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# taz.de -- Pro und Contra Kita-Gebührenfreiheit: Sollen Kitas kostenlos sein?
> Berlin streicht zum 1. August die Kita-Gebühren. Hört sich zunächst gut
> an, ist aber tatsächlich umstritten.
Bild: Gratis-Kitas: Gesellschaftliche Aufgabe oder Geschenk für den Bionade-Bi…
## Ja – Kitas sollten gebührenfrei sein
Warum sollen Kinder in die Kita? Damit Mama und Papa ein schönes Leben
haben? Nein, denn Kitas, Krippen und Kindergärten sind kein Parkplatz für
nervige Bälger, sondern sie sind die erste Stufe eines Bildungssystems, in
dem die Kids Grundlagen fürs Leben lernen. Schreiben und Rechnen wird
später an der Schule gelehrt, hier geht es ums Sprechen und um soziale
Kompetenz. Das ist nichts weniger als der Kitt, der die Gesellschaft
zusammenhält.
Kitas sind kein optionales Angebot an Eltern, ihr Besuch liegt in höchstem
Maße im gesellschaftlichen Interesse. Genau wie der Besuch von Schulen und
Unis. Bildung ist eine Investition des Staates in seine Bürger, die sich
auf allen Ebenen auszahlt.
Diese Investition darf keinem Kind vorenthalten werden – auch keinem Kind
reicher Eltern, die gern auf die Idee kommen, sich die Kitagebühren zu
sparen, um mehr Geld für Luxus rauszuschmeißen. Babyyoga etwa. Oder
Privatlehrer. Denn Geld macht nicht klug, sondern verführt nur zur
Weitergabe von Egoismen.
Aber fehlt das Geld dem Staat nicht an anderer Stelle, wenn er selbst
Reichen [1][beitragsfreie Kitas] gewährt? Dass diese Frage auch in linken
Kreisen für diskutabel gehalten wird, zeigt, wie weit die neoliberalen
Ideologen mit ihrer Propaganda gegen staatliche Fürsorge aller Art Erfolg
hatten. Sie wollen den Staat kleinhalten und das Individuum für alles
verantwortlich machen. Dabei sind nach Einkommen gestaffelte Kitagebühren
genauso gerecht wie nach Einkommen gestaffelte Studiengebühren,
Schulgelder, Schwimmbadgebühren, U-Bahn-Fahrkarten oder Straßenmauts:
nämlich gar nicht.
Wenn dem Staat Geld für gesamtgesellschaftliche Aufgaben fehlt, bleibt ihm
ein einfaches Mittel: Steuern erhöhen, [2][vor allem für Superreiche], ganz
egal, ob diese Kinder haben oder nicht. (Gereon Asmuth)
## Nein – das fördert nur Gutverdienende
Die staatliche Ausgabenpolitik linker Parteien in Deutschland in den
vergangenen 15 Jahren lässt sich grob in zwei Phasen unterteilen: In der
ersten, als die Kassen knapp waren, wurde vor allem beim unteren Drittel
der Bevölkerung gekürzt, das so zunächst in die Nichtwählerschaft und dann
teilweise zur AfD getrieben wurde. Als wieder etwas mehr Geld zu verteilen
war, pamperte man die verbliebene Kernklientel aus Facharbeitern und
Akademikern. [3][Hartz IV] steht beispielhaft für die erste Phase, die
[4][Rente mit 63] für die zweite.
Auf Landesebene sieht es oft nicht viel anders aus: 2004 privatisierte der
rot-rote Senat in Berlin die 65.000 Wohnungen der landeseigenen
Wohnungsgesellschaft GSW. Diese lagen vor allem in den sogenannten
Kleine-Leute-Vierteln Berlins. Heute gehören sie der Deutsche Wohnen,
[5][die die Mieten anhebt, wo sie kann]. Für einen Rückkauf müsste das Land
Berlin sich wieder massiv verschulden, bekäme aber einen großen Einfluss
auf den immer stärker steigenden Mietspiegel der Stadt.
Dass die Kitagebühren von Akademikerhaushalten mit Eigentumswohnung in
Prenzlauer Berg zu den großen sozialen Problemen Berlins zählen, war
hingegen bisher nicht bekannt. Das hindert den Senat nicht daran, auch
ihnen auf Landeskosten jetzt kostenlose Kitplätze zu schenken. Es ist ein
altes SPD-Projekt: Klaus Wowereit, der in den Jahren zuvor halb Berlin
privatisiert hatte, war in den Wahlkampf 2006 mit der Idee kostenloser
Kitas für alle gezogen.
Das Geld, das Rot-Rot-Grün jetzt dem Bionade-Biedermeier vom Kollwitzplatz
schenkt, wird zukünftig woanders fehlen, vor allem in der Wohnungspolitik.
Der Senat fördert damit die eigene gutverdienende Klientel. Sein Vorbild
heißt Horst Seehofer: Dessen Mütterrente ist ein Wahlgeschenk für viele,
zulasten derer, die es nötig haben. Jetzt seehofert der Berliner Senat.
(Martin Reeh)
1 Aug 2018
## LINKS
[1] /Berlin-macht-Kitas-kostenlos-fuer-alle/!5520528
[2] /Debatte-Milliardaere/!5109265
[3] /!t5008711/
[4] /Rente-mit-63-Jahren/!5487409
[5] /Studie-ueber-die-Deutsche-Wohnen/!5396343
## AUTOREN
Gereon Asmuth
Martin Reeh
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