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# taz.de -- LED-Lampen stören Insekten: Ökologische Falle im Garten
> Auch am Boden lebende Insekten werden von nächtlicher Beleuchtung
> beeinträchtigt. Lichtverschmutzung trägt zum Artensterben bei.
Bild: Insekten umschwirren einen Lampe: die Leuchtspur erscheint durch die Lang…
Leuchtdioden, kurz LEDs, sind sparsam und deutlich langlebiger als
herkömmliche Lampen. Doch preiswertes Licht sorgt nicht etwa für
Energieeinsparungen, sondern für mehr Licht. Ihr hoher Anteil an blauem
Licht trägt maßgeblich zur Lichtverschmutzung bei. Wissenschaftler um
Professorin Jana Eccard vom Institut für Biologie und Biochemie an der
Universität Potsdam wollten herausfinden, inwieweit LED-Beleuchtung die
Artenzusammensetzung und die Populationsgröße am Boden lebender Insekten
verändert.
Denn LEDs finden den Weg in immer entlegenere Winkel der Erde, wo sie die
Nacht zum Tag machen. Selbst netzferne Regionen sind aufgrund
solarbetriebener LEDs vor der Umweltverschmutzung durch Licht nicht mehr
sicher. Nach Messungen des [1][US-Satelliten Suomi NPP, ein Wetter- und
Umweltsatellit der Nasa], nehmen beleuchtete Flächen weltweit jedes Jahr
zwischen 5 und 6 Prozent zu. Die tatsächliche Zunahme dürfte jedoch weitaus
höher liegen, da die Messgeräte blaues Licht nicht vollständig
lokalisieren.
Vor allem Insekten sind von der Dauerbeleuchtung stark beeinträchtigt.
Viele Arten sind mit lichtsensiblen Proteinen in den Augen ausgestattet.
Die Population etwa von [2][Bienen und Schmetterlingen hat in den letzten
Jahrzehnten dramatisch abgenommen]. Allein in Deutschland ging die Zahl von
Fluginsekten in den vergangenen 27 Jahren um mehr als 75 Prozent zurück,
warnten Wissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien und den
Niederlanden bereits im Oktober 2017.
Neben intensiver Landwirtschaft gilt die zunehmende Lichtverschmutzung auch
als eine mögliche Ursache dafür. Milliarden fliegende, nachtaktive Insekten
werden von künstlichen Lichtquellen angezogen und verbrennen an heißen
Straßenlaternen, werden von Fressfeinden in der näheren Umgebung der Lampe
gefressen oder sterben vor Erschöpfung.
Wie aber verhält es sich mit am Boden lebenden Insekten? Wissenschaftler
der Universität Potsdam und des Fraunhofer Instituts für Plasmaforschung
Greifswald gingen dieser Frage nach. Kürzlich stellten sie eine Studie vor,
die den Einfluss von Gartenbeleuchtung auf Bodenkäfer untersucht.
Bodenkäfer werden oft zur ökologischen Bewertung eines Biotops
herangezogen, da sie besonders sensibel auf veränderte Umweltbedingungen
reagieren.
## Dunkle Flecken
Die Studie wurde in der Biologischen Forschungsstation Gülpe im Naturpark
Westhavelland durchgeführt. Der dünn besiedelte Landstrich gilt als eine
der am wenigsten künstlich beleuchteten Regionen in Deutschland. Nirgendwo
sonst in der Republik ist der Nachthimmel bei klarem Wetter so reich an
Sternen – ein Magnet für Sternenfreunde und Hobbyastronomen. Im Februar
2014 wurde die Landschaft von der International Dark Sky Association (IDA)
zum ersten deutschen Sternenpark erklärt.
Verwendet wurden handelsübliche, solarbetriebene LED-Gartenlampen, die
heute in fast keinem Garten mehr fehlen. Solarmodule laden die Akkus
tagsüber auf und integrierte Sensoren schalten die Lampen bei Dunkelheit
automatisch ein. Ihr kaltweißes Licht mit einem hohen Blauanteil ist für
Insekten besonders attraktiv.
