# taz.de -- Zukunft Checkpoint Charlie: Nur eine Luftnummer | |
> Seit Mauerzeiten hat sich die Gegend um den Checkpoint Charlie radikal | |
> verändert. Nun sollen Bürger mitreden, was mit unbebauten Flächen | |
> passieren soll. | |
Bild: Es wird an der Zukunft des Checkpoint Charlie gewerkelt: Büros, Cafés, … | |
Hat sich Berlin am Checkpoint Charlie auf einen schlechten Deal | |
eingelassen? Einige Experten sehen das so, darunter die Architektin Theresa | |
Keilhacker, aber auch der ehemalige Berliner Kultursenator Thomas Flierl. | |
In einem Positionspapier wird vor allem die wenig einflussreiche | |
Bürgerbeteiligung kritisiert. Genau um diesen „Partizipationsprozess“ zur | |
Zukunft von Checkpoint Charlie ging es am Montag in einer öffentlichen | |
Auftaktveranstaltung im Panorama mit dem Rundbild des Künstlers Yadegar | |
Asisi an der Zimmerstraße. Seit Mauerzeiten hat sich die Gegend rund um die | |
ehemalige Grenzübergangsstelle (so hieß der alliierte Kontrollpunkt in | |
damaliger Ost-Diktion) radikal verändert. | |
Das wurde zu Beginn in einer Ortsbegehung mit den relativ spärlich | |
erschienenen Bürgern deutlich. Mauer und Grenzanlagen sind komplett | |
verschwunden und nur die Kopie des Kontrollhäuschens nebst kostümierten | |
Grenzposten als kostenpflichtiges Fotomotiv auf der Westseite gibt | |
Touristen und Nachgeborenen eine Ahnung, an welcher einst so heiklen Stelle | |
sie sich befinden. | |
Heute gibt es zwar jede Menge Touristen und Reisebusse, es gibt „Die Bude | |
Boy Deutsches Currywurst Museum“, eine improvisierte Freiluftausstellung | |
zum historischen Ort, es gibt das Panorama, das allerdings einen anderen | |
Ort in Kreuzberg zu Mauerzeiten präsentiert, und da wäre auch noch das Ecke | |
Kochstraße gelegene Museum Haus am Checkpoint Charlie. Doch all diese sich | |
mehr oder weniger auf den Ort bezogenen Lokalitäten werden demnächst mit | |
völlig neuen Tatsachen konfrontiert werden. | |
Die immer noch unbebauten Grundstücke rechts und links der Friedrichstraße | |
Ecke Zimmerstraße sollen nun bebaut werden. Die Firma Trockland plant in | |
„erstklassiger Lage in Berlin-Mitte, direkt am Checkpoint Charlie“ ein | |
Hotel mit Tiefgarage, Einzelhandelsflächen sowie Mietwohnungen, Museum, | |
Büros, Geschäfte, Restaurants und Cafés. Bis 2020/21 soll alles fertig | |
sein. | |
Und im Grunde sind die Pläne des Architektenbüros Graft für die Gebäude | |
auch schon so gut wie fertig. Seit drei Jahren wird von Trockland bereits | |
an den Projekten „Charlie Experience“ und „Charlie Hospitality“ gearbei… | |
Es existiert ein „Letter of Intend“ zwischen dem Investor und den Berliner | |
Senatsverwaltungen Bauen, Kultur und Finanzen, was und wie bebaut werden | |
soll. Unter anderen geht es um ein Museum zum historischen Ort zur | |
Komplettierung des Gedenkstättenkonzepts zur Berliner Mauer der | |
Senatskulturverwaltung und um die Gestaltung der Freifläche auf der | |
westlichen Seite der Friedrichstraße, wo heute Rundpanorama und | |
Würstchenbunde ihren Standort haben. | |
Die besagte Vereinbarung ist allerdings völlig rechtsunverbindlich. Aber | |
der Chef von Trockland, Heskel Nathaniel, zeigte sich am Montag von der | |
Möglichkeit, am Checkpoint Charlie „eine Geschichte über die Zukunft und | |
eine Transformation der Gefühle“ bauen zu können, derart begeistert, dass | |
er es gerne hinnimmt „von den Verantwortlichen gequält“ worden zu sein. | |
Die „Verantwortlichen“ waren am Montag etwa in Person von Manfred Kühne, | |
Abteilungsleiter Städtebau und Projekte bei der Senatsbauverwaltung | |
erschienen. Kühne benannte dann auch das Grundproblem bei der | |
Bürgerbeteiligung am Checkpoint Charlie. Denn die Grundstücke wurden | |
„dummerweise früh veräußert“. Um genau zu sein: bereits 1991. Seitdem | |
wechselten sie mehrmals die Besitzer, und ohne globale Finanzkrise wäre das | |
Grundstück wohl bereits komplett im Berliner Blockrand‑ und | |
Traufhöhenschema bebaut worden. | |
Was bei der Bebauung jetzt noch durch Bürgerbeteiligung gedreht werden | |
kann, wird sich im Grunde dem Wohlwollen des Investors verdanken. Neben dem | |
26.000 Quadratmetern oberirdischem Bauland, bleiben eine circa 1.000 | |
Quadratmeter große Platzfläche und maximal 3.000 Quadratmeter – das meiste | |
davon in Kellergeschossen – für einen Bildungs‑ und Erinnerungsort. Als | |
Miete für das Land Berlin stehen derzeit 25 Euro pro Quadratmeter im Raum. | |
Die Bürger können also nur über ein paar Marginalien mit entscheiden. Es | |
hat deshalb den Eindruck, angesichts dieser Verhältnisse musste das jetzt | |
erst gestartete „Partizipationsverfahren“ umso aufwendiger ausfallen. Unter | |
anderem darf man jetzt auch Online Vorschläge machen oder ausgefüllte | |
Fragekarten bei einem Lastenfahrradfahrer am Ort wieder abgeben. | |
## Befeuerte Gentrifizierung | |
Checkpoint Charlie ist trotz alledem ein Lehrstück, wie der Senat von | |
Berlin eine Bürgerbeteiligung systematisch verspielt hat. Nach dem Motto | |
„Alles muss raus“ wurde in der Nachwendezeit ja privatisiert, was zu | |
privatisieren ging, ob Wasserversorgung oder Grundstücke der öffentlichen | |
Hand. Nebenbei fiel auch die Berliner Mauer fast auf ihrer gesamten Länge | |
inklusive Grenzübergangsanlagen. Dass Renditeerwartungen über Denkmalwerte | |
gesiegt haben, auch dafür ist Checkpoint Charlie ein Symbol. | |
Die Anwohner, auch das erbrachte der Montag, sind von den Touristenmassen | |
und Autoverkehr genervt und vermissen preiswerte Kneipen und Cafés, die bis | |
zum späten Abend noch geöffnet haben. Die Aufwertung der Gegend à la | |
„Charlie Experience“ wird die galoppierende Gentrifizierung am einstigen | |
Mauerstreifen aber noch befeuern. | |
Vielleicht sollte man im zukünftigen Museum am Ort auch einmal derjenigen | |
Menschen gedenken, die nach dem Sieg des Kapitalismus ihre angestammte | |
Heimat am Checkpoint Charlie wegen steigender Mieten verlassen mussten. | |
29 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Ronald Berg | |
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