte: Das ist die Rolle, in der sich der CSU-Chef und Innenminister in
diesem Sommer suhlt.
Am Sonntag war es mal wieder so weit: [1][Im ARD-Sommerinterview beklagte
sich Seehofer], er und seine Partei seien in der Asyldebatte „in Bezug
gesetzt worden zu Mördern, zu Rassisten, zu Terroristen, zu Nazis“. Über
den Begriff des „Asyltourismus“ rege sich normalerweise nie jemand auf,
aber „wenn’s die CSU sagt, kommt sofort die Sprachpolizei und will uns
bevormunden“. Und dass er die Autorität der Kanzlerin nicht akzeptiert?
Stimme doch überhaupt nicht. Der Eindruck entstehe nur, „weil man immer
nicht richtig zuhört und nicht richtig wiedergibt, was ich tatsächlich
gesagt habe“.
Das passt zu Seehofers Auftritten der vergangenen Wochen: Im
oberbayerischen Bierzelt [2][kündigte er am letzten Donnerstag mit großer
Geste an], sich noch im August auf Twitter anzumelden – „weil manche
Wahrheiten ich sonst nicht unter eine breitere Bevölkerung bekomme“. Zuvor
hatte er die Schirmherrschaft beim Deutschen Nachbarschaftspreis abgegeben,
weil ihm die Veranstalter angeblich „Toleranz, Mitmenschlichkeit und
Offenheit absprechen“. Und schon im Juli [3][beschwerte er sich in der
Augsburger Allgemeinen], dass in der Flüchtlingspolitik „eine Kampagne
gefahren wird, die geht gegen mich und meine Partei“.
Der Mann wirkt ganz schön angefasst. Vielleicht steckt ja Kalkül dahinter:
Die Rolle des Missverstandenen, von den Medien bekämpft und diskreditiert,
hat in den letzten Jahren ja erstaunlich gut gezogen – bei Rechtspopulisten
in Deutschland (AfD) und anderswo (Donald Trump). In deren Politikkonzept
ist der Opfergestus die zentrale Säule.
Blöd nur: Die Rechnung wird nicht aufgehen. Der Anti-Establishment-Habitus
mag bei den neuen Rechten funktionieren, nicht aber bei einem Mann, der in
den letzten Jahrzehnten durch fast alle Ämter gelaufen ist, die die
deutsche Politik zu bieten hat.
## Seehofer, der Beleidigte
Vielleicht ist das Ganze aber auch eine Frage des Charakters: Schon früher
hat Horst Seehofer bei Gegenwind gerne um sich geschossen. Wenn er seine
Krankenhausreform nicht bekomme, könne er sich auch einen neuen Job suchen,
drohte er in den 1990ern als Gesundheitsminister. Ein paar Jahre später
trat er tatsächlich als Fraktionsvize zurück, weil ihm die
Gesundheitspolitik der CDU/CSU nicht passte. Seehofer, der Beleidigte: Das
gab es also schon mal.
Nur: Damals handelte er aus einer Position relativer Stärke heraus. Amt
verloren? Egal. Damals war Horst Seehofer jung genug. Er konnte abwarten,
bis seine Rivalen über sich selbst stolpern – und dann selbst auftrumpfen.
Total souverän.
Und heute? Ist Seehofer der Gescheiterte. Die Partei hat ihn nach Berlin
abgeschoben. Im Asylstreit hat er so gut wie nichts erreicht (von
Massenprotesten und sinkenden Umfragewerten mal abgesehen). Und seine
Rivalen Söder und Dobrindt haben ihn wohl nur deshalb noch nicht
abgeschossen, weil sie ihn als Sündenbock noch gut gebrauchen können.
Der CSU-Chef könnte in dieser Situation einlenken und Fehler einräumen. Er
könnte seine Position auch beibehalten und sachlich erklären, warum er sie
noch immer für richtig hält. Oder er lässt beides bleiben, gibt weiterhin
das Opfer – und wird es damit schaffen, seine Karriere maximal unsouverän
zu beenden.
6 Aug 2018
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-433507.html
[2] https://www.djv.de/startseite/service/news-kalender/detail/aktuelles/articl…
[3] https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Seehofer-wirft-Kritikern-gezie…
## AUTOREN
Tobias Schulze
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