| # taz.de -- Abriss in Grünau: Auf den Brand folgt die Belohnung | |
| > Nach der umstrittenen Genehmigung für eine Seniorenresidenz folgt der | |
| > nächste Streich. Nach einem Brand reißt der Investor mehr ab als erlaubt. | |
| Bild: Das Gesellschaftshaus nach dem Teilabriss | |
| Gerade erst hat der Bezirk Treptow-Köpenick den Tag des offenen Denkmals | |
| begangen – mit einer Führung durch die Archenhold Sternwarte oder das | |
| Bahnbetriebswerk Schöneweide. Im Ortsteil Grünau jedoch wäre eine andere | |
| Führung angebracht gewesen: als Beispiel dafür, wie Denkmale zerstört | |
| werden und welche Rolle die Bezirke dabei spielen. | |
| Die Rede ist vom Bauvorhaben des Investors Terragon, der an der | |
| Regattastraße auf dem Gelände der einstigen Ausflugslokale „Riviera“ und | |
| „Gesellschaftshaus“ eine luxuriöse Seniorenresidenz eröffnen möchte. Wie | |
| der Bezirk dem Investor dabei den Teppich ausrollte, hat die taz bereits | |
| [1][ausführlich beschrieben]. | |
| Nach einem Brand im Gesellschaftshaus Mitte Juli kam der Bezirk dem | |
| Investor nun noch einmal entgegen. Das geht aus einer Antwort des Senats | |
| auf eine Anfrage der Abgeordneten Robert Schaddach (SPD) und Stefan Förster | |
| (FDP) hervor, die der taz vorliegt. Beide Abgeordneten hatten den Senat | |
| gefragt, wie es sein könne, dass „ein Mitarbeiter der Baufirma vor Ort | |
| eigenmächtig und nach seinem Ermessen entscheiden (kann), dass deutlich | |
| mehr als vereinbart abgerissen werden kann“. | |
| Bei dem Brand am 16. Juli hatte es sich um Brandstiftung gehandelt. Zwar | |
| hatte die Polizei kurz darauf zwei Jugendliche festgenommen, diese aber | |
| wieder laufen lassen. Bis heute ist der Vorfall nicht geklärt. | |
| Kurz darauf hat der Bezirk einen Teilabriss des Gesellschaftshauses | |
| genehmigt. Doch bei den Abrissarbeiten am 5. August, monieren Schaddach und | |
| Förster, seien nicht einmal der Prüfstatiker oder die Denkmalschutzbehörden | |
| hinzugezogen worden. Robert Schaddach hat seinen Wahlkreis in | |
| Treptow-Köpenick, Stefan Förster ist Mitglied im Köpenicker Denkmalrat. | |
| In ihrer Antwort räumte die für Denkmalschutz zuständige Kulturverwaltung | |
| nun ein: „Den Abbruch auszuweiten, ohne die UD [Untere | |
| Denkmalschutzbehörden, d. Red.] in die Entscheidung einzubinden, war | |
| grundsätzlich nicht korrekt.“ | |
| Doch der Bezirk hat das eigenmächtige Vorgehen der Terragon nicht geahndet. | |
| Auf ein Bußgeld habe man verzichtet, verrät nun der Senat. Der Grund: Man | |
| sei bei einer erneuten Prüfung vor Ort zu dem Schluss gekommen, „dass es | |
| aufgrund der Brandfolgen und der Einsturzgefahr gerechtfertigt war, mehr | |
| Mauerwerk als genehmigt abzubrechen“. | |
| Dabei hat der Brand weit weniger Schaden angerichtet als behauptet, | |
| kritisiert der Künstler Nils R. Schultze, der im Ortsverein Grünau aktiv | |
| ist. Aber das habe den Bezirk nicht interessiert. „Schon die | |
| Abrissgenehmigung nach dem Brand fußte auf den Angaben des Statikers des | |
| Bauherrn“, kritisiert Schultze. Und der sei nicht einmal auf dem Gelände | |
| gewesen. | |
| Dennoch begannen am frühen Morgen des 5. August die Abrissarbeiten – ohne | |
| Beisein der Unteren Denkmalschutzbehörde. Erst als Schultze vor Ort | |
