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# taz.de -- Benalla-Affäre in Frankreich: Der Präsident und sein Bodyguard
> Die Geschichte von Alexandre Benalla, dem prügelnden Leibwächter Emmanuel
> Macrons, bewegt Frankreich. Der Präsident verhält sich wie ein Monarch.
Bild: Macron und sein Bodyguard Alexandre Benalla
Paris taz | 1. Mai, Place de la Contrescarpe, 5. Arrondissement. Die
Ordnungspolizei CRS geht gegen Demonstranten vor. Auf einem verwackelten
Video ist zu sehen, wie sich zwei Männer in Zivil auf einen jungen Mann
stürzen, einer trägt einen Polizeihelm, er packt ihn am Kragen, schlägt ihm
auf den Nacken und zieht ihn zu Boden, bis er sich nicht mehr wehrt. Der
Mann mit dem Helm packt dann eine junge Frau und schubst sie trotz
Protesten von Passanten gegen eine Wand.
Polizeibrutalität? Nein, bei den beiden vermeintlichen Ordnungshütern
handelt es sich um Alexandre Benalla, den Leibwächter Emmanuel Macrons, und
seinen Freund Vincent Crase, einen Angestellten der Partei des Präsidenten,
La République en Marche. Doch Benalla war auf der Demo nur als Beobachter
angemeldet, „embedded“ heißt das offiziell, er begleitete die Polizei.
Das alles war spätestens am Tag danach dem Kabinett Emmanuel Macrons
bekannt. Dort beschloss man, Benalla zu maßregeln und für 14 Tage
freizustellen. Damit sollte die Sache erledigt sein. Schon Mitte Mai war
Benalla wieder an der Seite Macrons im Einsatz. Der Präsident wollte
offenbar nicht auf die Dienste seines Vertrauten verzichten und so zugeben,
dass er sich in seiner Wahl geirrt hätte.
Erst Wochen später, am 18. Juli, identifizierte die Tageszeitung Le Monde
nach intensiven Recherchen den Schläger vom 1. Mai als Alexandre Benalla,
Chefleibwächter des Präsidenten. Zudem kam heraus, dass er sich von
befreundeten Polizeioffizieren auf illegale Weise Aufnahmen der
Überwachungskameras der Place de la Contrescarpe beschafft hatte. Seitdem
arbeitet Benalla nicht mehr als Leibwächter des Präsidenten. Sein
Entlassungsverfahren läuft noch.
## 7.000 Euro Gehalt, Limousine mit Blaulicht
Frankreich entdeckt nun mit Erstaunen, welche ungewöhnlichen Privilegien
dieser erst 26-jährige Leibwächter genoss: ein Monatsgehalt von mehr als
7.000 Euro, eine Limousine mit Polizeisirene und Blaulicht, eine luxuriöse
Dienstwohnung und einen Ausweis, der ihm einen Zugang zum Sitzungssaal der
Nationalversammlung erlaubte. Den brauchte er für seine Arbeit nicht. Im
präsidentiellen System Frankreichs ist dem Präsidenten der Zutritt zur
Nationalversammlung verboten. Benalla besaß sogar die Schlüssel des
privaten Wochenendhauses des Ehepaars Macron in Le Touquet in der
Normandie.
Alexandre Benalla wuchs in Évreux auf, einer Kleinstadt in der Normandie,
in einfachen Verhältnissen. Seine Mutter war alleinerziehend und Anhängerin
der Sozialisten. Darüber kam er, sehr jung und Jurastudent, zum
Ordnungsdienst der Parti socialiste (PS), ehrenamtlich. Für kurze Zeit
arbeitete er im Ordnungsdienst von François Hollande, dem damaligen
Präsidentschaftskandidaten, und als Chauffeur von Arnaud Montebourg,
damals Wirtschaftsminister. Als zahlreiche Politiker und Anhänger der PS zu
Macrons République en Marche wechselten, wurde Benalla Ende 2016 mit dem
persönlichen Schutz des Spitzenkandidaten beauftragt. Macron äußerte sich
kürzlich in einem Interview mit dem Sender France Bleu, er sei „stolz“
darauf, mit Benalla einen Mitarbeiter zu haben, der nicht aus der Pariser
Elite stamme. Macron ist der erste französische Präsident mit einem
Leibwächter, der kein Spitzenpolizeibeamter ist.
Mit seiner Omnipräsenz und seinem oft autoritären Auftreten eckte Benalla
an. Zum Beispiel bei den Polizeieinheiten, die zu offiziellen Anlässen für
die Sicherheit des Präsidenten zuständig sind. „Er war mehr ein Störfaktor
als etwas anderes. Es gab ständig Reibereien zwischen ihm und bestimmten
Polizeibehörden, aber als Entsandter des Präsidenten der Republik wurde er
gefürchtet“, sagt Rocco Contento von der Polizeigewerkschaft Unité SGP
Police FO. Benalla war weder der Polizei noch Gendarmerie unterstellt,
beanspruchte aber die Kompetenz, in allen Sicherheitsfragen parallel zu den
zuständigen Einheiten zu intervenieren oder diese sogar zu kommandieren.
