# taz.de -- Kolumne Habibitus: Ich bin einfach nur sauer | |
> Weil ich ein explizites Gedicht geteilt habe, wurde ich 24 Stunden bei | |
> Facebook gesperrt. Das ist nicht nur nervig – es offenbart auch | |
> Strukturen. | |
Bild: Ob virtueller oder realer Raum: Die Strukturen darin sind gleich | |
Während mein USB-Ventilator mir durch die stickige Büroluft eine sanfte | |
Brise zuweht, mein Rücken bereits nass geschwitzt ist und der Baulärm ein | |
Übriges tut, um meine Nerven zu strapazieren, scrolle ich wie ein Phantom | |
meine Facebook-Timeline herunter. Alle Beiträge sind schon einige Stunden | |
alt. Jedes Mal, wenn ich einen Beitrag kommentieren oder selbst liken will, | |
erscheint eine Fehlermeldung. | |
Facebook hat mich für 24 Stunden vom Veröffentlichen geblockt. Sozusagen | |
auf die Stille Treppe™ gesetzt. Die temporäre Sperrung ist einem meiner | |
Jobs geschuldet: Als Redakteur_in beim [1][Missy Magazine] veröffentlichte | |
ich auf der Seite der Publikation eine Kolumne unserer Autorin Sibel | |
Schick, die [2][auch für die taz schreibt]. | |
Dieses Mal schickte sie uns ein Gedicht mit dem Titel [3][„Männer sind | |
Arschlöcher“]. Sie beschreibt darin das Dilemma, dass es wenig nützt, | |
einzelne Cis-Männer sympathisch, solidarisch oder süß zu finden, weil ihr | |
Arschlochsein strukturell bedingt sei. Das macht Sinn. Ich sag’s mal, wie | |
es ist: So wie Almans zu rücksichtslosen Kröten erzogen werden, ist die | |
Rolle von Männern im Patriarchat klar definiert und das Verhalten | |
entsprechend. Ausnahmen bestätigen die Regel. | |
Dass dieses Gedicht provoziert und polarisiert, ist klar. Niemand möchte | |
aufgrund seines Geschlechts als Arschloch bezeichnet werden. Dann wiederum | |
würde auch niemand behaupten, gerne an die eigene Familiengeschichte der | |
(Mit-)Täter_innenschaft erinnert zu werden. Weil die Konfrontation mit der | |
Realität schmerzhaft sein kann. | |
## Eine durch unterdrückende Strukturen geformte Welt | |
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Machtposition ist immer ein | |
anstrengender Prozess, aber auch ein notwendiger. Sex ist ganz cool und so, | |
aber hast du schon mal verlernt, eine rücksichtslose Kröte oder ein | |
Arschloch zu sein? | |
Es nervt, keine Freund_innen unter „Almans hassen diesen Trick“-Memes | |
taggen, keine Selfies liken und vor allem meinen Job nicht machen zu | |
können. Aber wisst ihr, was noch mehr nervt? Dass ein Beitrag, der nicht | |
einmal sexistisch ist, von Facebook gelöscht wird, ein Haufen | |
antisemitischer, rassistischer, völkischer, homofeindlicher, | |
transfeindlicher, sexistischer und anderweitig menschenfeindlicher Beiträge | |
aber nicht. | |
Die Hassprediger_innen von der Bild dürfen ihre ekelhaften Artikel | |
verbreiten, ein polemisches Gedicht über Männer im Missy Magazine wird | |
jedoch zensiert. Auf der von Facebook eingekauften App Instagram wird die | |
Abbildung eines Nippels, der keinem Cis-Mann zugeschrieben wird, schneller | |
gelöscht als die eines Hakenkreuzes. | |
Leider ist das genau die Welt, wie sie durch unterdrückende Strukturen | |
geformt wird. Deshalb ist das Gejammer von Menschen, die von | |
Antisemitismus, Rassismus und Sexismus profitieren, in Debatten um #MeTwo | |
und #MeToo manchmal lauter als die Stimmen der Betroffenen. Ich bin nicht | |
sauer auf Sibel Schick oder das Missy Magazine, sondern auf Facebook. Ich | |
würde das Gedicht immer wieder teilen. | |
10 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://missy-magazine.de/ | |
[2] /!a36871/ | |
[3] https://missy-magazine.de/blog/2018/08/07/maenner-sind-arschloecher/ | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
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