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# taz.de -- Arte-Themenabend zu Artur Brauner: Zwischen Trash und Anspruch
> Brauner ist der wohl bedeutendste Filmproduzent der deutschen
> Nachkriegsgeschichte. Arte feiert seinen 100. Geburtstag mit einem
> Themenabend.
Bild: Der jüdische Junge Sally (Marco Hofschneider) in „Hitlerjunge Salomon�…
Was für ein Leben! Was für ein Werk! [1][Artur Brauner], der wohl
bedeutendste Filmproduzent der deutschen Nachkriegsgeschichte, feiert am
Mittwoch seinen 100. Geburtstag. Doch während im deutschen Fernsehen sonst
jeder zweitklassige Moderator irgendwann mit einer Gala geehrt wird, muss
man Sendungen zu Brauners Jahrhundert-Geburtstag mit der Lupe suchen. Das
verstehe, wer will.
Immerhin: Arte gratuliert mit einem interessanten Themenabend. Dieser
beginnt um 20.15 Uhr mit dem Drama „Hitlerjunge Salomon“ (1990), wird mit
der Doku „Der Unvollendete“ fortgesetzt, und endet mit dem
Softcore-Thriller „Sie tötete in Ekstase“ (1971). Die beiden Spielfilme
könnten unterschiedlicher nicht sein, Arte möchte so die Spannbreite der
Braunerschen Produktionen abbilden.
Artur Brauner kam als Sohn eines jüdischen Holzhändlers und dessen Frau in
Lodz zur Welt. Die Shoah überlebte er in den Wäldern Russlands, die Nazis
brachten 49 Familienmitglieder von ihm um. Nach dem Krieg ließ sich Brauner
mit seiner Frau Maria († 2017) in West-Berlin nieder. Dort gründete er 1946
die Firma CCC-Film, drei Jahre später eröffnete er in Spandau seine eigenen
Filmstudios, die zu ihrer Blütezeit als „Klein-Hollywood“ bezeichnet
wurden. Deutsche und internationale Stars drehten hier, die Berliner
nannten Brauner nach kurzer Zeit kumpelhaft „Atze“.
## Zwischen leichter Unterhaltung und der Shoah
Auf mehr als 250 produzierte Filme kann Brauner zurückblicken. Auffällig
ist, dass er zum einen auf leichte Unterhaltung und Schmonzetten setzte,
aber immer wieder auch anspruchsvolle Filme zum Thema Shoah produzierte.
Bereits 1948 brachte er unter großem persönlichem Einsatz „Morituri“ in d…
Kinos. Dieser erzählt von KZ-Gefangenen, denen die Flucht gelingt, und die
in einem Wald auf die Befreiung hoffen. Bei der Premiere wurden Kinos
verwüstet, Zuschauer beschimpften Brauner als „Nestbeschmutzer“. Die
Deutschen wollten lieber Schnulzen sehen, und Brauner bediente diese
Nachfrage dann auch. Dennoch hat er sich nie von dem wichtigen Thema
abbringen lassen: Heute gehören 21 seiner Filme gegen das Vergessen zur
Sammlung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel.
Auch „Hitlerjunge Salomon“, der Auftakt des Arte-Themenabends, gehört dazu.
Es ist die wahre Geschichte des jüdischen Jungen Sally Perel, der den
Nationalsozialismus als Mitglied der Hitlerjugend überlebte. Das Drama
erhielt 1992 einen Golden Globe als bester fremdsprachiger Film, galt als
Favorit auf einen Auslands-Oscar. Doch das deutsche Komitee reichte ihn
nicht ein. Es reichte in jenem Jahr aber auch keinen anderen Film ein. Eine
„deutsche Arroganz gegenüber jüdischen Themen“ sah Regisseurin Agnieszka
Holland in dieser Entscheidung.
Die im Anschluss ausgestrahlte Doku „Der Unvollendete“ von Kathrin Anderson
und Oliver Schwehm bietet einen glänzenden Überblick über Brauners
Schaffen. Es handelt sich dabei um eine Neubearbeitung der Doku „Marina,
Mabuse und Morituri“, die zum 70. Jubiläum der CCC-Film gedreht wurde. Zu
Wort kommen Artur Brauner und seine Frau Maria sowie ihre gemeinsame
Tochter Alice, die heute die Firma leitet. Dazu gibt es Einschätzungen von
Experten wie der Filmwissenschaftlerin Claudia Dillmann. Die besondere
Stärke der Doku sind ihre zahlreichen Filmausschnitte. Da Alice Brauner als
Koproduzentin beteiligt war und CCC-Film die Rechte an den meisten
Brauner-Produktionen besitzt, konnte bei der Verwendung von Filmszenen aus
dem Vollen geschöpft werden.
Der Abschluss des Themenabends dürfte nur Trash-Fans gefallen: In Jess
Francos „Sie tötete in Ekstase“ geht es um eine Frau, die auf einem
Rachefeldzug Männer (und eine Frau) verführt und tötet, die sie für den
Suizid ihres Mannes verantwortlich macht. Kunstblut fließt, es gibt ein
bisschen nackte Haut zu sehen. Nun ja. Aber solche Filme sind eben auch
Teil von Brauners wildem Portfolio. Bleibt an dieser Stelle nur noch
dieses: Herzlichen Glückwunsch, Artur Brauner! Mazal tov, bis 120 und weit
darüber hinaus!
Lesen Sie [2][hier] auch ein taz-Interview mit Atze Brauner aus dem Jahr
2008.
1 Aug 2018
## LINKS
[1] /100-Geburtstag-von-Artur-Brauner/!5520544
[2] /Atze-Brauner-ueber-Kino-nach-den-Nazis/!5179253
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
Deutscher Film
Nachkriegszeit
Arte
Doku
Film
Deutscher Film
Liebe
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