# taz.de -- Klage gegen Sperrung von Aktivistin: Facebooks Problem mit „Vollp… | |
> Eine Aktivistin setzte auf Facebook Identitäre und „Vollpfosten“ in | |
> Zusammenhang und wurde für 30 Tage gesperrt. Nun klagt sie dagegen. | |
Bild: Ob man einen solchen Vollpfosten wohl als rechtsextrem bezeichnen darf? | |
Darf Facebook eine schwäbische Nutzerin sperren, weil sie Rechtsextremisten | |
als „Vollpfosten“ bezeichnet hat? Darüber muss jetzt ein Amtsgericht in | |
Baden-Württemberg entscheiden. | |
Ausgangspunkt des Streits war ein taz-Artikel über Rechtsextremisten der | |
Identitären Bewegung. Diese hatten im letzten Sommer das Schiff C-Star | |
gechartert, [1][um NGOs im Mittelmeer bei der Flüchtlingsrettung zu | |
stören]. Der Artikel wurde bei Facebook heftig diskutiert. Ein User | |
verteidigte die Crew der C-Star, diese sei doch nur „einige hundert Meter | |
hinter einem Schiff hergefahren, das Schlepper unterstützt“. Darauf | |
konterte die Nutzerin Magda Jörger (Name geändert): „Vollpfosten bleibt | |
Vollpfosten und basta“. Der deftige, aber kurze Satz hatte Folgen: Facebook | |
löschte nicht nur diesen Kommentar, sondern sperrte sogar den Account von | |
Jörger für 30 Tage. | |
Magda Jörger ist eine 59-jährige Sekretärin und fünffache Großmutter. Sie | |
sieht es als ihre „Bürgerpflicht“ an, „sich im Netz dem Hass und der Het… | |
und der Desinformation entgegen zu stellen.“ Die 30-tägige Facebook-Sperre | |
für den „scharfen, aber nicht rechtswidrigen“ Kommentar will sie sich nicht | |
gefallen lassen. Die streitbare Großmutter agiert im Netz zwar unter | |
eigenem Namen. Bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens will sie medial | |
aber anonym und ortlos bleiben. Sie sei schon einmal „von einem Neonazi | |
persönlich bedroht worden“ und will eine Wiederholung im Gerichtssaal | |
verhindern. | |
Denn inzwischen hat sie gegen Facebook geklagt. Als Anwalt hat sie den | |
Würzburger Facebook-Experten Chan-jo Jun gewählt. Jun argumentiert, dass | |
die 30-tägige Sperre rechtswidrig war, denn Facebook habe seine | |
vertragliche Pflicht verletzt, der Kundin „uneingeschränkten Zugang“ zu | |
ihrem Account zu gewähren. Sperren könne Facebook nur verhängen, wenn gegen | |
Gesetze oder die eigenen Gemeinschaftsstandards verstoßen wurde, was hier | |
nicht der Fall sei. | |
## Verstoß gegen Facebook-Standards | |
Facebook dagegen wirft Jörger „Mobbing“ und „Belästigung“ vor. Sie ha… | |
ihrer „Vollpfosten“-Äußerung den Mitdiskutanten „herabgewürdigt“. Das | |
verstoße gegen [2][die Facebook-Gemeinschaftsstandards]. Jörger dagegen | |
betont, sie haben den Satz viel allgemeiner gemeint: Rechtsextremisten | |
blieben Rechtsextremisten, auch wenn sie einem Seenotrettungsschiff | |
lediglich hinterherfahren. | |
Im April fand eine erste gerichtliche Verhandlung statt. Die Amtsrichterin | |
kam zum Schluss, dass „Vollpfosten“ keine Beleidigung sei, egal wer nun | |
gemeint war. Die vierwöchige Sperrung des Accounts sei wohl „rechtswidrig“ | |
gewesen, so die Richterin, die eine „gütliche Einigung“ mit Kostenteilung | |
empfahl. | |
Facebook will sich aber nicht gütlich einigen, sondern legte nach. Es | |
scheine, so die Facebook-Anwälte, dass Jörger den Dienst regelmäßig nutze, | |
„um andere zu beleidigen“. Schon zweimal habe man Kommentare von Jörger | |
löschen müssen. Einmal hatte sie eine „Privatperson“ als „dumm“ bezei… | |
einem anderen Mann stellte sie die Diagnose „am Rande der | |
Schwachsinnigkeit, mindestens“. Da die Sperrung des Kontos erst beim | |
dritten Mal erfolgte, sei diese rechtmäßig, so Facebook. | |
## Aufrufe zu Gewalt – kein Verstoß? | |
Solche Argumente machen Jörger wütend. Schließlich sah Facebook oft keinen | |
Grund zum Eingreifen, wenn sie unverhohlene Gewaltaufrufe von Rechten | |
meldete. Beispiel: Unter einem Bild mit vier abgetrennten Köpfen schrieb | |
ein User: „An Frau Merkel, es ist dein Kopf, der da noch fehlt“. Facebook | |
antwortete, dass dieser Hass-Kommentar „gegen keinen unserer | |
Gemeinschaftsstandards verstößt“. | |
Eine neue Verhandlung in Jörgers Fall wird nun am 11. September | |
stattfinden. „Hier sieht man, wie lange es dauert, wenn man gegen Facebook | |
etwas vor Gericht durchsetzen will“, sagt Chan-jo Jun. | |
Anfangs hatte Facebook die Klage nicht einmal angenommen, weil sie nicht | |
auf englisch übersetzt wurde. Jun argumentierte: Ein Unternehmen, das in | |
Deutschland mehr als 20 Millionen Nutzer hat, werde wohl deutsch verstehen. | |
Doch für die Facebook-Anwälte genügt es nicht, dass irgendjemand im | |
Unternehmen deutsch versteht, es komme auf die Rechtsabteilung an, die nun | |
mal am europäischen Unternehmenssitz in Irland angesiedelt sei. Auch diese | |
Frage ist noch nicht geklärt. | |
31 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Identitaere-gegen-Fluechtlingsrettung/!5428808 | |
[2] /Regeln-fuer-Facebook-Beitraege/!5408151 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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