Die Mehrheit der beobachteten Bodeninsekten gehörte zu der großen Familie
der Laufkäfer. Aber auch Gliederfüßler und Aaskäfer wurden in die Studie
mit einbezogen.
In ihrer Studie konnten die Biologen zeigen, dass es grundsätzlich zwei
Reaktionen auf Licht gibt: Tagaktive Arten werden von den Lampen angezogen,
was eine Ansammlung dieser Käfer in Reichweite der Beleuchtung zur Folge
hat. Damit bringen sich die mehrheitlich räuberisch lebenden Käfer in
Gefahr, selbst Beute etwa von Spinnen, Ameisen, Lurchen oder von
Fledermäusen und Vögeln zu werden.
## Fortpflanzung eingeschränkt
Nachtaktive Arten hingegen stellen unter Beleuchtung sämtliche Aktivitäten
ein, was sie zu einer leichten Beute für Fressfeinde macht. Auch fehlt
ihnen die Zeit für Nahrungssuche und Fortpflanzung, da sie das
vorgegaukelte Tageslicht regungslos macht.
„Künstliches Licht kann daher Arten begünstigen, die ihre Aktivität in die
Nacht ausdehnen können, während streng nachtaktive Arten ihre zeitliche
Nische verlieren können“, verrät die Studie.
Ob tag- oder nachtaktiv, für Insekten ist künstliches Licht eine
ökologische Falle, selbst wenn sie von der Beleuchtung begünstigt werden.
Evolutionär gewachsene Artengemeinschaften ändern ihr Verhalten. Das
Räuber-Beute-Verhältnis verschiebt sich, was sich auch auf andere Arten in
der Nahrungskette auswirken kann. Viele Laufkäferarten gelten bereits als
stark gefährdet und stehen unter Artenschutz.
Im Verlauf des Experiments nahm die nächtliche Ansammlung von Käfern in
beleuchteten Bereichen zu, was darauf hindeutet, dass auch Käfer fern der
Lichtquelle angezogen wurden. Die Wanderung der Käfer hin zum Licht kann
oft Tage dauern. „Einzelne Individuen wurden aus einer Entfernung von 80
Metern angezogen“, so die Studie. Daher gefährden dauerhaft installierte
Lampen auch Bereiche außerhalb ihrer Reichweite. Tagaktive Arten fehlen
dann in unbeleuchteten Bereichen, wo sie wichtige ökologische Funktionen
übernehmen.
## Schmuckleuchten ausschalten
Jana Eccard empfiehlt: „LEDs sollten mit Umsicht eingesetzt werden, um
Irritationen von Nachttieren zu vermeiden. Insbesondere Schmuckleuchten
sollten vor dem Zubettgehen ausgeschaltet werden, um die Natur nicht
unnötig zu belasten.“
Die Studie empfiehlt den Herstellern von LEDs, die Farbtemperatur der
Leuchtdioden hin zu warmweißen Werten zu ändern, was von Menschen als
angenehmer empfunden wird und für Insekten weniger attraktiv ist. Zudem
sollte ein verantwortungsvolles Lichtmanagement, etwa bei der Neugestaltung
von Wohngebieten, auch Naturschützer einbeziehen und unnötige oder zu
grelle Beleuchtung vermeiden.
Für Gartenfreunde gilt: Wer sich vor allzu vielen Krabbeltieren in seinem
Garten fürchtet, der schalte doch bitte das Licht aus, wenn er geht! Das
sollten aber auch Gartenbesitzer tun, die Insekten etwas Gutes zukommen
lassen wollen. Die Natur und nicht zuletzt der eigene Garten werden es
danken.
11 Aug 2018
## LINKS
[1] /Klimaschutz-Programm-der-US-Raumfahrt/!5505061
[2] /Nabu-ruft-zur-Insektenzaehlung-auf/!5520992
## AUTOREN
Thomas Nitz
## TAGS
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