Noch auf dem Fest nach dem Sieg der „Bleus“ bei der Fußball-WM kam es
zuletzt zu einem handfesten Konflikt zwischen Benalla und einem Mitglied
der Gendarmerie.
## Die Verfassung garantiert Anonymität
Die Entgleisung des Bodyguards hat sich nun zu einer politischen Krise
ausgeweitet. Für Ausflüchte ist es längst zu spät. Die Oppositionsparteien
von links bis rechts verlangen geschlossen und mit unverhohlener
Schadenfreude Rechenschaft vor den Untersuchungsausschüssen des Senats und
der Nationalversammlung. Parallel zu einer bereits laufenden gerichtlichen
Untersuchung befragen sie ranghohe Beteiligten, die unter Eid aussagen
müssen. Natürlich würden sie auch den Staatschef persönlich zu seiner
Version anhören, doch der kann die Einladung zum Verhör ausschlagen,
gestützt auf seine von der Verfassung garantierte Immunität.
Am Ende werden viele Fragen unbeantwortet bleiben. Vorab die, wie es
Benalla schaffte, in den engsten Kreis der Staatsmacht zu gelangen, und
warum Macron seine Sicherheit nicht den dafür zuständigen Polizisten
anvertraute.
Vorfälle aus Benallas Vergangenheit hätten alarmieren müssen:
Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg musste ihn bereits nach einer
Woche als Chauffeur entlassen, weil er angeblich einen Unfall verursacht
hatte und Fahrerflucht begehen wollte. Gleich zu Beginn der Wahlkampagne
schockierte Macrons junger Bodyguard mit seinem unangemessenen Betragen.
Französische Medien berichten, er habe einen Kommunisten, der Macron auf
einer öffentlichen Veranstaltung eine kritische Frage stellen wollte, aus
dem Saal geworfen. Wochen danach habe er einen akkreditierten Journalisten
des Staatssenders Public Sénat unsanft herausgeworfen. Mit Macrons Wahlsieg
war alles vergeben und vergessen.
Macron selber leugnet nicht, als Staatsoberhaupt verantwortlich zu sein.
Dem Parlament ist er laut Verfassung keine Rechenschaft schuldig. Nachdem
er eisern geschwiegen hatte, erklärte er sich vor ein paar Tagen vor
Parlamentariern und Ministern seiner Partei. Ein geheimer Videomitschnitt
davon tauchte auf. Darin ist zu sehen, wie er nicht wirklich auf die Fragen
antwortet, die sich heute viele seiner Landsleute stellen, er dementiert
bloß, unter Gelächter der Anwesenden, die absurdesten Gerüchte: „Nein,
Benalla besaß nicht den Geheimcode der Atomwaffen“, und: „Benalla war nicht
mein Geliebter.“ Macron attackiert à la Trump die Journalisten: „Ich
erkenne dahinter eine Medienmacht, die zur Justizmacht werden will.“
## Monarch Macron
Ende dieser Woche äußerte sich Macron das erste Mal öffentlich. Er sagte
der Nachrichtenagentur AFP, die Affäre Benalla sei ein „Sturm im
Wasserglas“. Auch Benalla äußerte sich. Er habe einen „Fehler“ gemacht,
erklärte er Le Monde. Es sei ein „politischer Fehler“ gewesen: „Man hat
sich meiner Affäre bedient, um abzurechnen.“ Inhaltlich hält er sein
Vorgehen immer noch für richtig.
Gegen Benalla, Vincent Crase und drei hohe Polizeioffiziere sind
Strafverfahren eingeleitet worden. Innenminister Collomb und mehrere
Mitarbeiter im Élysée, die sich von den parlamentarischen
Untersuchungsausschüssen in die Mangel nehmen lassen mussten, bleiben als
designierte Sündenböcke weiter im Schussfeld. Macron will sie (vorerst)
nicht opfern: „Ich trage als Einziger die Verantwortung“, proklamierte er
vor seinen Parteifreunden.
Für andere klingt das wie der absolute Machtanspruch eines Monarchen, denn
Macron fügte hinzu: „Wenn sie einen Verantwortlichen wollen, sollen sie
mich doch holen kommen …“ Er weiß, dass in Frankreich eine weitgehende
Immunität den Präsidenten vor jeder Belästigung durch die Justiz schützt.
Nicht aber vor dem Volkszorn, erinnert ihn Alexis Corbière, ein linker
Abgeordneter der Partei La France insoumise, der in Anspielung auf die
Revolution von 1789 warnt: „Es wäre nicht das erste Mal, dass das Volk
einen arroganten Monarchen holt.“
27 Jul 2018
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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