# taz.de -- Kongos nächster Präsident ist designiert: Kabila macht den Putin | |
> Kongos Präsident Joseph Kabila verzichtet auf eine Wiederwahl. Aber er | |
> bleibt der starke Mann im Hintergrund, meinen Kritiker. | |
Bild: Oppositionsdemonstranten vor dem abgeriegelten Gebäude der Wahlkommissio… | |
KINSHASA taz | Die Uhr tickt. Mittwoch, 16.30 Uhr endet die Frist, um eine | |
Kandidatur zu Kongos Präsidentschaftswahl einzureichen. Zwei Stunden vor | |
Ende erst verrät die Regierung, wer als Nachfolger von Präsident Joseph | |
Kabila ins Rennen geht: Emmanuel Ramazani Shadary, Generalsekretär von | |
Kabilas Partei PPRD. | |
Er wird „unsere politische Familie bei den Präsidentschaftswahlen | |
vertreten“, so Regierungssprecher Lambert Mende. | |
Eine Sensation: Kabila verzichtet. Doch Shadary gilt als schwache | |
Persönlichkeit ohne eigenes Netzwerk und ohne Einfluss auf die mächtigen | |
Generäle im Militär. | |
Es ist wie in Russland 2008, als Präsident Wladimir Putin seinen einfältig | |
anmutenden Kumpel Dmitri Medwedjew zum Präsidenten-Nachfolger ernannte, der | |
später wieder zurück ins Glied trat – Shadary wirkt wie der perfekte | |
Medwedjew. Im Hintergrund bleibt Kabila der starke Mann. | |
## Anspannung in Kinshasa | |
Tagelang war die Anspannung in Kinshasa zu spüren. Hundertschaften der | |
Polizei umzingelten die Zentraldirektion der Wahlkampfkommission (Ceni) in | |
der Innenstadt. Sie ließen keine Fußgänger passieren, keine Busse und Taxen | |
stoppen. Das blau gestrichene Gebäude wirkte mit seinen Sicherheitszäunen | |
und Kontrollschranken wie ein Gefängnis. | |
Seit dem 25. Juli durften Kandidaten hier im vierten Stock ihre Unterlagen | |
einreichen. Der dickliche Ceni-Sprecher Jean-Pierre Mulumba im feinen Anzug | |
mit goldener Uhr am Handgelenk zeigt auf eine ausgedruckte Statistik auf | |
seinem überladenen Schreibtisch. | |
Sie enthält am Vormittag des Tages vor Fristablauf gerade mal vier Namen – | |
außer Ex-Warlord Jean-Pierre Bemba niemand, der tatsächlich Chancen hätte. | |
Wenig später muss Mulumba seine Liste erweitern. Vor seinem Fenster tummeln | |
sich Tausende Anhänger von Kongos größter Oppositionspartei UDPS (Union für | |
Demokratie und sozialen Fortschritt). Sie sind ihrem Vorsitzenden Felix | |
Tshisekedi auf dem Weg zur Ceni quer durch die Stadt gefolgt. Unterwegs | |
wurden sie von Polizisten mit Tränengas beschossen, erzählen sie. | |
„Wir wollen keinen Krieg, wir wollen einfach nur freie und faire Wahlen“, | |
sagt Fiston Mboyo, UDPS-Bezirksvorsitzender der Stadtteils Gombe. | |
Verschwitzt steht er in der Menge: „Die Wahlkommission muss garantieren, | |
dass wir, das Volk, die Macht haben, unseren Präsidenten zu wählen,und die | |
Wahl nicht von der Präsidentschaft manipuliert wird“, schreit er. | |
Ärger und Frustration stehen in den Gesichtern. „Wenn Kabila selbst oder | |
einer seiner Leute an der Macht bleiben, dann ist die Ceni verantwortlich | |
für all das Blut, das vergossen wird“, brüllt Mboyo. | |
## Jahrelanges Rätselraten | |
Der Frust ist Folge jahrelanger Unsicherheit. Die letzte legale Amtszeit | |
des 47-jährigen Joseph Kabila, der seit dem Tod seines Vaters 2001 regiert, | |
lief vor zwei Jahren ab. Doch Neuwahlen hat die Regierung gezielt | |
verschleppt. | |
Erst seit wenigen Monaten steht ein Wahltermin fest: der 23. Dezember. | |
Seitdem spekulierten die Kongolesen: Wird Kabila einen Wunschnachfolger ins | |
Rennen schicken, oder will er an der Macht bleiben? | |
Kabila ließ die Spannung steigen. Ende Juli rief er seine neu gegründete | |
Plattform FCC (Gemeinsame Front für den Kongo) auf, Kandidaten | |
vorzuschlagen. Am Dienstag bestellt er die FCC ein: auf seine Farm | |
Kingakati, 80 Kilometer außerhalb Kinshasas. Dort brüten alle bis tief in | |
die Nacht. | |
Als Regierungssprecher Mende danach zur Presse spricht, sagt er bloß: „Wer | |
auch immer als Kandidat ernannt wird und das Land in Zukunft regieren wird | |
– Kabila wird der Anführer der FCC sein, vor, während und nach den Wahlen�… | |
Als am Mittwoch die Sonne aufgeht, steht noch immer kein Nachfolger fest. | |
Erneut bestellt Kabila die FCC ein. Mende kündigt eine Pressekonferenz an. | |
Da fällt endlich der Name: Emmanuel Ramazani Shadary. | |
## „Es wird Krieg geben“ | |
Die Ungewissheit ist ein geschicktes Machtspiel, so Pamphile Ngoma, | |
Politikprofessor an der Universität von Kinshasa. Erst am Vormittag hat er | |
mit seinen Studenten die Lage diskutiert. „Alle waren sich einig, es wird | |
Krieg geben“, erzählt der alte Mann, der schon zahlreiche Kriege erlebt | |
hat. „Ich bin sonst eigentlich Optimist – aber wenn man von der Realpolitik | |
ausgeht, dann bin ich dieses Mal sehr pessimistisch.“ | |
Ngoma beschreibt Kongos politisches System als „machiavellistisch“. Die | |
Elite versuche mit allen Mitteln an der Macht zu bleiben und sich damit den | |
Zugang zu den Reichtümern des Landes zu erhalten. Doch wenn | |
Oppositionsführer keine Chance im politischen Spiel haben, so Ngoma, würden | |
sie die militärische Karte spielen. | |
Auch Kabila hat erst vor wenigen Tagen seine Armee reformiert, seine | |
loyalsten Generäle befördert. „Letztlich wird der militärische Plan als | |
letzte Option übrig bleiben“, so Ngoma. | |
„Wir haben keine Kultur der Gewaltfreiheit“, kommentiert Enoch Nyamwisi von | |
der Bürgerrechtsbewegung „La Lucha“. An freie Wahlen glaubt der 24-jährige | |
Politikstudent nicht: „Mit oder ohne Kabila – das System, das er geschaffen | |
hat, wird sich nicht ändern. Seine politische Familie wird an der Macht | |
bleiben.“ | |
8 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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