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# taz.de -- Pro und Contra zum „Gesellschaftsjahr“: Muss Helfen Pflicht wer…
> Ein Jahr Dienst an der Gemeinschaft – verpflichtend für alle. Das schlägt
> unter anderem die Junge Union vor. Ist dieser „Zivi 2.0“ eine gute Idee?
Bild: Wer soll sich um sie kümmern? Der Staat, oder junge Menschen, als Dienst…
Ein Jahr Dienst an der Gemeinschaft – verpflichtend für alle. Das schlägt
unter anderem die Junge Union vor. Ein sogenanntes „Gesellschaftsjahr“
sollen Schulabgänger*innen im sozialen Bereich oder bei der Bundeswehr
absolvieren können.
Ist dieser „Zivi 2.0“ eine gute Idee?
## Ja, sagt Gereon Asmuth
Pflicht!, Pflicht! Pflicht!, rufen die Konservativen lauthals zum Appell.
Die CDU will ihre Wehrpflicht wiederhaben. Als alter
Kriegsdienstverweigerer möchte man da gleich auf die Barrikaden gehen.
Schon weil der Ansatz der Idee so offensichtlich ist: Die Bundeswehr hat
Probleme, genügend Dumme für ihren uniformierten Drill zu rekrutieren. Und
natürlich geht es auch darum, dass die Gesundheitspolitik es [1][nicht auf
die Reihe kriegt], Personal für die Pflege zu finden. Also wird beides
zusammen, hübsch verpackt, als „Gesellschaftsdienst“ verkauft.
Doch wer die Idee in dieser miefig rechten Ecke liegen lässt, tut ihr
Unrecht. Und übersieht, dass sie auch eine Chance für junge Leute ist: zum
Ausbruch aus dem auf Verwertung ausgerichteten Bildungsweg.
Ein „Gesellschaftsjahr“ zwischen Schule und Berufseinstieg bietet die
Möglichkeit, einmal beiseitezutreten. Etwas auszuprobieren, das man für
sinnvoll hält. Etwa einem querschnittsgelähmten Studenten im Wortsinne ein
Jahr unter die Arme zu greifen. Bei mir hat diese Zeit nicht unbedingt mein
Leben geprägt, aber doch meinen Blick auf die Welt erweitert. Nicht nur
Freundschaften habe ich gefunden, sondern auch ein Gespür entwickelt für
die gesellschaftliche Diskriminierung Behinderter. Und ich habe eben
gemerkt, dass ich so einen Job nicht mein Leben lang machen möchte.
Natürlich kann man solche Erfahrungen auch jetzt schon machen. Im Bufdi,
dem Bundesfreiwilligendienst. Aber der hat gleich zwei Konstruktionsfehler.
Weil er miserabel bezahlt ist, zieht er vor allem diejenigen an, die es
sich leisten können. Weil er freiwillig ist, kommen in erster Linie die
ohnehin Engagierten. Ich jedenfalls hätte mich damals liebend gern gedrückt
– und somit eine Zeit verpasst, die ich in der Rückschau auf keinen Fall
missen möchte. Es war ein Geschenk, das ich zum Glück auspacken musste.
Der real existierende Zivildienst, wie er bis 2011 bestand, war das
Ergebnis einer links-emanzipatorischen Bewegung. Sie schaffte es, aus den
als „Drückebergern“ abgestempelten Zivis respektierte Stützen der
Gesellschaft zu machen. Im Vergleich dazu sah der Wehrdienst geradezu
altbacken aus.
Als die Wehrpflicht 2011 abgeschafft wurde, hat die gesellschaftliche
Linke, ohne mit der Wimper zu zucken, zugelassen, dass der „Zivi“ gleich
mitbegraben wurde. Ein großer Fehler – den wir wiederholen würden, wenn wir
die Debatte über die Wiedereinführung den Rechten überließen.
***
## Nein, sagt René Hamann
Die Pflege ist ein anspruchsvoller, körperlich und psychisch äußerst
belastender Job, der zudem massiv unterbezahlt ist. Wer soll das schon
machen wollen? Könnte was für Migranten sein, hat man in Wirtschaft und
Politik lange heimlich gedacht – aber nicht mit dem Missmut und dem
Widerwillen der wutbürgerlichen Milieus gerechnet.
„Aber Moment“, fällt da welchen ein, „hatten wir da nicht schon mal etwa…
das gut lief?“ Ein perfektes Ausbeutungssystem, das prima mit Moral, gutem
Gewissen, staatstragendem Altruismus gedeckelt war? Richtig, den
Zivildienst.
Das „Gesellschaftsjahr“ sei „eine Möglichkeit, etwas zurückzugeben und
gleichzeitig den Zusammenhalt im Land zu stärken“, behauptet also der Chef
der Jungen Union, Paul Ziemiak. Die JU versammelt meist junge Leute rechts
der Mitte, die mit Gesellschaft im Sinne von Teilhabe oft nicht so viel am
Hut haben.
Manchmal reicht es schon nachzusehen, von wo (und zu welchem Zeitpunkt) so
eine in die Öffentlichkeit geblasene Forderung kommt. Zum einen ist
Sommerloch, klassischerweise die Zeit für Politiker aus der Hinterbank,
irgendetwas zu fordern. Hauptsache, abstrus genug, dass sich jemand
aufregt. So hält man seinen Namen ins Licht, so startet man aber auch einen
Testlauf für das Thema: Säuft es ab, oder ist was dran? Zum anderen stehen
die Zeichen in dieser Republik gerade auf rechts. Vielleicht geht da ja
noch mehr!
Die Probleme liegen naturgemäß anderswo: Erstens in der Bundeswehr, da will
nämlich niemand hin, der noch bei Verstand ist. Legitimationsprobleme hat
der Laden sowieso (dass er in Mali oder Afghanistan einen guten Job macht,
darf bezweifelt werden). Und zweitens im Pflegenotstand: Es gibt immer mehr
Pflegebedürftige, aber nur wenige, die das tun wollen, aus genannten
Gründen.
Guttenberg sei Dank gibt es keinen Zivildienst mehr, um dieses Problem
notzustopfen. Eine Jugend, die gegen supermiese Bezahlung mindere und
niedrige Arbeit „für die Gesellschaft“ verrichten soll, und sich das Ganze
obendrein selbst als „selbstlos etwas Gutes tun“ verkaufen muss – das hat…
sich eigentlich erledigt. Eigentlich. Doch plötzlich kommt der „Zivi“
wieder als „Debatte, die längst überfällig sei“ um die Ecke!
Was „das Soziale“ angeht, könnte man einfach mehr in die Strukturen und in
Gehälter investieren. Dann muss man auch nicht mehr so einen Quatsch wie
das „Gesellschaftsjahr“ diskutieren. Teil der Gesellschaft sind wir nämlich
auch so – ein Leben lang.
5 Aug 2018
## LINKS
[1] /Kommentar-Spahns-neues-Pflegegesetz/!5521004
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