| # taz.de -- Sci-Fi-Roman „Der dunkle Wald“: Die Invasion kommt in 400 Jahren | |
| > Es ist der zweite Teil der „Trisolaris“-Trilogie von Cixin Liu. Der Roman | |
| > wirft einen Schatten auf unsere mögliche Zukunft. | |
| Bild: In „Der dunkle Wald“ bereitet sich die Menschheit auf eine Invasion a… | |
| Leben unter Beobachtung. Eine globale Überwachung, von der Facebook und | |
| Google nur träumen können: Den Trisolariern ist das gelungen. Diese | |
| Außerirdischen vom Planeten Trisolaris sind viele Lichtjahre von unserem | |
| Sonnensystem entfernt – und trotzdem schon da. Winzige intelligente | |
| Partikel, Sophonen genannt, wurden von ihnen zur Erde geschickt, wo diese | |
| alles registrieren und die Informationen wie mit einer Standleitung durchs | |
| All an die Trisolarier schicken. | |
| Schlimmer noch: Die Sophonen können auch manipulieren. Seit sie da sind, | |
| steckt die Grundlagenforschung fest. Wissenschaftlicher Fortschritt ist | |
| nicht mehr möglich, allein die Technik kann innerhalb der Grenzen des | |
| erreichten Kenntnisstands verbessert werden. | |
| So die Lage zu Beginn von „Der dunkle Wald“, dem zweiten Band der | |
| „Trisolaris“-Trilogie des chinesischen Science-Fiction-Schriftstellers | |
| Cixin Liu. Hatte er in [1][„Die drei Sonnen“] zunächst mit einem klugen | |
| Spiel aus historischen Rückblenden und verschiedenen erzählerischen | |
| Inszenierungsebenen – inklusive plastisch dargestellter Szenen aus einem | |
| Computersimulationsspiel – die menschliche Kontaktaufnahme mit Trisolaris, | |
| die irdischen Auswirkungen der Sophonen-Attacke und die Besonderheiten der | |
| Zivilisation von Trisolaris geschildert, geht es jetzt um eine akute | |
| Bedrohung fast ausschließlich aus irdischer Perspektive, in diverse | |
| Parallelhandlungen aufgeteilt. | |
| Die Trisolarier haben sich mit ihrer Raumflotte in Richtung Erde | |
| aufgemacht, da die Lebensbedingungen auf ihrem Planeten nicht eben günstig | |
| sind. Eine Invasion steht bevor, es droht das Ende der Menschheit. Lius | |
| wesentlicher Gestaltungsfaktor in „Der dunkle Wald“ ist dabei die Zeit. | |
| Denn ein schwacher Trost ist, dass die Invasoren noch einige Lichtjahre | |
| entfernt sind und der Menschheit rund 400 Jahre bleiben, sich auf den | |
| Feindkontakt vorzubereiten. Ein Gutteil der 800 Seiten des Buchs widmet | |
| sich etwa den Planungen des Militärs zu verschiedenen Rüstungsprojekten, | |
| wobei allgemeine Unklarheit herrscht, ob es überhaupt eine | |
| erfolgversprechende Verteidigungsstrategie geben kann, da die Trisolarier | |
| durch die Sophonen sämtliche Entwicklungen mitverfolgen. | |
| Zentralstück dieses Bands ist das „Wandschauer“-Projekt der UNO, bei dem | |
| vier auserwählte Personen im Alleingang versuchen sollen, eine Lösung zu | |
| finden. Liu lässt die Wandschauer von der Staatengemeinschaft mit praktisch | |
| unbegrenzten Mitteln ausstatten. Sie dürfen bloß mit niemandem über ihre | |
| wahren Absichten sprechen, damit die Trisolarier von den einzelnen Vorhaben | |
| nichts erfahren. Auch als Leser ist man ausgeschlossen von den Gedanken der | |
| Wandschauer. | |
| Cixin Liu, der als Ingenieur einiges von Technik versteht, gibt ausgiebig | |
| die Debatten wieder, die unter den Militärs einerseits und um die | |
| Wandschauer andererseits geführt werden, mit allen Innovationen, die diese | |
| mit sich bringen, unter anderem Raumschiffe mit Fusionsantrieb. Sein | |
| wichtigster Protagonist ist dabei der Astrophysiker Luo Ji, der als | |
| Soziologe an der Uni lehrt. Zu Beginn des Buchs erhält er von einer | |
| Kollegin die Anregung, eine Kosmosoziologie zu entwickeln. Ein Vorschlag, | |
| auf den er sehr viel später im Buch zurückkommt – diesmal wird man als | |
| Leser in die Theorie mit einbezogen. | |
| Überhaupt treibt Liu solche Ideen wie die des „langen Atems“ oder der | |
| „Nachhaltigkeit“ an ihre Grenzen. Wie kann man sich, fragt er nüchtern, auf | |
| ein Ereignis vorbereiten, das mehrere Jahrhunderte in der Zukunft liegt? | |
| Wie lässt sich ernsthaft in die Zukunft denken, sodass die Überlegungen in | |
| der Zukunft noch Bestand haben werden? Und welche Konsequenzen werden | |
| einzelne Entscheidungen bis dahin nach sich gezogen haben? | |
| ## Zeitsprünge durch Kälteschlaf | |
| Ganz wunderbar reizt er die Konjunkturen aus, die bestimmte Erwartungen und | |
| Gemütslagen haben, lässt die Menschheit zwischen Pessimismus und Optimismus | |
| schwanken, abhängig von den kosmischen Großereignissen im Verlauf der | |
| Handlung, die dank der Technik des „Kälteschlafs“ ihren Figuren einen | |
| Zeitsprung von 200 Jahren gestattet. Immer wieder scheint das Schicksal des | |
| Lebens auf der Erde neu justiert zu werden, mit einem bis zum Ende offenen | |
| Ausgang. | |
| Die Reise in die Zukunft bietet Liu die Gelegenheit, dem Leser einiges an | |
| Spezialeffekten zu präsentieren, wie man das von „echter“ Science-Fiction | |
| gewohnt ist: Häuser etwa sind in der Zukunft zu baumartigen Strukturen | |
| angeordnet und wachsen, wenn nicht in den Himmel, dann doch von unten nach | |
| oben. In Restaurants wird man von freundlichen Robotern bedient, sofern | |
| diese richtig programmiert sind, und im Weltall kommt es zu einer | |
| unheimlichen Begegnung, die in die ansonsten ruhige Dramaturgie als | |
| Schockeffekt hineinblitzt. Und dies wird nicht die letzte überraschende | |
| Wendung geblieben sein. Jetzt braucht es nur noch Geduld, bis Band 3 auf | |
| Deutsch erscheint. | |
| 7 Aug 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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