# taz.de -- Bauen am Checkpoint Charlie: Der Streit ist voll entbrannt | |
> Wie erinnert man an die Teilung? Investor und Senat wollen ein Museum des | |
> Kalten Krieges, Denkmalschützer finden den unbebauten Raum wichtiger. | |
Bild: Den Blick auf die Brandmauer gab es schon zu Mauerzeiten | |
Nach dem Bau der Mauer wurde er zum Grenzübergang der Alliierten. Im | |
Oktober 1961 standen sich dort amerikanische und sowjetische Panzer | |
gegenüber. Bis zum Fall der Mauer wurde auf acht Spuren abgefertigt: Der | |
Checkpoint Charlie steht wie kaum ein anderer Ort für die Teilung der | |
Stadt. Nun aber ist ein erbitterter Streit darüber ausgebrochen, ob eine | |
Erinnerung an die Zeit vor 1989 noch möglich ist, wenn die beiden | |
verbliebenen Grundstücke rechts und links der Friedrichstraße bebaut | |
werden. | |
Denn der Investor steht in den Startlöchern. Heskel Nathaniel, der | |
Geschäftsführer der Trockland-Gruppe, hatte sich schon 2015 drei | |
Grundstücke an der Friedrich- und Zimmerstraße gesichert, auf einem davon | |
wird gerade das Projekt „Checkpoint Living“ gebaut. Nun will Nathaniel auch | |
in der Friedrichstraße starten. Geplant ist unter anderem der Bau eines | |
Hard Rock Hotels, dazu kommen Büros und Wohnungen. All das haben die | |
Anwohnerinnen und Anwohner erfahren, als sie Anfang Juli zur ersten | |
öffentlichen Debatte in die Rotunde „The Wall“ an der Zimmerstraße | |
eingeladen wurden. | |
Theresa Keilhacker hat die Debatte über den Checkpoint schon vorher | |
begleitet. Schon vor dem ersten von insgesamt drei Workshops im Rahmen der | |
von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) initiierten | |
Bürgerbeteiligung hatte die Architektin zusammen mit Ex-Kultursenator | |
Thomas Fierl (Linke) und Landeskonservator Jörg Haspel einen Brandbrief | |
verfasst – und vor einer Kommerzialisierung gewarnt. Die Bürgerbeteiligung | |
selbst wurde in dem Schreiben als „Farce“ bezeichnet. Der taz sagt Theresa | |
Keilhacker: „Der Senat muss sein Vorkaufsrecht nutzen, um am Checkpoint | |
Charlie eine andere Entwicklung zu ermöglichen.“ | |
Doch daran denken weder Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) noch die | |
Stadtentwicklungssenatorin. Zwar hat Lompscher das Büro Urban Catalyst | |
beauftragt, das Beteiligungsverfahren am Checkpoint zu organisieren. Doch | |
in dessen Verlauf wurde bekannt, dass im Grunde bereits alles in Sack und | |
Tüten ist. Denn Senat und Investor haben lange vor dem Beginn der | |
Bürgerbeteiligung einen sogenannten Letter of Intent unterzeichnet, in dem | |
sie sich auf die Eckpunkte der Bebauung verständigt haben. Darin enthalten | |
ist auch das vom Senat gewünschte „Museum des Kalten Krieges“. 3.000 | |
Quadratmeter sieht Nathaniel dafür vor, 2.000 davon unter der Erde. Die | |
Miete für den Senat beträgt 25 Euro den Quadratmeter. Sehr zur Freude von | |
Kultursenator Klaus Lederer (Linke). In einem Brief an den Kritiker Thomas | |
Flierl schreibt Lederer, die Eckpunkte seien „im Rahmen der gegebenen | |
eigentumsrechtlichen Konstellation als ausgesprochen vorteilhaft zu | |
bewerten“. | |
Doch nicht nur zwischen den Linken scheint da ein veritabler Konflikt um | |
das gebotene Erinnern an die Teilung ausgebrochen zu sein, sondern auch im | |
Hause Lederer selbst. Denn Landeskonservator Haspel fordert, dass am | |
Checkpoint Charlie am besten gar nichts gebaut werden solle. Noch vor | |
Beendigung der Bürgerbeteiligung und der Erteilung einer Baugenehmigung für | |
Trockland hat das Landesdenkmalamt das Ensemble Anfang Juli sogar unter | |
Denkmalschutz gestellt. Die Begründung, die der taz vorliegt: „Der in einer | |
markanten städtebaulichen Gestalt überlieferte Grenzbereich bildet trotz | |
vieler Veränderungen eine erlebbare historische Schicht im Stadtgefüge der | |
Friedrichstadt.“ Interessant ist die Unterschutzstellung auch deshalb, weil | |
die Oberste Denkmalbehörde seit Rot-Rot-Grün nicht mehr bei der | |
Stadtentwicklungsverwaltung angesiedelt ist, sondern beim Kultursenator. | |
„Der Denkmalschutz hat alle überrascht“, sagt die Stadtforscherin Cordelia | |
Polinna, die bei Urban Catalyst die Bürgerbeteiligung mit übernommen hat. | |
Das Verfahren selbst sei nicht ganz einfach, auch wegen des Letters of | |
Intent. Dennoch sei man nach drei Workshops auch einige Schritte | |
vorangekommen. „Inzwischen sind sich Investor und Stadt einig, dass es auf | |
beiden Seiten der Friedrichstraße eine Freifläche von 1.000 Quadratmetern | |
geben soll.“ Trockland darf also nicht ganz an die Bauflucht der | |
Friedrichstraße heranbauen. „Das ist unter anderem ein Kompromiss, der mit | |
dem Denkmalschutz abgestimmt wurde, so Polinna. Im Gegenzug könnte an | |
anderer Stelle auch höher gebaut werden als in der Friedrichstadt üblich. | |
Die geänderte Planung hat Investor Nathaniel an die sieben Architekturbüros | |
weitergegeben, die nun ihre Entwürfe überarbeiten sollen. Wenn diese am 2. | |
August präsentiert werden, geht die Diskussion über die Zukunft des | |
Checkpoint Charlie in eine neue Runde. Hochhausdebatte inklusive, denn | |
Stararchitekt David Chipperfield beabsichtigt, die Friedrichstraße mit | |
einem Turm zu überbauen. | |
Theresa Keilhacker will sich mit dem Kompromiss aber nicht zufrieden geben. | |
Sie besteht darauf, dass der Senat die Grundstücke kauft und statt eines | |
Investorenprojekts ein städtisches Projekt anschiebt. „Neben dem Gedenken | |
an die Teilung kann ich mir hier Schulen, Kitas und sozialen Wohnungsbau | |
vorstellen.“ Entwickelt werden solle das Ganze von einem öffentlichen | |
Träger. „Dann wird das hier ein Stück Berlin und nicht noch mehr | |
Disneyland.“ | |
26 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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