| protestierte, dass mehr abgebrochen werde als genehmigt, kam eine | |
| Mitarbeiterin der Behörde dazu. In einer Mitteilung räumte das Bezirksamt | |
| Treptow-Köpenick noch am selben Tag ein: „Es zeigte sich, dass | |
| Abbrucharbeiten abweichend von der erteilten denkmalrechtlichen Genehmigung | |
| ausgeführt werden.“ | |
| Dass die Abrissmaßnahmen nicht kontrolliert worden waren, ist laut | |
| Senatsverwaltung für Kultur aber nicht zu beanstanden. In der Antwort auf | |
| die Anfrage heißt es: „Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der | |
| Genehmigungsinhaber sich regelkonform verhält. Damit ist keine persönliche | |
| Überwachung durch die zuständige Behörde notwendig.“ | |
| Inzwischen hat sich auch das Kulturerbenetz zu Wort gemeldet, ein | |
| Zusammenschluss von 30 Initiativen, die sich für den Denkmalschutz | |
| engagieren. „Hier haben anscheinend – wie so oft – die finanziellen | |
| Interessen des Investors Vorrang vor den denkmalpflegerischen Interessen | |
| der Stadt“, kritisierte Andreas Barz vom Kulturerbenetz gegenüber der | |
| Berliner Zeitung. | |
| Das Interesse von Terragon wiegt tatsächlich schwer. Die Firma hatte das | |
| Grundstück 2017 für 15 Millionen Euro vom Vorbesitzer gekauft, der dafür | |
| nur 650.000 Euro bezahlt hatte. Den geplanten Bau der Seniorenresidenz | |
| genehmigte der Bezirk ohne Bebauungsplan. Die Pläne eines weiteren | |
| Investors, der die historischen Ausflugsstätten weiter für die | |
| Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hätte, wurden in den Wind geschlagen. | |
| Schon mit der Baugenehmigung vom 22. Januar erlaubte der Bezirk Teilabrisse | |
| des Riviera-Gebäudes und des Gesellschaftshauses. Gegenüber der taz | |
| begründete Stadtplanungsamtsleiterin Ulrike Zeidler die Genehmigung damit, | |
| dass „bis zur Entscheidung über die Bauvoranfrage mindestens ein/e | |
| Mitarbeiter/in der Unteren Denkmalschutzbehörde nahezu ausschließlich mit | |
| der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen an der Riviera und deren Durchsetzung | |
| beschäftigt war“. | |
| Das, so Zeidler, „hätten das Bezirksamt und das Denkmalamt nicht mehr lange | |
| durchhalten können, zumindest nicht ohne die 4.500 anderen Denkmale im | |
| Bezirk zu vernachlässigen“. | |
| Gegenüber der taz kritisierte die für Denkmalschutz zuständige | |
| Grünen-Abgeordnete Daniela Billig das Vorgehen. „Wir kümmern uns auf | |
| Bezirksebene oft zu wenig um unsere Denkmale. Da ist schon viel zu viel | |
| verloren gegangen.“ | |
| Hinzu komme noch, dass die Denkmalschutzbehörden „die kleinen Eigentümer | |
| oft knechte, während sie sich gegenüber den großen Investoren oft zahm | |
| verhalten“. | |
| Das ist im konkreten Fall auch die Erfahrung von Nils R. Schultze. „Der | |
| Bauherr wird von allen Gesetzen freigestellt, der macht, was er will.“ Nun | |
| will sich der Künstler an die katholische Kirche wenden. Denn Investor | |
| Terragon hat das Bauvorhaben inzwischen an die Aachener Grund verkauft – | |
| und die verwaltet unter anderem das Vermögen mehrerer Bistümer. | |
| Bei der Terragon selbst war am Dienstag keine Auskunft zu den Vorwürfen zu | |
| erhalten. | |
| 11 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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